Die virtuelle Welt beschert der Medizin reale Krankheitsbilder. Zu deren inzwischen langer Liste addierte sich eine neue: die "Palmare Playstation Hidradenitis". Immer mehr zeichnet sich ab, welche gesundheitlichen Risiken Computerspiele bergen – nicht nur für die Psyche.
Von der virtuellen Freude zum realen Leid ist es mitunter nicht weit: Wiitis, Atari-Daumen, Computer Vision Syndrom und Nintendo-Nacken sind nur einige der pathologischen Folgen exzessiver Spielerleidenschaft. Schweizer Mediziner haben nun eine weitere im Fachmagazin "British Journal of Dermatology" beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Hidradenitis an den Handflächen, die bei einem zwölfjährigen Mädchen aufgetreten war.
Die Schweißdrüsenentzündung der jungen Patientin gab den Genfer Dermatologen zunächst einige Rätsel auf. Die sehr schmerzhaften Hautläsionen, die vier Wochen vor der Einweisung in die Universitätsklinik aufgetreten waren, beschränkten sich ausschließlich auf die Handflächen. Laut Dr. Vincent Piguet "sehr ungewöhnlich": In der Regel tritt eine Hidradenitis "vor allem auch an den Fußsohlen und bedingt durch starkes Schwitzen bei sportlichen Aktivitäten wie etwa Joggen auf". Das Mädchen hatte jedoch weder stark geschwitzt noch intensiv Sport getrieben.
Spur ins Spielzimmer
Was die junge Patientin allerdings sehr intensiv betrieben hatte, war das Spielen mit ihrer neuen Playstation. Vor Ausbruch der Hauterkrankung beschäftigte sich das Mädchen täglich über mehrere Stunden hinweg damit. Selbst, als sich die Läsionen bereits eingestellt hatten, spielte sie weiter so intensiv. Dies veranlasste Dr. Piguet und seine Kollegen zur Vermutung, dass die Ursache der Beschwerden im ausgiebigen "Gamen" zu suchen ist. Das vielmals wiederholte krampfhafte Zupacken an den Konsolengriffen der Playstation und das feste Drücken der Tasten führten zu winzigen Hautverletzungen an den Handflächen. Durch das stundenlange Spielen verschlimmerten sich die Läsionen kontinuierlich von Tag zu Tag. Der Prozess wurde durch Schwitzen an den Handflächen, ausgelöst durch Aufregung beim Spielen, noch verstärkt. Angesichts dieser Ätiologie der Hauterkrankung nannten sie die Genfer Mediziner treffend "Palmare Playstation Hidradenitis". Wie berechtigt die Annahme der Dermatologen war, lag schnell im wahrsten Wortsinn auf der Hand: Als Therapie bekam das Mädchen zehn Tage völliges Spielverbot verordnet. Danach waren ihre Beschwerden komplett verschwunden.
Die British Association of Dermatologists (BAD) würdigte die Entdeckung ihrer Kollegen als "sehr interessant" und empfahl, Patienten zukünftig prophylaktisch auf mögliche Risiken von Playstations hinzuweisen: Wer diese benutze, sollte unbedingt regelmäßige Pausen machen – nicht erst dann, wenn die Hände bereits schmerzen. Wer zu starkem Schwitzen an den Handflächen neige, sollte nach Anraten der BAD prinzipiell auf intensives "Gamen" verzichten. Der Hersteller Sony sieht sich aus der Verantwortung genommen. Auf Anfrage gab das Unternehmen in einer Stellungnahme zu Bedenken, dass "jede Freizeitbeschäftigung zu Gesundheitsproblemen führen könne, wenn der Benutzer ein Produkt nicht richtig anwende oder sich nicht an die Benutzungsempfehlungen halte".
"Alarmierendes gesundheitliches Problem"
Exzessives Videospielen gilt laut Dr. Piguet bereits "als alarmierendes Gesundheitsproblem", das rasant zunimmt: Mit den stetigen Neuerungen der Unterhaltungstechnologie entstehen neue Krankheitsbilder. Bislang, so Dr. Piguet, sah man die Gefahren angesichts der hohen Suchtgefahr vor allem im psychischen Bereich. Das pathologische Potenzial ist jedoch umfassender. Zu häufige Besuche in der virtuellen Spielwelt führen auch zu körperlichen Erkrankungen – die klinischen Befunde mehren sich zusehends. Der Fall des Schweizer Mädchens ist dabei nur einer von vielen. Die altbekannte Erkenntnis des Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim – besser bekannt als Paracelsus – dass "erst die Dosis das Gift macht" bleibt auch im Cyber-Zeitalter aktuell...