Patienten mit Störungen durch psychoaktive Substanzen werden immer jünger. Schon ein Viertel der Krankheitskosten bei 15- bis 29-Jährigen geht auf das Konto dieser Störungen. Nicht minder erschreckend sind die immensen und oft irreversiblen neurotoxischen Schäden.
Die wachsende Zahl substanzabhängiger Heranwachsender ist auch wegen des fulminanten Abhängigkeitspotenzials prekär. »Umso jünger, desto stärker ist das Ausmaß der Abhängigkeit«, so Prof. Dr. Rainer Thomasius, Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Umso jünger, desto ausgeprägter sind auch die pathologischen Auswirkungen psychoaktiver Substanzen.
Neuronen ade
Unter Tetrahdyrocannabinol, kurz THC und Hauptwirkstoff von Cannabis, reduzieren sich das Hirnvolumen, die Zahl der dendritischen Fortsätze an den Neuronen und die Affektkontrolle. Weiterhin kommt es zu oft irreversiblen Störungen der Hirnentwicklung. Laut Prof. Thomasius besteht »tierexperimentelle Evidenz, dass THC bei Mäusen zur neuronalen Degeneration führt«. Aus einer Expertise des Zentrums für Suchtfragen im UKE geht hervor, dass THC auch das Risiko für Depressionen und kognitive Störungen erhöht. In der Camberwell First Episode-Studie aus Südlondon zeigte sich, dass THC zudem die Inzidenz von Schizophrenie verdoppelt. Eine weitere Studie, die Christchurch Health and Development Study, untersuchte die Effekte von THC bei 14- bis 21-Jährigen. Resultat war unter anderem: Umso höher der Konsum, desto schlechter der Status in Ausbildung, Einkommen, Lebenszufriedenheit und sozialer Kompetenz. Nach den Worten von Prof. Thomasius zieht auch Methylendioxymethamphetamin (MDMA) »ausgeprägte und nachhaltige neuropsychologische Schäden« nach sich, wie er 2006 selbst in einer Langzeitstudie am UKE belegt hat. MDMA – besser bekannt als Ecstasy – bewirkt eine kortikale und subkortikale Neurodegeneration sowie kognitive Störungen und reduziert signifikant die Serotonin-Transporter im Gehirn. Ebenso wurden deutliche Störungen im Kurzzeitgedächtnis festgestellt. Bei Messungen der Gehirnströme im EEG und der Gehirnaktivität im PET fand sich darüber hinaus eine verminderte Hirnaktivität.
Hirnschwund Schluck für Schluck
Exzessiver Alkoholkonsum im Jugendalter verringert das Volumen im präfrontalen Kortex deutlich. Dabei korreliert das Ausmaß des Volumenschwunds eng mit der Menge des konsumierten Alkohols: »Je mehr getrunken wird, desto großer ist der Schwund«, so Prof. Thomasius. Im MRI konnte nachgewiesen werden, dass Gelage wie das beliebte Binge-Trinken (»Trichter-Saufen«) auch zu kortikalen und subkortikalen Atrophien führen. Des Weiteren finden sich bei jugendlichen Alkoholabhängigen laut Prof. Thomasius überdurchschnittlich häufig eine Major Depression und ADHS.
Gute Therapieaussichten
Weniger düster als die steigende Zahl jugendlicher Suchtpatienten sind die Therapieaussichten. Zu Beginn der Behandlung ist es aus Erfahrung von Prof. Thomasius »entscheidend, eine Änderungsabsicht zu erzeugen«. Gelingt dies, »haben wir bessere Chancen als bei älteren Suchtpatienten«. Nach den Worten von Prof. Thomasius ist die Haltequote mit 65 Prozent »deutlich höher als bei Erwachsenen«.
Dennoch sind die Anforderungen an die Suchttherapie bei Heranwachsenden sehr komplex. Bewährt haben sich kognitiv-behaviorale, verhaltens- und familientherapeutische sowie psychodynamische Methoden, ergänzt durch gezielte pädagogische Förderung. Entscheidend ist, dass die Suchterkrankung rasch behandelt wird. Was allerdings oft Probleme bereitet. Laut Prof. Thomasius gibt es in Deutschland noch keine flächendeckende qualifizierte Versorgung: »Besorgniserregend, denn bis ein Therapieplatz gefunden wird und die Behandlung beginnen kann, dauert es häufig zu lange«.