Wer bariatrische Operationen schon immer für ziemlich martialisch hielt, kann vielleicht einem neuen, minimalinvasiven Eingriff ein wenig mehr abgewinnen. In Europa ist jetzt eine Art Schrittmacher zugelassen worden, der bei Adipositas den Nervus vagus lahmlegt.
Abgesehen von einem radikalen und konsequenten und deswegen fast unmenschlichen Wechsel des Lebensstils war die bariatrische Chirurgie für Menschen mit schwerer Adipositas bisher mehr oder weniger die einzige Option, um wirklich in großem Umfang Gewicht zu verlieren. Deutschland war hier zwar vergleichsweise zurückhaltend. Aber der Trend ist doch eindeutig. Bei rund 2.000 Patienten wurde bisher auf GKV-Kosten ein Magenband eingesetzt oder eine Y-Roux-Anastomose angelegt. Wie viele Patienten derlei Eingriffe selbst gezahlt haben, lässt sich nur schätzen. Allein im überwiegend via Privatversicherung finanzierten US-Gesundheitswesen waren es im Jahr 2006 – festhalten – 260.000 bariatrische Operationen.
Die Chirurgie feiert Erfolge. Doch der Preis ist hoch.
Die Erfolge der Adipositaschirurgie sind mittlerweile unstrittig. „Es gibt mehrere spektakuläre Studien, die zeigen, dass die Adipositaschirurgie den Stoffwechsel normalisieren, die Inzidenz von Typ 2-Diabetes senken und sogar das Langzeitüberleben verbessern kann“, betonte etwa Professor Burkhard Göke von der Medizinischen Klinik II der LMU München kürzlich bei einem Kongress in Berlin. Wichtig sei allerdings die enge Einbettung in eine internistische und vor allem psychosomatische Betreuung. „Mit der Operation alleine ist es nicht getan. Diese Patienten brauchen eine lebenslange Nachbetreuung“, so Göke.
Nicht nur das, die bariatrischen Operationen sind auch relativ invasiv. Das adjustierbare Magenband mag noch als kleiner Eingriff durchgehen. Der effektivere Roux-Bypass aber verändert die Physiologie des Verdauungstrakts nachhaltig und irreversibel. Muss das so sein? Nicht unbedingt, wenn es nach dem Unternehmen EnteroMedics geht. Mit VBLOC („Vagal Blocking for Obesity Control“) hat es eine Lösung entwickelt, bei der der für die gastrointestinale Motilität und für das Hungergefühl wesentlich mit verantwortliche Nervus vagus elektrisch abgeschaltet wird. Es handelt sich gewissermaßen um die neurophysiologische Variante des Magenbands, eine Art Schrittmacher gegen Dickmacher. In Europa hat EnteroMedics für VBLOC jetzt die CE-Zulassung bekommen. „VBLOC ist eine innovative Therapieform, die einen signifikanten Gewichtsverlust verspricht, ohne dass Kompromisse gemacht werden müssten“, sagte der Unternehmenschef Mark Knudson anlässlich der Erteilung der Zulassung.
Elektrische Vagektomie auf Zeit
Der Charme des Verfahrens liegt in dem doch recht schonenden Vorgehen. Die Implantation der Vagus-Schrittmacher-Elektroden erfolgt laparoskopisch. Auch im Vergleich zu anderen laparoskopischen Ansätzen in der Adipositaschirurgie ist der Eingriff klein. Vor allem aber werden keine irreversiblen Veränderungen vorgenommen. Die elektrische Stimulation des Nervus vagus erfolgt über hochfrequente Impulse, die den Vagus lähmen und letztlich Hungergefühl und Peristaltik reduzieren. Anders als bei der chirurgischen Vagektomie wird der Nerv durch den Schrittmacher nur intermittierend lahmgelegt. Das soll verhindern, dass Kompensationsmechanismen in Gang kommen, die den initialen Effekt der Vagotomie wieder zunichte machen.
In einer ersten Studie konnten mit diesem Ansatz doch recht beachtliche Ergebnisse erzielt werden. Bei insgesamt 38 Patienten wurde der Vagus-Schrittmacher eingesetzt. Beim ersten Follow up nach sechs Monaten lag der durchschnittliche Gewichtsverlust nach Angaben des Unternehmens bei 17,9 Prozent. Nach zwölf Monaten waren von den ursprünglich 38 Patienten zwar nur noch 17 für ein Follow up verfügbar, was darauf hindeuten dürfte, dass die Methode nicht bei allen hilft. Aber immerhin: Jene 17 hatten im Schnitt 28,1 Prozent an Gewicht verloren. Und nach 18 Monaten waren es bei dann allerdings nur noch neun Patienten im Schnitt satte 37,6 Prozent. „Wir halten diese Ergebnisse für sehr ermutigend. Sie zeigen, dass ein anhaltender Gewichtsverlust möglich ist, ohne jene schweren unerwünschten Wirkungen zu haben, mit denen andere Adipositastherapien einher gehen“, so Knudson. Dass er mit 38 Patienten noch keinen Staat machen kann, weiß der Unternehmer auch. Doch eine große randomisiert-kontrollierte Studie läuft bereits. Erste Ergebnisse sollen in der zweiten Jahreshälfte vorliegen.