Bei militärischen Auslandseinsätzen müssen Verletzte oft Stunden vom nächsten Krankenhaus entfernt versorgt werden. Im Notfall soll auch schnell operiert werden können. Das leistet jetzt die vom US Militär entwickelte Robotic Station "Trauma Pod", und zwar ferngesteuert.
Für den US amerikanischen Militärarzt Geoffrey Ling fällt die Bilanz nüchtern und knapp aus. Sowohl die durchgeführte Darmanastomose, als auch das Anlegen des lebenserhaltenden aortoiliakalen Shunts erfolgten mit 100-prozentiger Präzision. Der Patient der US-Army Forschungseinrichtung DARPA freilich war aus Sicherheitsgründen eine Puppe – doch sowohl die real existierenden Chirurgen, als auch die eingesetzte Robotics Station Trauma Pod arbeiteten so, wie es die Militärführung der Amerikaner in Zukunft gerne haben möchte: Lediglich über Fernsteuerung miteinander verbunden.
Tatsächlich ist das DARPA-Konzept einzigartig, und trotz einer seit Jahren bestehenden „Robodoc“-Historie weltweit dennoch neu. Denn die Idee für den militärischen Einsatz ferngesteuerter Maschinen setzt vor allem auf Pragmatismus. Anders als bei den bisherigen Ansätzen, bei denen mit Hilfe von Telemedizin hochkomplexe Operationen gestemmt werden sollten, muss Trauma Pod lediglich die Notfallversorgung vor Ort übernehmen. Der am kalifornischen SRI International Lab entwickelte Spezialcontainer, eine Art Box in der sich alle Roboterarme samt Patient befinden, vermag in erster Linie lebenserhaltende Eingriffe als Routine zu bewältigen. Die Idee: Danach können Verletzte konventionell transportiert und ebenso chirurgisch therapiert werden - in weit gelegenen Krankenhäusern.
Doch der Trauma Pod kann wesentlich mehr: Die Behandlungsstation operiert nämlich zum Teil vollkommen autonom, indem sie zwar den echten Chirurgen die Greifarme steuern lässt, aber sämtliche Handgriffe des nicht vorhandenen OP-Personals eigenständig und fehlerfrei ausführt. Der berühmte Spruch „Skalpell!“ entfällt demnach ebenso wie die TV-mäßig in Medisoaps immer wieder gerne genutzte „Pinzette!“-Floskel. Neben dem robotischen Chirurgen besteht die Einheit aus weiteren 12 Spezialgreifern. Zu tun haben der Real-Chirurg und seine blechernen Helfer in Zukunft eine ganze Menge.
Ob Probleme mit der Lunge, schwere Bauchverletzungen oder Blutdruckabfall – geht es nach Chefentwickler Pablo Garcia sollten derartige Herausforderungen für Trauma Pod kein Problem darstellen. Auch laut Colonel Ling ist noch einiges an Potenzial vorhanden: Die Station wird Ling zufolge sogar CT-Scans in Eigenregie durchführen, um die Diagnostik auf dem Schlachtfeld der Zukunft zu ermöglichen. Zudem will die DARPA die jetzige Trauma Pod Prototypversion wesentlich verkleinern, um auf diese Weise noch mobiler für den Ernstfall gerüstet zu sein. Chirurgische Container, die an Fallschirmen befestigt aus 5.000 Metern Höhe neben den Verletzten niedergehen – nicht scheint mehr wirklich unmöglich in der visionären Militärwelt.
Robodoc reloaded?
Der Gedanke, Großroboter wie in der Industrie auch im Operationssaal einzusetzen, ist freilich nicht neu. Er galt aber zumindest in Deutschland als tot, seit Prototypen wie der in Frankfurt eingesetzte Robodoc 2003 außer Dienst gestellt wurden. Doch nicht nur die US – Amerikaner an SRI und DARPA tüftelten an kleineren Varianten. Auch hierzulande verfolgten Medizintechniker ähnliche Ideen. "Ein Ziel war es, für den OP kleinere und flexiblere Roboter für den Einsatz am Patienten zu entwickeln. Parallel dazu wurde aber auch an einer Art Makroversion gearbeitet, also an einem größeren Roboter, der die Instrumente für die Bildgebung steuert und mit diesen kommunizieren kann", erklärte beispielsweise bereits im Jahr 2008 Jahr Fritz-Uwe Niethard, Direktor der Orthopädischen Klinik am Universitätsklinikum Aachen, die Tendenz der Zukunft. Niethard weiß, wovon er spricht: Er ist Sprecher des Projekts orthoMIT (Minimalinvasive Orthopädische Therapie), einem Vorhaben also, bei dem es darum geht, innovative Werkzeuge und Verfahren zu entwickeln, um schonender zu operieren. "Das ist vor allem für die wachsende Zahl älterer Patienten mit teilweise vielfältigen Vorerkrankungen wichtig. Moderne Technik kann helfen, Operationsrisiken zu mindern und so zu operieren, dass die Leute rasch wieder auf die Beine kommen", sagte damals Niethard.
Tatsächlich lockt die neu aufkeimende Robotics in der Medizin die Großen der Branche. So wurde ein neuer Großroboter im OP von Siemens Healthcare in Erlangen entwickelt. Der Clou: Der Roboter soll Bildwandler, also Röntgengeräte, die während einer OP hochauflösende 3-D-Bilder liefern, so steuern, wie es erforderlich ist, um exakte Informationen über das Operationsgebiet zu erhalten. Der Operateur sieht am Bildschirm, wo er wie tätig werden muss und kann mit zusätzlichen Navigationsgeräten dann am virtuellen Bild arbeiten, um beispielsweise Schrauben an der Wirbelsäule zu platzieren.
Dass Sanitäter in Zukunft Verletzte zunächst in winzige Robotic-Container schieben, um sie dort, wie in einer menschenleeren Autofabrik, metallenen Greifarmen zu überlassen, mag für Außenstehende wenig charmant erscheinen. Für den früheren zivilen Medizinprofessor und jetzigen Militärarzt Ling werden die Systeme jedoch nicht nur auf dem Schlachtfeld eine Chance haben. Auch der zivile Katastrophenschutz darf Ling zufolge vom Trauma Pod profitieren – vor allem dann, wenn weit uns breit keine sonstige medizinische Einrichtung vorhanden ist.