Omeprazol, Sumatriptan, Paracetamol und Johanniskraut: Selten war das Thema OTC so viel in den Schlagzeilen wie in diesen Wochen. Das Hin und Her belegt, dass der OTC-Markt kein Markt wie jeder andere ist. Verbraucherschützer wollen die OTC-Preise trotzdem purzeln sehen. Schnell.
Die OTC-Präparate entwickeln sich langsam zu so etwas wie einem Patentrezept für die Finanznöte des deutschen Gesundheitswesens. Aktuelles Beispiel: Auch wenn das niemand so explizit sagen will, aber der Plan, das Migränepräparat Sumatriptan und den Protonenpumpenhemmer Omeprazol ab Sommer aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, wird den Krankenkassen zumindest nicht ungelegen kommen.
Politgeschacher im Wochenrhythmus
Jetzt hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) allerdings noch einmal dazwischen geschossen: In dem vor einigen Tagen vorgelegten Entwurf zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung tauchen die beiden Wirkstoffe nicht auf. Interessant ist die Begründung des BMG: Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hatte eine Änderung bei der Verschreibungspflicht von zusätzlichen Angaben in den betreffenden Waschzetteln abhängig gemacht. Nicht dass das BMG kein Interesse an OTC-Varianten von Omeprazol und Sumatriptan hätte. Mit einem separaten Waschzettel würde aber indirekt eingestanden, dass die Entscheidung, diese Präparate aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, nicht leicht gefallen ist. Nun ist die Sache also wieder beim Ausschuss, der plötzlich unter erheblichem Druck steht.
Umgekehrt stehen die Dinge beim Johanniskraut: Hier gilt bekanntlich seit diesem Monat ab der mittelschweren Depression eine Verschreibungspflicht. Die Hersteller tun nun das, was man erwarten durfte und was bei anderen Substanzen an der Grenze zwischen Verschreibungspflicht und OTC auch schon passiert ist: Sie bringen identische Präparate auf den Markt, bei denen als Indikation nur die leichte Depression angegeben ist. Die Politik stört das nicht weiter. Warum auch, OTC-Johanniskraut entlastet ohne jeden Zweifel die Krankenkassen. Und wenn was schief geht, haben die politisch Verantwortlichen mit der Rezeptpflicht das ihre getan und können auf den Apotheker zeigen, der halt nicht richtig beraten hat. („Lieber Kunde, Sie wissen, dass Sie dieses Präparat nur einnehmen dürfen, wenn sie eine leichte Depression haben?? Wenn Sie eine mittelschwere Depression haben, brauchen Sie ein Rezept und bekommen dann einen anderen Beipackzettel zu denselben Tabletten!“)
Verbraucherschützer: OTC schleunigst billiger!
Diese beiden aktuellen Beispiele illustrieren, warum der OTC-Markt kein Markt wie jeder andere ist. Es sind viel zu viele Interessen mit im Spiel. Deswegen ist auch der neuerliche Beitrag der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zum Thema OTC nicht besonders hilfreich. (Hier die 32seitige Langversion des Berichts.) Die Verbraucherschützer haben fünf Jahre nach Aufhebung der Preisbindung für OTC-Präparate Testkäufer in 500 Offizinapotheken in NRW und in 30 Online-Apotheken geschickt. Die Käufer ließe sich Aspirin-Tabletten und Voltaren-Gel geben und verglichen die Preise. Eine ähnliche Aktion hatte es zweieinhalb Jahre zuvor schon einmal gegeben.
Die aktuellen Resultate sind nicht wesentlich anders als bei der ersten Runde: 80,8 Prozent der Offizinapotheken verlangten für die 20er-Packung Aspirin die unverbindlich empfohlenen 4,97 Euro. Wer das nicht tat, rundete meist nur ein paar Cent auf oder ab. Einige wenige waren aggressiver: In einer Apotheke wurden beispielsweise nur 2,90 Euro verlangt. Beim Voltaren-Gel war die Sache ähnlich: Die UVP in Höhe von 12,95 Euro für das 120-Gramm-Gel war auch im Ladenregal die Regel. Die 6,90 Euro, die die Tester in einer Apotheke fanden, waren ein Ausreißer. Der Verbraucherzentrale NRW passt das alles gar nicht: „Bei freiverkäuflichen Arzneimitteln zahlt sich der Wettbewerb noch nicht in Euro und Cent aus“, sagte Vorstand Klaus Müller, und weiter: „Die Apotheken sollten sich schleunigst von ihrer starren und einheitlichen Preisgestaltung verabschieden, die sich an den unverbindlichen Preisempfehlungen der Pharmaindustrie orientiert.“
Funktioniert der Markt wirklich nicht?
Das Missverständnis hinter dieser hemdsärmeligen Äußerung liegt in der schon angesprochenen Regulierung des OTC-Markts. Wer nur die Preise freigibt, aber den Markt sonst im Korsett hält, der braucht sich nicht wundern, wenn die Preise nicht purzeln. Und weil es gute Gründe für eine Regulierung des OTC-Markts gibt, die vermutlich auch morgen noch gelten, werden die Preise auf absehbare Zeit auch nicht auf breiter Front purzeln. In den NRW-Tests waren die Preise im Internet tendenziell günstiger. Und in der geographischen Nachbarschaft von Discount-Apotheken ebenfalls. Das zeigt, dass die Regulierung des OTC-Markts so weit aufgebrochen wurde, dass die Zielgruppe der Billigshopper bedient werden kann. Es zeigt aber auch, dass die Verbraucher in ihrer Mehrheit das gewohnte Apothekensystem zu schätzen wissen und deswegen auch die dort etwas höheren Preise akzeptieren. Und das wiederum sollte man auch als Verbraucherzentrale respektieren.