Na, mal wieder die Händedesinfektion vergessen? Das könnte bald der Vergangenheit angehören, wenn die Erfindung einiger US-amerikanischer Krankenhaushygieniker Schule macht. Die wollen nämlich die Händehygiene von Ärzten und Pflegepersonal per Funkchip verbessern.
Den Satz kennt jeder Medizinstudent: Die wichtigste Infektionsquelle in Krankenhaus oder Arztpraxis sind die Hände des Personals. Immer wieder zeigen Untersuchungen, dass es um die Händehygiene in vielen medizinischen Einrichtungen nicht optimal bestellt ist. Desinfektion vor jedem Patientenkontakt, das wird in der Hektik des Alltags nicht immer beherzigt.
Desinfektions-Compliance 75 Prozent. Tendenz fallend.
Das Problem war offenbar auch den Krankenhaushygienikern der University of Iowa bewusst. Doch statt fleißig Kontrollgänge zu machen oder Mitarbeiterschulungen zu organisieren, besann sich das Team um den Arzt Philip Polgreen auf die Möglichkeiten der modernen Informations- und Kommunikationstechnik. Wie das? Nun, sämtliche Desinfektionsmittelspender auf einer Teststation wurden mit Funktechnik ausgestattet. Desgleichen erhielten alle Mitarbeiter kleine „Badges“, die ebenfalls funken konnten. Wenn nun ein Arzt oder eine Schwester ein Patientenzimmer betritt, wird das vom System registriert. Ebenfalls registriert wird, ob und wenn ja wie oft der Betreffende während seines Aufenthalts im Patientenzimmer den Desinfektionsmittelspender bedient. Aufgezeichnet werden dabei unter anderem Zeitpunkt und Dauer des Spendergebrauchs, das Datum sowie eine ID-Nummer der jeweiligen Desinfektionsmittelquelle. Dass das Ganze auch kontrolliert werden kann, liegt auf der Hand. In einem hypothetischen Krankenhaus, das sein Personal einrichtungsweit auf diese Weise überwacht, hätte der Hygieneexperte demnach Zugriff auf eine Datenbank, die ihm genau sagt, welcher Mitarbeiter es mit der Händedesinfektion wie genau nimmt, bei welchem Patienten geschludert wurde und wohin die Keime, so denn welche an der Hand waren, als nächstes getragen wurden.
Die Installation geht auch ohne IT-Berater
Das aus technischer Sicht interessante an dem Projekt aus Iowa ist die Art der Funktechnik, die zum Einsatz kam. Die Amerikaner benutzten keine RFID-Technik, wie sie teilweise für die Überwachung von Babies auf Neugeborenenstationen angewandt wird, sondern ZigBee-Technik, eine Alternative dazu. „Das System braucht keinerlei Netzwerk, sondern zeichnet alle Daten dezentral in den Badges auf“, betont der zuständige Computerwissenschaftler Ted Herman. „Die Daten des Badges können dann so oft wie nötig herunter geladen werden. Es müssen keine Daten manuell eingegeben werden“, so Herman. Der entscheidende Vorteil von ZigBee gegenüber RFID-basierten Verfahren bestehe darin, dass es bei der Installation wesentlich billiger sei und im Betrieb sehr viel weniger Strom fresse. „Diese neue Technologie ist tatsächlich eine sehr praktische Methode, um die Compliance beim Händewaschen zu ermitteln. Das System kann innerhalb von Minuten auf und wieder abgebaut werden“, betont Polgreen. IT-Experten braucht es dazu nicht. Dass das System auch hinreichend zuverlässig ist, konnten die Krankenhausepidemiologen aus Iowa in einer Studie nachweisen, bei der ermittelt wurde, wie viele der Patienten- und Desinfektionsmittelkontakte korrekt protokolliert wurden. Es zeigte sich, dass 90 Prozent der Badge-Träger korrekt identifiziert werden konnten, wenn sie 30 Sekunden im Patientenzimmer verbrachten. Waren sie eine Minute oder länger im Zimmer, stieg die Quote auf 100 Prozent.
The sky is the limit…
So richtig spannend wird die neue Variante der Telemedizin „made in Iowa“, wenn man das Szenario ein wenig weiterspinnt. Denn wer etwas mehr Geld in die Hand nehmen möchte, könnte seine Desinfektionsmittelstationen natürlich auch noch mit Lautsprechern aufrüsten. Stellen Sie sich vor, Ihre Sterilium-Flasche fängt lauthals an zu protestieren, wenn Sie sie nach 30 Sekunden Aufenthalt im Patientenzimmer noch immer keines Blickes gewürdigt haben. Vorstellbar wäre auch eine kleine Wasserpistole, die nach sagen wir 60 Sekunden eine Prise Desinfektionsmittel in jene Richtung spritzt, aus der sie die Signale des Badges empfängt. Der PJ-Student der Zukunft trägt dann für seinen Chef keine Kurven mehr durch die Gegend, sondern – einen Regenschirm.