Harte Erektion ist das eine, schnelle Erschlaffung das andere. Zu den sexuellen Problemen des Mannes gehört auch die vorzeitige Ejakulation. Doch Hilfe naht: Neben der Viagra-Packung könnte demnächst eine unscheinbare Sprühdose im Apothekenregal stehen: mit Betäubungsmittel.
Das Problem scheint nicht so selten zu sein: Der vorzeitige Samenerguss des Mannes, im Branchen-Slang Ejaculatio praecox genannt, kann eine Partnerschaft unter Umständen erheblich belasten. Die Definitionen sind ziemlich vielfältig, wie unter anderem ein Blick in die Wikipedia verrät. Ein gemeinsamer Nenner ist, dass dann von einer Ejaculatio praecox gesprochen wird, wenn der Ejakulationsverlauf vom Manne als unkontrollierbar empfunden wird und bei der Partnerin entsprechen wenig Befriedigung auslöst. Es gibt auch eine quantitative Definition: EP ist wenn die Zeitdauer zwischen der Einführung des Penis in die Vagina und der Ejakulation regelmäßig unter zwei Minuten liegt. Andere zählen sogar die Beckenbewegungen bis zur Ejakulation: nicht unter sieben, lautet hier die Vorschrift der Schulmedizin.
Urologen erfinden neuartiges Genital-Deo
Wie dem auch sei, die EP existiert, und wenn sie ausgeprägt ist, will sie auch therapiert werden. Bisher lief das überwiegend mechanisch: Bei der Squeeze-Technik wird da Glied manuell zusammengedrückt, um eine Ejakulation hinaus zu zögern. Alternativ kann die Start-Stopp-Methode angewandt werden. Die ist selbsterklärend. Britischen Urologen vom Royal Victoria Hospital in Belfast war das alles nicht genug. Sie haben sich nach anderen Optionen für die betroffenen Männer umgesehen. Und sie wurden bei einer Spraydose fündig, die das Unternehmen Plethora Solutions aus London produziert. Das Produkt könnte aber auch von jedem anderen hergestellt werden. Denn was es enthält, ist wenig aufregend: In der Dose sind die seit Jahrzehnten im Einsatz befindlichen Lokalanästhetika Lidocain und Prilocain im Verhältnis drei zu eins. Die Idee ist ziemlich naheliegend: Wer Probleme mit dem Geschlechtsverkehr hat, weil sein Glied oder er selbst übererregbar ist, der sprüht im Fall der Fälle einfach ein Lokalanästhetikum auf den Penis. Weil die Ejakulation physiologisch gesehen nichts anders ist als ein sensorisch-motorischer Reflexbogen mit einem „Point of no return“, sollte sich die Sache kontrollieren lassen, wenn die sensorische Komponente dieses Reflexbogens durch eine Lokalanästhesie lahmgelegt wird. Wo kein Gefühl, da kein Effekt. Oder so ähnlich.
Sieben mal länger Sex!
Im British Journal of Urology haben die Urologen um Wallace Dinsmore jetzt von einer ersten Studie berichtet, die sie mit dem neuartigen Konzept gemacht haben. Die Sache hatte Hand und Fuß: Es handelte sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie mit 300 Männern, die an insgesamt 31 Zentren in unterschiedlichen europäischen Ländern in Behandlung waren. Sie mussten in stabilen, monogamen Verhältnissen leben und zeitlebens eine EP-Problematik gehabt haben. Die Männer konnten zudem nur dann an der Studie teilnehmen, wenn sie innerhalb einer vierwöchigen Startphase bei mindestens zwei von drei Sex-Episoden weniger als eine Minute nach Einführung des Glieds in die Vagina einen Orgasmus hatten. Das Behandlungsschema sah dann so aus, dass die Männer fünf Minuten vor dem Geschlechtsverkehr insgesamt dreimal ihr Glied besprühen mussten. Pro Sprühstoß werden dabei 7,5 mg Lidocain und 2,5 mg Prilocain appliziert. Ein Drittel der Männer erhielt ein Placebospray.
Der Effekt war relativ beachtlich. Zu Beginn „kamen“ die Studienteilnehmer im Mittel 0,6 Minuten nach Einführung des Penis in die Vagina. Dieser Zeitraum war nach Applikation der Lokalanästhetika mit 3,8 Minuten doch deutlich länger. Und der Effekt war signifikant ausgeprägter als in der Placebogruppe, wo die Zeit bis zur Ejakulation nach Sprühtherapie bei 1,1 Minuten lag. Interessant ist die deutliche Spannbreite: In der Verumgruppe brauchten die Männer 0,3 bis 57,8 (!) Minuten bis zum Orgasmus. In der Placebogruppe waren es null bis 15 Minuten. Der Vergleich mit Placebo ist bei dieser Therapie noch wichtiger als sonst. Denn man könnte zumindest auf die Idee kommen, dass allein das Sprühprozedere vor dem eigentlichen Akt – wie soll man sagen – abtörnend wirkt. Das war offensichtlich nicht in ausgeprägtem Maße der Fall. Wofür auch die Reaktionen der Studienteilnehmer sprechen: Zwei von dreien beurteilten die Therapie als gut oder exzellent. Systemische Nebenwirkungen traten keine auf. Die üblichen lokalen UAW von topischen Anästhetika gab es natürlich auch beim Spray.