„Impfung ja, Verpflichtung nein.“ Das ist das Credo der italienischen Lega-Partei. Wenn es nach Parteichef Salvini geht, sollen Eltern selbst entscheiden können, ob sie ihre Kinder impfen lassen oder nicht. Dabei herrscht in Italien aktuell noch Impfpflicht. Kommt jetzt der Kurswechsel?
Am 3. August wurde laut neuestem Bericht der italienischen Zeitung ANSA eine Verschiebung der Impfpflicht vom Senat genehmigt. Es wurde abgestimmt, dass es eine Änderung der im Vorjahr eingeführten Impfpflicht geben soll. Diese besagte bisher, dass Eltern dazu verpflichtet sind, Impfdokumente als Voraussetzung vorzuweisen, damit ihre Kinder Zugang zu öffentlichen Kindergärten, Kitas oder Schule zugelassen werden. Die Kritik innerhalb des Landes ist groß, Gesundheitspolitiker Antonio Saitta etwa spricht von „einem Schritt zurück“.
Im Vorjahr machte der ehemalige italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni noch die Verbreitung nicht wissenschaftlicher Theorien für den Rückgang an Impfungen verantwortlich. Damals hatte ein Masernausbruch die Debatte über die Impfpflicht neu belebt. Wurden im März 2016 beispielsweise 73 Fälle registriert, waren es im März letzten Jahres 899 Fälle, wie aus einem Report des ECDC hervor geht. Parallel dazu sank die Impfrate: Die Zahl der Zweijährigen, die gegen Masern geimpft waren, war etwa 2017 auf unter 80 Prozent gesunken, berichtete BBC. Monatlicher Masern- und Röteln-Report @Surveillance Report Februar 2018, European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) Die damalige Regierung führte deshalb eine Impfpflicht für folgende Krankheiten ein: Masern, Poliomyelitis (Kinderlähmung), Diphtherie, Tetanus, Hepatitis B, Haemophilus influenzae Typ B, Meningitis B, Meningitis C, Mumps, Röteln, Pertussis (Keuchhusten), Varizellen (Windpocken).
Im März 2018 berichtete ANSA über erste Erfolge. „Wir haben über 95 % der Kinder mit dem Sechs-in-Eins-Vakzin geimpft. Der Schwellenwert, ab dem eine Herdenimmunität möglich ist, wurde erreicht,“ wird Giovanni Rezza, Vorstand des italienischen Instituts für Infektionskrankheiten (ISS) in ANSA zitiert. „Wir haben auch einen Anstieg von etwa sechs Prozent bei Masern-Impfungen, wir sind also auch hier bereits nahe an der Schwelle.“ Nicht alle wollen bei dieser neuen Impfbewegung mitmachen. Zu diesem Zeitpunkt schätzte man, dass etwa 30.000 Kinder trotz neuer gesetzlicher Vorgaben weiterhin ungeimpft blieben, heißt es in der italienischen Zeitung. Grund für den aktuellen Kurswechsel in der Regierung ist die impfkritische Haltung von Innenminister Salvini, Chef der Lega-Partei. Mit Aussagen wie „Zehn verpflichtende Impfungen sind nutzlos und in vielen Fällen gefährlich, wenn nicht schädlich“ wurde er bereits im Juni in ANSA zitiert. „Ich bestätige die Zusage, dass alle Kinder die Schule besuchen dürfen. Die Priorität ist, dass sie nicht aus dem Unterricht ausgeschlossen werden,“ sagte Salvini vor zwei Monaten.
Damit stößt er bei einer gewissen Gruppe auf Begeisterung, die in Italien besonders viele Anhänger findet. Impfskeptiker sind hier gut vernetzt, auf dieses Problem machte Burioni, ein italienischer Professor der Microbiologie und Virologie bereits vor Jahren aufmerksam, wie TIME berichtete. Salvinis Partei warb deshalb im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Impfpflicht rückgängig zu machen. Dieser Plan könnte nun tatsächlich aufgehen. Die geplante Gesetzesnovelle kann allerdings frühestens im Schuljahr 2019-2020 in Kraft treten, denn die Entscheidung des italienischen Bundestags steht aufgrund von Parlamentsferien noch aus. Von Reportern wurde der Erziehungsminister Marco Bussetti letzte Woche gefragt, wie die Regierung in Zukunft jenen Kindern den Unterricht ermöglichen will, die an einem geschwächten Immunsystem leiden. Schließlich sind sie darauf angewiesen, dass jedes Kind in der Klasse geimpft ist, ansonsten könnten sie aus Sicherheitsgründen nicht am Unterricht teilnehmen. Die Antwort des Lega-Mitglieds: „Sicherlich werden sie nicht ausgeschlossen,“ zitierte die New York Times. „Impfung ja, Verpflichtung nein,“ sagte er letzte Woche, und, dass man die Entscheidung, zu impfen, den Eltern überlassen sollte.