Forscher haben einen Signalweg entschlüsselt, mit dessen Hilfe sich das Immunsystem gegen pathogene Pilze wehrt. Zentraler Bestandteil: ein Proteinkomplex, der die Ausschüttung von Interleukin-1beta regelt. Dies könnte auch bei entzündlichen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen.
Gesunde Menschen überstehen Pilzinfektionen meist ohne größere Schwierigkeiten. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können sie jedoch sehr schnell lebensbedrohlich werden. Bisher war nur wenig darüber bekannt, wie die körpereigene Bekämpfung von Pilzinfektionen im Detail abläuft. Wissenschaftlern vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München ist es nun gelungen, einen wichtigen Baustein des Abwehrsystems zu identifizieren, mit dem Immunzellen den Angriff auf pathogene Pilze einleiten. Wie die Forscher um Jürgen Ruland im Fachblatt Nature berichteten, aktiviert das Enzym Syk bei Pilzinfektionen so genannte Inflammasome – Komplexe aus mehreren Proteinen, die für die rasche Freisetzung des Signalstoffs Interleukin-1beta (IL-1beta) verantwortlich sind.
Schwierige Aufgabe für das Immunsystem
Schon kleine Mengen von IL-1beta genügen, um Fieber und Entzündungsreaktionen auszulösen und die Immunabwehr auf die schädlichen Mikroorganismen zu lenken. Zentraler Bestandteil der Inflammasome ist das Protein Caspase-1, das wie eine molekulare Schere funktioniert. Es schneidet einen Teil des inaktiven IL1-beta-Vorläuferproteins ab und wandelt es so in seine aktive Form um. Nach Ansicht von Professor Ulrich Kalinke, Direktor des Twincore-Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover, zeigen die bahnbrechenden Ergebnisse der Münchener Forscher zum ersten Mal einen Signalweg auf, wie Immunzellen nach einer Pilzinfektion aktiviert werden: „Das ist eine komplizierte Aufgabe für die Körperabwehr, da Pilze sich weniger von Zellen höherer Organismen unterscheiden als Viren oder Bakterien“, so Kalinke.
Der Funktion von Syk kamen Ruland und sein Team auf die Schliche, als sie dendritische Zellen von Mäusen in einer Petrischale mit dem Pilz Candida albicans versetzten und beobachteten, ob die Zellen den Signalstoff IL-1beta absonderten. Dendritische Zellen sind Zellen des Immunsystems, die sich mit Hilfe von Rezeptoren an körperfremde Strukturen von Pilzen und anderen Mikroorganismen heften. Für ihre Experimente verwendeten Ruland und sein Team nicht nur Zellen von normalen Mäusen sondern auch von Mäusen, bei denen sie mit Hilfe gentechnischer Methoden das Gen, das die Bauanleitung von Caspase-1 trägt, ausgeschaltet hatten. „Nur die Zellen, deren Caspase-1 noch funktionierte, produzierten Interleukin-1beta“, sagt Ruland. „Wir konnten also zeigen, dass nach einer Infektion mit dem Pilz C. albicans dendritische Zellen nur dann IL-1beta ausschütten, wenn ihre Inflammasome aktiv sind.“
Syk ist gesuchtes Bindeglied
Doch auf welche Weise die Immunzellen ihre Inflammasome anschalten, blieb zunächst noch unklar. Aus früheren Versuchen wusste Ruland, dass die Rezeptoren der dendritischen Zellen, sobald sie einen Pilz erkannt haben, das Enzym Syk anlocken und aktivieren. Als die Forscher nun Immunzellen, deren Syk nicht mehr funktionsfähig war, mit C. albicans infizierten, produzierten die Zellen in der Tat kein IL-1beta mehr. Das Enzym scheint also das gesuchte Bindeglied zwischen Rezeptor und der Inflammasomaktivierung zu sein. Syk gehört zur Klasse der Tyrosinkinasen, deren Aufgabe es ist, eine Phosphatgruppe auf ein anderes Protein zu übertragen. Rulands Arbeitsgruppe untersucht zurzeit, welche Moleküle von Syk modifiziert werden, um die Aktivierung der inflammatorischen Reaktion auszulösen.
Ein weiterer essenzieller Bestandteil des Inflammasoms ist das Protein Nlrp3. Dendritische Zellen mit inaktiven Nlrp3 produzieren nach einer Infektion mit C. albicans ebenfalls kein IL-1beta. Als Ruland und sein Team in einem weiteren Experiment sowohl normale Mäuse als auch solche mit einem inaktiven Nlrp3-Gen dem Pilz aussetzten, machten sie eine überraschende Beobachtung. Vier Tage nach der Infektion fanden die Forscher fanden in Leber, Lunge und Niere der Nlrp3-defizienten Tiere eine 100 bis 1000-fach höhere Anzahl von C. albicans-Erregern als in den normalen Mäusen, was Ruland als eindeutigen Beweis dafür wertet, dass Inflammasome auch in vivo die Pilzabwehr vermitteln.
Ergebnisse auf Mensch übertragbar
Der Münchener Forscher ist überzeugt davon, dass sich die Ergebnisse seiner Arbeit fast eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen, da alle Bausteine des pilzspezifischen Abwehrmechanismus der Maus auch im Menschen vorkommen. Möglicherweise, so Ruland, werden die neuen Erkenntnisse eines Tages auch auf dem Gebiet der entzündlichen Krankheiten Bedeutung haben, bei denen das Inflammasom überaktiviert sei. Sollte Syk auch hier zur Inflammasomaktivierung beitragen, ließe sich mit Wirkstoffen die Funktion von Syk abschwächen oder gar gänzlich unterdrücken.
In den USA wurde im vergangenen Jahr bereits eine erste randomisierte Studie abgeschlossen, in deren Verlauf die Wirksamkeit eines Syk-Hemmstoffs bei Patienten mit rheumatoider Arthritis getestet wurde. Mit viel versprechendem Ergebnis: Im Vergleich zur Placebo-Gruppe zeigten etwas mehr als die Hälfte der Patienten, die mit dem Syk-Inhibitor behandelt wurden, nach zwölf Wochen eine 50-prozentige Reduktion ihrer Krankheitsymptome.
Diagnose von Patienten mit geschwächter Pilzabwehr möglich
Aber auch Patienten mit einer geschwächten Pilzabwehr könnten vielleicht in Zukunft von Rulands Arbeit profitieren: „Die Zahl der Pilzinfektionen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen“, berichtet Tim Sparwasser, Professor für Infektionsimmunologie am Hannoveraner Twincore Zentrum. Eine Ursache sei, dass große Operationen, wie zum Beispiel komplizierte Eingriffe im Magen-Darm-Trakt, viel häufiger vorgenommen werden als früher. Dann bestehe die Gefahr, dass Pilze wie C. albicans, die normaler Bestandteil der Darmflora sind, die Barriere der Darmschleimhaut durchdringen und sich im Körper ausbreiten. „Patienten, bei denen eine Mutation in einer der Komponenten des neu entdeckten Signalwegs vorliegt, haben nach einer solchen Operation wahrscheinlich ein höheres Risiko an einer lebensbedrohlichen Pilzsepsis zu erkranken“, so Sparwasser. „Wenn wir diese Mutationen diagnostizieren könnten, ließen sich die betroffenen Patienten frühzeitig mit Antimykotika behandeln.