Die Pille für den Mann beschäftigt nunmehr seit Jahrzehnten Forscher und bei jeder vermeintlichen Erfolgsmeldung die einschlägige Frauenpresse. Ob Traum für Frau oder Alptraum für Mann, die Serie von der Antibaby-Pille erhält mit zwei Meldungen aus den USA frischen Wind.
Die erste Meldung kam von Forschern aus USA und dem Iran. Sie entdeckten eine Gen-Mutation, die der Auslöser für männliche Unfruchtbarkeit sein könnte. Dabei geht es um das Gen Catsper1, das in Spermien für die Bewegung während der Fertilisation sorgt. Wenn das Gen defekt ist oder fehlt, kann eine Eizelle nicht befruchtet werden. Das konnte bereits in Studien mit Mäusen nachgewiesen werden. Unbekannt war oder ist bisher, wer der Übeltäter ist. Ein Team um Dr. Michael Hildebrand, PhD, Otolaryngologe an der University of Iowa, machte sich auf Spurensuche. In einer Studie mit iranischen Familien sammelten sie Gen-Informationen zu einer Vielzahl vererbbarer Krankheiten wie Taubheit, Niereninsuffienz aber auch Infertilität. Unter den Probanden befanden sich zufälligerweise auch zwei Familien, in denen es sowohl fruchtbare als auch, genetisch bedingt, unfruchtbare Männer gab. Durch Vergleich ihrer DNAs ließen sich zwei Mutationen, die wahrscheinlich zur Beschädigung bzw. zum Fehlen des Catsper1-Proteins führten, identifizieren. Keine dieser Mutationen wurde in einer Kontroll-Gruppe von 576 Iranern gefunden. Das Ergebnis der Studie wurde im letzten American Journal of Human Genetics veröffentlicht.
Weiter Weg bis zur Pille für den Mann
Wenn weitere Studien, so der Co-Leader Hildebrand, die bisherigen Ergebnisse bestätigen, könnte man mit einem Medikament, das an das Catsper1-Protein bindet, die Befruchtung einer Eizelle unterbinden. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg. Tierversuche, in denen erst einmal die Funktionsfähigkeit der Pille nachgewiesen werden müsste, gibt es bisher noch nicht. "Klar ist, dass diese Tests mehrere Jahre dauern werden," bestätigt Hildebrand. Aber er geht davon aus, dass es möglich ist, ein sicheres und Nebeneffekt freies Medikament zu entwickeln, vor allem, weil das Protein nur in Sperma-Zellen vorkommt. Auch bei der Reversibilität sieht er kein Problem. Bei der Behebung der männlichen Zeugungsunfähigkeit ist eine andere Vorgehensweise erforderlich. "Hierbei gehen wir von einer Art "Gentherapie" aus", so der Forscher. Das defekte Gen wird dabei durch ein normales Catsper1-Protein ersetzt. Das Verfahren wurde bereits in Tierversuchen erprobt. Es ist aber noch nicht so sicher, um es auf Menschen zu übertragen.
Spermien-Reifungsprozess auf molekularer Ebene analysiert
Die zweite Pillen-Meldung kam kurze Zeit später von Forschern am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy. Sie sind ebenfalls dabei, nach einem neuen Ansatz für die männliche Kontrazeption zu suchen. Grundlage ist die Tatsache, dass Spermien auf ihrem Weg von der Scheide bis zur Eizelle einen Reifungsprozess absolvieren, an dessen Ende sie erst zeugungsfähig sind. Gelingt es, diesen Vorgang, das heißt die Kapazitation, außer Kraft zu setzen, hätte man die Lösung für die Empfängnisverhütung beim Mann gefunden, so Mark Platt PhD, Chemiker und Spezialist auf dem Gebiet der Massenspektrometrie. Mit Hilfe des Isotopic Labeling, der Tandem-Massenspektrometrie und der Chromatographie untersuchten Platt & C anhand von Mäuse-Spermien, welche biochemischen Prozesse bei der Reifung ablaufen und welche Proteine tangiert sind. Dabei stellten sie fest, dass die Reaktion von Phosphatmolekülen in den Spermien eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Die Wissenschaftler konnten mit ihrer Technologie nicht nur die Phosphatmoleküle identifizieren sondern auch ihr Ausmaß an Phosphorylierung von Aminosäuren, betont Platt. Die Phosphorylierung stellt die wichtigste Regulation von biologischen Prozessen in einer Zelle dar.
On- und Off-Schalter für Kapazitations-Prozess
"Wichtig ist, dass wir mit unserer Methode spezielle Orte der Phosphorylierung in Sperma-Proteinen identifizieren können, die wie Schalter funktionieren und den Kapazitations-Prozess ein- und ausschalten", erklärt Platt gegenüber DocCheck. "Mit diesen Informationen sind wir in der Lage, molekulare Medizin zu betreiben." Das heißt, dass man nicht ein ganzes Protein inaktivieren sondern lediglich Teilprozesse der Phosphorylierung kontrollieren will mit dem Vorteil, unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden. Platt ist davon überzeugt, dass die erste Umsetzung seiner Forschungsergebnisse in der Kontrazeption genutzt wird. Momentan sind die Forscher dabei, ihre Analysen mit einer noch gezielteren Methode, der Electron Transfer Dissociation (ETD), zu wiederholen. Ihr Ziel ist, Hunderte wenn nicht Tausende Phosphorylierungs-Sites während des Reifungsprozess der Spermien zu orten. Die derzeitigen Ergebnisse wurden im kürzlich erschienenen Journal of Proteome Research veröffentlicht.