Nach einer Sendung im ZDF steht der klinische Pharmakologe Professor Jürgen Frölich, ehemals Medizinische Hochschule Hannover, im Kreuzfeuer der Apothekerkritik. Im Gespräch mit DocCheck bedauert er die Emotionalität der Debatte, steht aber zu seinen Thesen.
Herr Frölich, Sie sind durch eine ZDF-Sendung, in der Sie als Testkäufer in Apotheken agierten, wider Willen zu einer prominenten Reizfigur in der deutschen Apothekenlandschaft aufgestiegen. Können Sie die Reaktionen der Apotheker verstehen?
Jürgen Frölich: Ich kann die Reaktionen insofern verstehen, als die Ergebnisse der Testkäufe ja nicht gerade berauschend waren. Ich möchte klar sagen: Es war nicht meine Absicht, für irgendjemanden zur Reizfigur zu werden. Wenn das so ist, dann tut mir das leid.
Wie kam es zu der Sendung?
Jürgen Frölich: Ein Journalist des ZDF hatte mich angesprochen. Ich wollte ursprünglich nicht, habe mich dann aber überreden lassen. Wenn man so etwas im Fernsehen macht, ist das natürlich provokativ. Andererseits: Es geht mir um das Thema Arzneimittelsicherheit, um nichts sonst. Dass es in der pharmazeutischen Beratung Defizite gibt, wissen wir nicht erst seit dieser Sendung. Um das deutlich zu sagen: Ich will niemandem vors Schienbein treten. Ich habe konstruktive Vorschläge gemacht, wie die Situation zu verbessern ist.
Darauf kommen wir noch. Die ABDA wirft Ihnen vor, Falschinformationen gestreut zu haben, und die Apothekenpresse trommelt eifrig in derselben Richtung. So sei die von Ihnen im Rahmen Ihrer Testkäufe abgefragte Interaktion zwischen dem H2-Blocker Ranitidin und dem Betablocker Metoprolol gar nicht existent. Können Sie das kommentieren?
Jürgen Frölich: Wenn die ABDA der Auffassung ist, dass etwas, das nicht in der Fachinformation steht, nicht existent ist, dann gibt es diese Interaktion wohl wirklich nicht… Im Ernst: Die Interaktion zwischen Ranitidin und Metoprolol steht zwar nicht in der Fachinformation, ist aber wissenschaftlich einwandfrei belegt. Wir reden hier auch nicht über Kleinkram: Die ‚area under the curve‘ von Metoprolol wird bei gleichzeitiger Einnahme von Ranitidin verdoppelt. Das ist dann so als wenn Sie statt 100mg Metoprolol plötzlich 200mg nehmen. Bei kardial vorgeschädigten Patienten, beispielsweise mit einer Reizleitungsstörung, kann eine solche Dosissteigerung schwerste Herzrhythmusstörungen verursachen. Das Problem war ja, dass ich den entsprechenden Apotheker gebeten hatte, doch mal in seiner Datenbank nachzusehen. Da war diese Interaktion nicht drin. Und hier muss ich als Wissenschaftler schon sagen: Wenn ich eine solche Datenbank zur Verfügung stelle, dann reicht es nicht, Fachinformationen zu digitalisieren, die teilweise Jahre alt sind. Da muss ich mir schon etwas mehr Mühe geben. Wie gesagt, wir reden hier nicht über eine irrelevante Interaktion. Da haben wir schon drauf geachtet… Was die ABDA im Moment macht, finde ich unverantwortlich.
Sie haben das Thema Software angesprochen. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie als Teilhaber an dem Unternehmen Atheso (TheraOpt®) ein finanzielles Interesse an dem Thema Arzneimittelsicherheit haben und deswegen so forsch auftreten?
Jürgen Frölich: Das ist längst nicht mehr aktuell. Ich habe meine Anteile an dem Unternehmen schon vor etwa einem Jahr ohne Gewinn verkauft. Es geht mir wirklich nicht ums Geld, sondern um die Thematik an sich. Was ich aber schon sagen möchte ist, dass nicht zuletzt durch die Softwarehersteller Bewegung in das ganze Thema gekommen ist. Die medizinischen Einrichtungen sind interessierter als früher. Es gibt einige sehr gute Produkte. Und auch Branchengrößen wie ifap haben ihre Module mittlerweile stark verbessert. Ich halte das für eine sehr positive Entwicklung.
Ein zweiter Kritikpunkt an der Sendung betraf das frei verkäufliche Migränemittel Naratriptan. Die ABDA behauptet, das gebe es gar nicht in Drogerien…
Jürgen Frölich: Fakt ist, dass die Drogerie Schlecker Partner der Versandapotheke Vitalsana ist und dass man das Medikament in Schlecker-Filialen bestellen und dort kaufen kann. Viel interessanter ist, dass die ABDA auf den Kern der Sache gar nicht eingeht: Was ich eigentlich kritisiere ist, dass die Beratung in den meisten getesteten Apotheken schlicht nicht vorhanden war. Naratriptan ist kein Placebo. Bei diesem Präparat gibt es klare Kontraindikationen, und da muss ich als Apotheker schon mal nachfragen, bevor ich das rausgebe. Bei frei verkäuflichen Medikamenten muss der Apotheker seinen Kopf hinhalten. Da kann sich nun wirklich niemand rausreden.
Wie könnte die Situation Ihrer Auffassung nach verbessert werden?
Jürgen Frölich: Wie gesagt, ich will niemandem zu nahe treten. Wir brauchen die Apotheker dringend, darum geht es nicht. Ein Ansatzpunkt ist meines Erachtens die Ausbildung. Ich betreue noch immer viele Pharmazeuten bei Dissertationen und mache dabei die Erfahrung, dass das konkrete klinisch-pharmakologische Knowhow am Ende der Ausbildung oft fehlt.
Wo soll es herkommen?
Jürgen Frölich: Das ist etwas, das man am besten am Patientenbett lernt. Deswegen sollten angehende Pharmazeuten sehr viel systematischer bei ärztlichen Visiten dabei sein. Wir machen das in Hannover mit unseren pharmazeutischen Doktoranden, und es ist erstaunlich, wie fit die in der klinisch-pharmazeutischen Beratung schon nach kurzer Zeit sind. Das heißt: Die Grundlage ist absolut vorhanden, es fehlt nur etwas die Praxis am Patienten. Ein Fehler ist meines Erachtens auch, dass das Fach Klinische Pharmazie an den Universitäten nicht von Klinischen Pharmakologen, sondern von Pharmazeuten gelehrt wird. Den zweiten Ansatzpunkt hatten wir schon angesprochen: Software kann sehr hilfreich sein, aber nur, wenn sie erstens auch genutzt wird und zweitens aktuell ist. Fachinformationen digitalisieren reicht nicht.
Würden Sie nochmal als Testkäufer zur Verfügung stehen?
Jürgen Frölich: Ich fürchte, dazu bin ich langsam zu wiedererkennbar…