Er gilt als weltweit berühmter Kardiologe, die US-Ausgabe von National Geographic widmete ihm schon eine ganze Story. Jetzt stand Prof. Helmut Drexler, Direktor der Abteilung Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), DocCheck exklusiv zur Verfügung.
Neue Strategien in der Kardiologie könnten deutliche Therapieerfolge nach sich ziehen, erklärt Prof. Dr. Helmut Drexler von der Medizinischen Hochschule Hannover, der als Kongresspräsident die 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim leitete. Im Gespräch mit DocCheck verweist Drexler auf die Potenziale von induzierten pluripotenten Stammzellen – und warnt gleichzeitig vor zu viel Euphorie.
Mit Stammzellen aus dem Knochenmark von Herzinfarkt-Patienten das zerstörte Herzmuskelgewebe zu ersetzen, schien lange Zeit ein vielversprechender Ansatz zu sein. Auf der jüngsten DGK-Jahrestagung in Mannheim haben Sie eine eher ernüchternde Bilanz gezogen. Wo stehen wir heute?
Die Infarktbehandlung mit Knochenmarkvorläuferzellen ist immer noch ein vielversprechender Ansatz, gerade für Patienten nach einem Herzinfarkt, nur: dieser Zelltyp vermag das geschädigte Herzgewebe nicht komplett zu regenerieren. Dennoch sind die Erfolge beachtlich. Wir beobachten eine Verbesserung der Durchblutung, auch sind die Zellen in der Lage, die Verschlechterung des Ventrikels im Verlauf etwas aufzuhalten.
Bei einem Patienten mit Herzinfarkt sind jedoch die Knochenmarkszellen in ihrer Funktion beeinträchtigt...
...und es gibt neue Ansätze, um genau diese Knochenmarkszellen durch Vorbehandlung im Labor funktionell zu verbessern. Damit dürfte man klinische relevante Ergebnisse für den Patienten erzielen.
Das klingt sehr theoretisch. Behandeln Sie in klinischen Alltag Patienten auf diese Weise?
Die neuen Ansätze, die Zellen im Labor vor Verabreichung an Patienten zu optimieren, laufen zur Zeit in Testung, aber noch nicht in klinischer Studie. Wir haben aber Patienten behandelt, deren Entwicklung wir jetzt seit anderthalb bis fünf Jahren beobachten, und das Ergebnis ist deutlich. Offensichtlich profitieren in erster Linie jene Patienten von der Therapie, bei denen die Herzinfarkt-bedingten Schäden vor der Therapie hoch waren.
Und bei kleineren Schäden?
Da braucht man diese Knochenmarkszellen nicht, der Patient erholt sich auch so. Wir führen dazu eine große randomisierte Studie mit vielen Kliniken in Deutschland durch – aber eben nur noch bei Patienten, die einen großen Herzinfarkt haben. Auf diese Gruppe sollten wir uns beschränken.
Die Herstellung pluripotenter Zellen gilt als neue Alternative für die Züchtung von Herzmuskelzellen. Wie bewerten Sie dieses Verfahren?
Sie sprechen jene Entwicklung an, die zunächst in Japan entstand, und bei der man beispielsweise aus einer ganz banalen Hautzelle durch entsprechende genetische Manipulationen eine sogenannte induzierbare pluripotente Stammzelle entwickelt. Diese ist anschließend in der Lage, sich beispielsweise in eine Herzmuskelzelle umzuwandeln.
Und das begeistert jemanden, der als Kardiologe tätig ist?
Das Konzept ist absolut überzeugend, es ist nahezu eine Sensation. Bis zur klinischen Anwendung werden allerdings noch viele Jahre vergehen.
Warum das?
Weil die Manipulation mit viralen Bestandteilen durchgeführt wird. Man simuliert demnach eine virale Infektion, um dadurch jene Faktoren in die Zelle zu bringen, die für ihre Umwandlung nötig sind. Das Ziel der nächsten Jahre muss es sein, diese Zellen im Labor so herzustellen, dass sie für den Menschen keine Gefahr darstellen.
Wie sieht es mit der ethischen Akzeptanz des Verfahrens aus?
Die induzierbaren pluripotenten Stammzellen sind adulte Stammzellen des Patienten, wenn auch genetisch sehr stark manipuliert. Man wird daher sehr genau hinschauen, ob diese Manipulationen nicht doch Risiken bergen, die im Moment vielleicht noch nicht komplett absehbar sind. Der enorme Vorteil allerdings liegt auf der Hand: Es handelt sich nicht um embryonale Stammzellen, deren Einsatz hierzulande ethisch umstritten ist.
Themenwechsel. Der an der MHH durchgeführte minimal-invasive Aortenklappenersatz ohne Öffnung des Brustkorbs sorgte bundesweit für Aufsehen, in einer ersten Stellungnahme erklärten Sie die Methode als Option für Risikopatienten. Was gilt es hierbei zu beachten?
Eine Herzklappe durch einen Stent zu ersetzen, in dem sich eine Klappe befindet und den man zuvor über einen Katheter in Position brachte, bleibt als Eingriff Hochrisikopatienten vorbehalten. Perkutaner Klappenersatz in der Aortenklappe ist ausschließlich für diese Patientengruppe bestimmt, weil die Öffnung des Brustkorbs für diese Patienten ein sehr, sehr hohes Risiko darstellt. Gerade bei älteren Patienten ist es demnach ratsam darüber nachzudenken, ob man mit dem Katheter die Aortenklappe ersetzt. Wir machen das bei uns an der MHH mit großem Erfolg – entscheidend aber ist die richtige Patientenauswahl.
Die Frage beschäftigt unsere Leser als Ärzte zuhauf: Stents oder eine Bypass-Operation für die Patienten, welche Methode kommt aus kardiologischer Sicht eigentlich am ehesten in Betracht?
Es kommt auf den individuellen Befund an. Wir reden hier nur über die Mehrgefäßerkrankungen, das heißt: alle drei Herzkranzgefäße haben enge Stellen oder gar der Hauptstamm ist davon betroffen. Diese Patienten wurden bislang primär einer Bypass-Operation zugeführt. Nun aber gibt es Ergebnisse die zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen das Setzen mehrerer Stents durchaus sinnvoll sein kann. Man wird die Stentimplantation erwägen, wenn die Technik es erlaubt mit wenigen Stents auszukommen und wenn die Komplexität der Stenosen begrenzt ist. Wenn ich an drei Gefäßen mit jeweils einem Stent das Problem lösen kann, dann ist die Bypass-Operation zwar immer noch genauso gut, aber weniger attraktiv.
Wenn Sie aber 15 bis 20 Stents bräuchten...
...und 15 bis 20 Zentimeter Metall einbauen müssen, dann haben wir in der Regel höhere Risiken und später mehr Verschlüsse. Die Bypass-Operation wäre also vorzuziehen. Das gilt natürlich vom Prinzip her auch bei Hauptstammstenosen.
Die Untersuchungen durch Steuerung von Kathetern mit Magnetfeld anstatt Röntgenstrahlen gilt als High-Tech Errungenschaft, die Klinik für Kardiologie und Angiologie verfügt jetzt über diese Möglichkeit und hat sich somit auch in diesem Bereich an die Weltspitze katapultiert. Was macht die Vorteile der Anlage aus?
Das Tolle an dem Verfahren ist, dass Patient und Untersucher so gut wie keine Strahlen abbekommen, weil man die Röntgenanlage nur benötigt, um den Katheter bis zum Herzen zu bringen. Die genaue Positionierung übernimmt anschließend das Magnetfeld. Die Strahlenbelastung liegt im Vergleich zu einer konventionellen Anlage bei einen Zehntel oder weniger. Genau das erweist sich als großer Vorteil bei elektrophysiologischen Untersuchungen oder bei Katheteruntersuchungen.
Kann die Anlage noch mehr?
Wenn Sie als Arzt den Katheter für einen bestimmte Zeit an eine bestimmte Position halten möchten, ist das mit manuellem Geschick bei einem schlagenden Herzen nicht so einfach. Wenn Sie jedoch im Magnetfeld einem bestimmten Punkt des Herzens dem Katheter zuordnen wird die Anlage diese Position aufrecht erhalten.
Zum Schluss eine Frage, die Ärzte und Patienten gleichermaßen interessieren dürfte: Gibt es Hinweise auf zunehmende Herzerkrankungen infolge der aktuellen Wirtschaftskrise?
Zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nicht, aber die Wirtschaftskrise ist in Deutschland noch nicht richtig angekommen. Wenn wir jedoch mehr Arbeitslose und mehr Menschen in wirtschaftliche Not haben, und das wird vermutlich in einem halben Jahr der Fall sein, werden wahrscheinlich diese Dinge auf uns Kardiologen zukommen.