In diesen Tagen schießt die NASA einen blinden Passagier ins Weltall, dessen einzige Aufgabe darin besteht, das Wissen der Pharmazeuten über antimikrobielle Substanzen zu erweitern. Der Aufwand ist erheblich: Nach 96 Stunden ist alles vorbei.
Es ist etwas größer als ein Laib Brot, und es erinnert an wenig an eine exotische Blütenknospe. Doch in seinem Innern hat das fünf Kilogramm schwere Gefährt, das die US-Raumfahrtbehörde NASA im Laufe dieser Woche ins Weltall schießen wird, weder Teig noch Blütenknospe. PharmaSat ist vielmehr – zumindest nach Angaben der Amerikaner – der erste rein pharmazeutische Satellit im Weltall. Er wird ein paar Tage lang mit Arzneimittelspezialisten auf Erden in regem Funkkontakt stehen, um deren Wissen um die Wirkung von Medikamenten unter extremen Umweltbedingungen zu erweitern.
Candidose im Weltall: Was tun?
PharmaSat nanosatellite, so der vollständige Name, ist ein Miniaturlabor, das vollgepackt ist mit Sensoren und optischen Systemen. Deren Lebensinhalt im Weltall wird es sein, das genaue Wachstumsverhalten und die physische Gesundheit von Hefezellen zu analysieren. Gemessen werden außerdem Luftdruck, Temperatur und Beschleunigung, während Hefen und Satellit mit angepeilt 30000 Kilometern pro Stunde um die Erde düsen.
Das primäre Ziel der Mission PharmaSat ist es, zu untersuchen, wie die Hefezellen unter den Bedingungen des Weltalls auf eine Fungizid-Therapie reagieren. Nicht ganz unwesentlich, wenn demnächst Astronauten jahrelang im Sonnensystem umher gondeln müssen und sich dabei eine Pilzinfektion einfangen. Denn was nutzen die schönsten Päckchen mit Fluconazol, Amphotericin B oder Caspofungin in der Bordapotheke, wenn die Pilze in der Schwerelosigkeit drauf pfeifen… Das Experiment, dem PharmaSat seine Existenz verdankt, wird 96 Stunden dauern. Nun mag man einwenden, dass ein 96-Stunden-Experiment doch recht überschaubar ist für den ganzen Aufwand, der mit einem Satellitenstart verbunden ist. Die NASA macht den Hype allerdings nicht ausschließlich der Pharmazie wegen.
Konkurrenzveranstaltung zur ISS
PharmaSat ist vielmehr eine so genannte „secondary payload“, im Deutschen frei mit „blinder Passagier“ übersetzbar. Der Nanosatellit sitzt im Gepäckraum der vierstufigen US Air Force Minotaur 1-Rakete und zwängt sich da zwanglos zwischen Satelliten, die für militärische Zwecke in den Orbit befördert werden. „Secondary payload-Nanosatelliten erweitern die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Forschung im Weltraum enorm“, sagt PharmaSat Projektmanager Elwood Agasid vom Ame’s Research Center der NASA in Kalifornien. „Sie sind eine Alternative zu Experimenten auf der Internationalen Raumstation oder im Rahmen von Space Shuttle-Flügen.“
Im Detail soll die Sache so ablaufen: Einige Stunden nach dem Start, wenn der Satellit im Orbit trudelt, nehmen NASA-Techniker Kontakt mit ihm auf und geben den Startschuss für das Experiment, bei dem die Hefen mit Fungiziden überschüttet werden. Ab diesem Zeitpunkt wird PharmaSat dann Daten zur Hefengesundheit in nahezu Echtzeit zur Erde funken. Die NASA-Pharmazeuten sowie weitere Wissenschaftler an der Santa Clara Universität, ebenfalls Kalifornien, und der University of Texas schauen dann nach, ob das passiert, was auf der Erde in einem solchen Falle auch passiert. Oder eben nicht. „PharmaSat ist ein sehr wichtiges Experiment, das neue Informationen zur Empfindlichkeit von Mikroben gegenüber antimikrobiellen Substanzen im Weltall liefern wird“, ist sich David Niesel, Mikrobiologe an der University of Texas, sicher. „Das Experiment dient außerdem dazu, überhaupt erst einmal zu demonstrieren, dass biologische Experimente in autonomen Nanosatelliten durchgeführt werden können.“ Die ganze Technik mit den Nanosatelliten ist nämlich noch relativ neu. Die ersten Winzlinge mit anderen Inhalten gingen im vergangen Jahr nach oben.
So oder so. Die Hefe wird tot.
Nach dem Experiment, so die Hoffnung, ist die NASA bei der Zusammenstellung der Bordapotheke künftiger Marsmissionen einen Schritt weiter. Und dem kleinen PharmaSat, den die Rakete anfangs 513 Kilometer oberhalb der Erdoberfläche in den Orbit entlässt, wird es irgendwann in ein paar Jahren ziemlich warm werden. Er wird den einen oder anderen Hobbyastronomen auf Erden einige Sekunden lang mit seinem Lichtschweif erfreuen. Und dann ist er weg. Die Hefen natürlich auch, sofern sie nicht schon vorher durch das Fungizid plattgemacht wurden.