Die Chancen einer Hamburger Wissenschaftlerin wären bei einer Infektion gering gewesen, als sie sich in einem Ebola-Virenlabor verletzte. Der Vorfall wurde zum Härtetest für ein Vakzin, das Menschen in Afrika, Forscher und Soldaten vor dem tödlichen Erreger schützen soll.
Happy-End am 2. April. An diesem Donnerstag durfte die Mitarbeiterin des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg symptomfrei nach Hause. Drei Wochen zuvor war ihr das passiert, wovor auch ein Hochsicherheitslabor nicht vollkommen schützt. Durch drei Lagen Handschuhe hindurch hatte sie sich mit einer Nadel gestochen, die sie bei der Herstellung von Antikörpern gegen das Ebola-Virus brauchte und die möglicherweise mit Viren infiziert war. Ebola im Blut hätte ihr lediglich eine Chance von 10 bis 40 Prozent gegeben, die nächsten 20 Tage zu überleben. Unfreiwillig, aber mit ihrer Zustimmung wurde sie zum ersten Probanden eines Heilversuchs für einen Impfstoff, der bisher nur an Affen und Nagern getestet worden war.
Tiererprobter Impfstoff aus Kanada
Vom kanadischen Winnipeg kam der Impfstoff innerhalb von zwei Tagen nach Hamburg. Zuvor hatten die Forschergruppen um Heinz Feldmann von der University of Manitoba und Thomas Geisbert von der Boston University eine zumindest 50-prozentige Überlebensquote an Rhesusaffen beobachtet, wenn sie ihnen das Vakzin kurz nach der Infektion gaben. Ohne diesen Schutz überlebte kein Äffchen das hämorrhagische Ebola-Fieber. Bereits im Jahr 2005 hatten die beiden Gruppen in Nature Medicine beschrieben, dass ein Konstrukt mit dem ungefährlichem Vesicular-Stomatitis-Virus (VSV) effektiv einer tödlichen Infektion vorbeugt. Das immunogene VSV-Glykoprotein ersetzten die Virologen dabei durch jenes des Ebola- oder Marburg-Virus. Auch schon davor hatten Forscher mit Lebend-Impfstoffen experimentiert. Mit Adenoviren mit Replikationsdefekt gelang es zwar ebenfalls, Versuchstiere vor Ebola zu schützen. Beim Menschen finden sich aufgrund früherer Infektionen aber häufig Antikörper gegen diesen Virustyp und senken damit die Wirksamkeit dieser Immunisierung. VSV-Infektionen sind dagegen nicht nur ungefährlich, sondern auch selten.
Wie das Impfvirus die menschliche Abwehr auf Trab bringt, ist immer noch nicht ganz klar. Stephan Becker, der in Marburg das Hochsicherheitslabor leitet, glaubt, dass das virale Glykoprotein dabei vor allem Zytokine und Dendritische Zellen aktiviert, die bei der Abwehr eine ausschlaggebende Rolle übernehmen. Neutralisierende Antikörper spielen beim Schutz gegen die explosionsartige Vermehrung der Erreger dagegen wohl keine entscheidende Rolle. Auch ein humanisierter anti-Ebola-Antikörper versagte im Test. Er verleiht zwar Meerschweinchen Immunität, nicht aber Makakenaffen.
Ebolaviren mit Replikationsstop aber Sicherheitsrisiko
Filoviren, dazu gehören Ebolaviren und das ebenso gefährliche Marburg-Virus, sind in Afrika zu Hause. Nur dort kommt es regelmäßig zu größeren Ausbrüchen. Daher ist ein wirksamer Impfstoff hier nur schwer zu vermarkten. In Amerika unterstützt das Militär die Entwicklung eines Gegengifts vor oder nach dem Kontakt mit den gefährlichen Mikroorganismen. William Pratt vom Militärforschungsinstitut für Infektionskrankheiten in Frederick erzielte in Affenversuchen einen vollständigen präventiven Schutz sogar bei 1000-facher tödlicher Virendosis. In seinem Adenovirus-System haben bis zu sechs Filoviren-Gene Platz. Das bedeutet einen Schutz gegen mehrere Ebolatypen und dem Marburg-Virus mit einer Impfung. Vor einigen Wochen machten Peter Halfmann und Yoshihiro Kawaoka von der University of Wisconsin in Madison mit einem Artikel im Journal of Virology auf sich aufmerksam. Sie nahmen dem Ebola-Virus eines seiner sieben Gene. Ohne VP30 kann sich das Virus nicht mehr vermehren, taugt aber dennoch zum Schutz von Mäusen und Meerschweinchen. "Es ist ein tolles System, denn es ist sicher" zitiert Nature News Elke Mühlberger von der Universität Marburg. "Wenn das Protein fehlt, ist das Virus tot." Allerdings weist sie auch auf die Gefahren eines solchen Systems hin. Mit der DNA-Version dieses RNA-Virus lässt sich sich Laborversion schnell wieder in das ungezähmte Biest des Wildtyps zurückverwandeln. Sehr verlockend für den Bioterrorismus und sehr gefährlich für unerfahrene Laborarbeiter.
Fledermäuse als Ebola-Heimstatt?
Ebola hat wie sein Verwandter, das Marburg-Virus, eine junge Geschichte. Am gleichnamigen Fluss im Kongo registrierten Forscher erstmals einen großen Ausbruch mit rund 300 Todesopfern. Seitdem kam es in Afrika immer wieder zu Ausbrüchen mit hoher Mortalität. Unter den fünf Arten gibt es nur eine, die sich außerhalb Afrika ausbreiten konnte. Das Ebola-Reston Virus ist als einziges Familienmitglied für den Menschen anscheinend ungefährlich. Im Dezember 2008 entdeckten es Mikrobiologen in Schweinen auf den Philippinen und kurz darauf auch in Menschen, die mit den infizierten Tieren Kontakt hatten. Wie bei den anderen Ebola-Arten ist aber das Reservoir, von dem aus Affen und Menschen befallen werden, unbekannt. Denn die Mortalität ist bei beiden zu hoch, um dem Virus als sicherer Aufenthaltsort zu dienen. Hinweis könnten Infektionen mit dem Ebola und dem Marburg-Virus liefern, die sich Besucher von Höhlen mit großen Fledermaus-Kolonien zugezogen haben. In den Insekten- und Fruchtfressern fanden sich Antikörper und Virus-DNA, lebensfähige Viren konnten Forscher bisher jedoch nicht isolieren.
Seit 1994 hat die Zahl der Ebola- und Marburg-Ausbrüche um das Vierfache zugenommen. Wann das Virus wieder auf Menschenjagd geht, lässt sich kaum vorhersagen. Möglicherweise dient dann ein Bioterrorismus-Labor als Basislager. Ob der Virus im Bernhard-Nocht-Institut überhaupt zugeschlagen hat, weiß man auch noch nicht so genau. Die Immunisierung diente als Sicherheitsreserve. "Ob der Einsatz des Impfstoffs eine Rolle gespielt hat, werden wir möglicherweise erst in ein paar Wochen wissen", sagte der behandelnde Arzt Stefan Schmiedel. Der ungeplante Impf-Test im Hamburger Eppendorf-Klinikum war aber ein weiterer Schritt, um nicht nur Mitarbeiter in Hochsicherheitslaboren, sondern vielleicht auch einmal Menschen im Kongo oder Uganda vor der Seuche zu schützen.