Die Häufigkeit von Narkolepsie bzw. Kataplexie mit unkontrollierbaren Schlafattacken oder plötzlichem Tonusverlust der Muskulatur wird mit bis zu 1:2000 beziffert. Damit wären die Erkrankungszahlen nicht so weit von der Multiplen Sklerose entfernt. Forscher der Stanford Universität entdeckten jetzt, dass das krankhafte Schlafbedürfnis eine Autoimmunkrankheit ist.
Bei einer beruflichen Besprechung, beim Treffen mit Freunden oder beim Fahren eines Autos einfach einzuschlafen oder plötzlich einzusacken ist für die meisten Gesunden eine Horrorvision. Für Patienten mit Narkolepsie/Kataplexie bedeuten diese Symptome tägliche Realität. Sie leiden unter überwältigender Tagesmüdigkeit, unkontrollierbaren Schlafattacken und Kataplexie, einem plötzlichen Tonusverlust der Muskulatur nach intensiven Emotionen wie etwa Lachen. Heilung gibt es nicht. Lediglich verschiedene Stimulantien und den Schlaf unterdrückende Medikamente können helfen, die Symptome zu bessern.
Körper attackiert sich selbst
Schlafforscher um Emmanuel Mignot des Center for Narcolepsy der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, fanden jetzt heraus, dass zwei Gene des Immunsystems für die Narkolepsie verantwortlich sind, was eine autoimmune Genese vermuten lässt. Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Nature Genetics.
Bereits seit 20 Jahren betrieben die Wissenschaftler Ursachenforschung. In den späten neunziger Jahren entdeckten sie, dass Narkolepsiepatienten Hypocretin fehlt. Nur wenige Hirnzellen im Hypothalamus produzieren den Neurotransmitter, der dafür sorgt, Mensch und Tier wach zu halten. Zwar funktioniert bei betroffenen Patienten die Hormonproduktion, doch mangelt es an produzierenden Zellen. Der Zellverlust von bis zu 95 Prozent ließ bereits die Vermutung eines zerstörenden Prozesses aufkommen. Zudem wiesen Narkoleptiker eine spezifische Variante des Humanen-Leukozyten-Antigens (HLA) auf. HLA regt die Immunantwort an, indem es Immunzellen Fragmente von Pathogenen präsentiert, um sie schließlich zu bekämpfen. Viele Autoimmunerkrankungen sind HLA-assoziiert.
Forscher finden weitere Genvarianten
In der aktuellen Untersuchung analysierten Mignot und der Genetiker Joachim Hallmayer der Stanford Universität die DNA von fast 4.000 Teilnehmern. Alle wiesen das mit der Narkolepsie verbundene HLA auf, doch nur die Hälfte der Teilnehmer hatte auch Narkolepsie.
Narkolepsiepatienten unterschieden sich von Gesunden durch einheitliche Genvarianten im Bereich des T-Zell-Rezeptor alpha (TCRA)-Gens. Dieses verschlüsselt ein Rezeptorprotein an der Oberfläche von T-Zellen, der mobilen Kampftruppe des Immunsystems. Das Gen ist dafür verantwortlich, den T-Zellen des Immunsystems zu vermitteln, wie sie auf Pathogene reagieren sollen, die ihnen das HLA präsentiert. HLA-TCR-Interaktionen steuern zu organspezifischen Autoimmunprozessen bei und regulieren gemeinsam einen großen Teil der Immunantwort.
Unklar bleibt, weshalb T-Zellen spezifisch Hypocretinzellen ansteuern. Auch liegen die Trigger der selbstzerstörerischen Attacke im Dunkeln – wie bei fast allen Autoimmunerkrankungen.
Gruppen mit erhöhtem Risiko
In einer Pressemiteilung des US-National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NIH) zur Studie wird betont, dass es sich um eine genomweite Assoziationsstudie handelt. Das bedeutet, es ließen sich keine genetischen Varianten identifizieren, die für die Erkrankung direkt verantwortlich sind. Doch haben Patientengruppen ein erhöhtes Krankheitsrisiko, die Träger der HLA- und der TRCA-Variante sind, wie z.B. verschiedene Asiaten und Afroamerikaner. Genetisch prädisponierte Personen haben demnach ein bis zu zwanzigfach erhöhtes Risiko für die Narkolepsie.
Die Ergebnisse tragen möglicherweise zur Entdeckung anderer Risikofaktoren bei. Weitere Charakterisierungen der T-Zellen bei Erkrankten könnten helfen zu klären, inwieweit bestimmte Umweltfaktoren wie etwa Infektionen zur Erkrankung beitragen. Auch andere Autoimmunerkrankungen, bei denen HLA eine Rolle spielt, ließen sich vielleicht besser verstehen, so die Hoffnung der Forscher.