Zu den Risiken der Gentechnik zählt möglicher Missbrauch im Sport. Noch sind keine Gendoping-Fälle bekannt. Vielleicht, weil entsprechende Substanzen noch nicht als relevant erkannt sind und daher nicht nachgewiesen werden können? Forscher und Entwickler wetteifern um Ergebnisse.
Forschern der Deutschen Sporthochschule Köln gelang es erstmals, die Substanzen GW1516, S-107, JTV-519 und S-40503 – vier der 400 bis 500 möglichen Gendopingsubstanzen – in humanem Plasma massenspektrometrisch nachzuweisen. Die vier chemischen Substanzen kommen in Medikamenten zum Einsatz, die aktuell zur Behandlung von Stoffwechselkrankheiten, Herzrhythmusstörungen, Osteoporose oder Muskelschwäche entwickelt und klinisch getestet werden. Allerdings haben diese Substanzen auch das Potential, die Ausdauerfähigkeit von Hochleistungssportlern zu verbessern. Das alarmierte die Kölner Wissenschaftler am Zentrum für präventive Dopingforschung (ZePräDo). Ihr Hauptanliegen ist auf das Aufspüren von doping-relevanten Substanzen und die frühestmögliche Entwicklung eindeutiger Nachweisverfahren fokussiert. Dabei interessieren auch Produkte, die kurz vor der Markteinführung stehen. In puncto GW1516 & Co sind sie den Medikamenten-Entwicklern offensichtlich eine Nasenlänge voraus. "Unser Testergebnis ist eindeutig, da wir es hier mit körperfremden Substanzen zu tun haben", erklärte der Sprecher des ZePräDo, Professor Dr. Mario Mevis, gegenüber DocCheck. Die massenspektrometrischen Tests wurden mit menschlichem Blut, das mit den entsprechenden Substanzen angereichert wurde, durchgeführt. Die Ergebnisse veröffentlichte kürzlich die Zeitschrift Rapid Communications in Mass Spectrometry.
Nachweis mit Tandem-Massen-Spektrometrie
Die Basis der Massenspektrometrie (MS) legte Sir Joseph John Thomson, britischer Physiker und Nobelpreisträger, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Darauf aufbauend entstanden in den letzten Jahrzehnten, dank der zunehmenden Leistungsfähigkeit bei Computern und Softwaretechnologien, hochauflösende und sehr messgenaue MS-Typen. Bei der Kölner Nachweismethode für GW1516, etc. kommt die Tandem-Massenspektrometrie zum Einsatz. Das heißt, dass zunächst die einzelnen Substanzen in einem Vorreinigunsprozess per Flüssigkeits-Chromatographie abgetrennt werden. Dazu reichen 100 µl Blutplasma aus. In einem weiteren Schritt wird der chemische "Fingerabdruck" abgenommen und mit Referenzwerten abgeglichen. Die Auswertung erfolgt manuell. Da in allen Dopinglabors Massenspektrometer zur bestehenden Ausstattung gehören, sei die Nachweismethode relativ schnell zu adaptieren, so Thevis. Das A und O des Verfahrens sei nicht die "Hardware" sondern die Probenvorbereitung. Das ZePräDo ist neben dem Dopingkontroll-Labor Kreischa das zweite von der Wada und dem IOC zertifizierte Doping-Forschungslabor in Deutschland.
Vom Couch-Potato zum Marathonläufer
Die Welt-Antidoping-Agentur (Wada) unterscheidet bei Gendoping zwei Gruppen. Erstens den Missbrauch gentherapeutischer Verfahren und zweitens Substanzen, die zur Beeinflussung der Genexpression eingesetzt werden. Zu letzteren zählen auch GW1516 und AICAR (aminoimidazole carboxamide ribonucleotide), die seit Anfang 2009 auf der Verbotsliste der Wada stehen. Beide Substanzen wurden in den Fachmedien als Peroxisome Proliferator Activated Receptor δ (PPAR delta)- bzw. AMP protein kinase-Agonisten bekannt, die aus Couch-Potato-Mäusen Marathonläufer machen. In Mausversuchen hatten kalifornische Forscher nachgewiesen, dass mit beiden Agenten die Ausdauer beim Laufen gesteigert, die Fettverbrennung angekurbelt und die Blutwerte verbessert werden können.
Wettbewerb der Nachweismethoden?
Aufbauend auf dieser Mäuse-Studie entwickelten die Kalifornier zwei "Fitness"-Pillen mit dem Ziel, ein pharmakologisches Äquivalent zum körperlichen Trainig zu schaffen. Bewegungseingeschränkte, alte oder an Muskelschwäche erkrankte Menschen sollen, wenn sich ihr Ziel realisieren läßt, mit dieser Wunderdroge ihre Leistungsfähigkeit bzw. ihr Ausdauervermögen verbessern können. Beide Medikamente befinden sich bereits in der klinischen Phase II. Weil sich die Forscher der Verlockung für Profisportler bewußt waren, begannen sie, Tests, mit denen ihre Medikamente im Urin und Blut nachgewiesen werden können, zu entwickeln. Nach eigener Darstellung ist das Ergebnis positiv und bereits bei der Wada zur Zertifizierung angemeldet. Das vermeldeten sie im Sommer vorigen Jahres. Von einem Antrag bei der Wada haben die Kölner keine Kenntnisse. Thevis: "Uns liegen bisher keine Informationen zu anderen Nachweisverfahren vor."