Das erste Semester des Medizinstudiums – der Kampf hat begonnen. Leistungsdruck, Klausuren und die berühmte Trennung der Spreu vom Weizen. Wie man an der Front überleben kann, erzählen Euch Melanie und Leopold, die es zum zweiten Semester geschafft haben.
Campus: Wie habt Ihr das erste Semester empfunden?
Melanie: Ich bin über das Losverfahren zum Studienplatz gekommen und hatte eigentlich schon gar nicht mehr mit dieser Option gerechnet. Für mich hat das bedeutet, dass ich erst ein paar Tage später zum Kurs stoßen konnte. Zudem musste ich mich um eine Wohnung am Studienort bemühen und sonstige „Kleinigkeiten“ planen und erledigen. Der Einstieg war also alles andere als glücklich. Jedoch habe ich mich dann recht schnell zu Recht gefunden und auch gleich ein paar nette Kommilitonen kennen gelernt, die mir ein bisschen unter die Arme gegriffen haben. Leopold: Mich hätte das erste Semester fast aus der Bahn geworfen. Ich habe mir wirklich mehr als nur ein Mal überlegt, ob ich mir den ganzen Stress und die vielen – in meinen Augen völlig unnötigen – Lernschikanen antun sollte.
Campus: Was sind denn „unnötige Lernschikanen“?
Leopold: Wir hatten zum Beispiel gleich im ersten Semester das Chemie-Praktikum. Dieses wurde leider nicht von der medizinischen Fakultät ausgerichtet, sondern fand im benachbarten chemischen Institut statt. Die Chemiker sind bekannt dafür, dass sie die Mediziner etwas abfällig betrachten – dementsprechend fiel dann auch das Praktikum aus. Ich dachte teilweise wirklich, ich würde Chemie studieren. So viele Praktika, Seminare und Vorlesungen zu einem Thema, das mich noch nie wirklich interessiert hat. Natürlich sehe ich ein, dass chemische Grundlagen existenziell für Fächer wie Biochemie sind und zu einer guten medizinischen Ausbildung gehören – hier wurde jedoch absolut übertrieben. Da habe ich schon mit dem Gedanken gespielt, das Handtuch zu werfen.
Melanie: Das ist total witzig, dass Du das erwähnst. Mir ging es ähnlich mit der Physik. Wir hatten ein sehr anspruchsvolles Programm in diesem Nebenfach, und mich hätte eine nicht bestandene Physik-Klausur beinahe das Weiterkommen ins zweite Semester gekostet. Der Physik-Schein ist ja entscheidend für die Zulassung zur Physiologie. Ich musste ganz schön rudern, um beim Nachtermin die Nerven zu behalten und das nicht zu vermasseln.
Campus: Es gab doch bestimmt aber auch schöne Momente, oder?
Leopold: Ja, natürlich! Mir hat der Präpkurs sehr gut gefallen, sowie die Hospitation bei einem niedergelassenen Allgemeinmediziner. Hier hat man schon einen sehr guten Eindruck vom späteren Beruf aufnehmen können.
Melanie: Mir hat – witzigerweise – die Terminologie Spaß gemacht, da ich endlich sehr viele medizinische Fachausdrücke verstehe, die mir zuvor ein Rätsel waren. Auch habe ich gleich mein Wahlfach abgehakt, und hier habe ich einen echten Treffer gelandet, da es beim Wahlfach um ethische Aspekte der Medizin ging. Das war sehr spannende und bestimmt nicht die letzte Veranstaltung zu diesem Thema, die ich besucht habe.
Campus: Ihr seid beide seit einigen Wochen im zweiten Semester. Hat sich etwas groß verändert, seitdem ihr die erste „Hürde“ überwunden habt?
Melanie: Nun ja, es ist schon ein kleiner, erster Schritt getan. Die vielen Scheine aus dem Ersten habe ich in der Tasche, und gerade haben wir mit Histologie angefangen – ein Fach, für das ich mich schon immer interessiert habe. Ich denke, nachdem der erste Schrecken überwunden war, wirft mich jetzt so schnell nichts mehr aus der Bahn. Leopold: Ich sehe das ähnlich, wobei bei mir erst jetzt im zweiten Semester das Physik-Praktikum ansteht. Ich hoffe, dass dies nicht ein ebenso krasses und unnötiges Unterfangen wird, wie es das Chemie-Praktikum im ersten Semester war. Ich finde, dass das Herumreiten auf naturwissenschaftlichen Grundlagen an manchen Universitäten wirklich übertrieben gehandhabt wird. Wir wollen schließlich Ärzte werden – keine Chemiker oder Physiker. Natürlich leuchtet mir ein, dass diese Fächer auch zur Sondierung und Auslese der Studierenden dienen, da man gleich zu Beginn einem enormen Lerndruck ausgesetzt wird, dem viele halt einfach nicht standhalten. Beim derzeitigen Ärztemangel ist das aber nicht wirklich logisch nachvollziehbar.
Campus: Habt ihr noch ein paar Hinweise und Tipps für die Erstis nach Euch?
Leopold: Ganz wichtig ist, dass man sich nicht verrückt machen lässt. An der Uni gibt es zu jedem Problem drei Ansprechpartner mit vier Meinungen. Man muss seinen eigenen Rhythmus finden und sich die Zeit vernünftig einteilen. Ganz schnell erkennt man auch, was man für ein Lerntyp ist. Wem Auswendiglernen – auch und gerade von unnötig erscheinenden Fakten – schon immer ein Graus war, hat im Medizinstudium sicherlich nicht viel zu lachen. Nach dem ersten Semester sollte man sich im Klaren darüber sein, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat. Es wird nämlich nicht besser! Melanie: Mein Tipp wäre, dass man die ganzen organisatorischen Dinge so rechtzeitig wie möglich abhaken sollte. Wenn das Studium beginnt, dürfen logistische Probleme rund um die Uni und das Leben drum herum keine tragende Rolle mehr spielen. Das kostet zu viel Zeit, Kraft und Nerven. Wichtig ist auch, dass man sich beizeiten gute und nette Leute in den Kursen sucht, mit denen man sich anfreundet. Ihr glaubt gar nicht, wie viele Dinge man übersieht und vergisst. Da ist es prima, wenn man auf mehrer Ohren, Augen und Hirne zurückgreifen kann.
Ich finde übrigens, im Gegensatz zu Leopold, dass man das Studium auch ganz gut ohne das oft erwähnte Strebertum und Auswendiglernen gebacken bekommt. Natürlich muss man sich trockene Namen und Fakten merken. Das Ziel sollte aber nicht das sture Hinterlegen im Kurzzeitgedächtnis sein, sondern der Versuch, sich die Dinge sinnvoll und berufsorientiert zu merken. Wenn man zum Beispiel in der Anatomie ein paar trockene Fakten lernen muss, kann man sich Gedanken machen, wie man das später im Arztberuf sinnvoll einsetzen kann. So bringt das Lernen viel mehr – und der Erfolg tritt eher ein, als beim stumpfen Pauken.