Der Zugriff auf Gewebe-Daten von Biobanken erlaubt es, Risikofaktoren für Herzinfarkt oder Krebs zu suchen. Individuelle genetische Profile machen es aber möglich, aus einer anonymen Probe auf den Spender zu schließen. Langzeit-Lagerung von Gewebe ist daher umstritten.
Die Grünen bezeichneten das Gesetz als Stückwerk und auch die SPD forderte einen Tag vor der Entscheidung klare Beschlüsse zu Zugriffsrechten. Das Gendiagnostikgesetz, das Bundestag und Bundesrat nun verabschiedet haben, schließt den Forschungs- und Pharmazeutikbereich ausdrücklich aus. Ein zukünftiges Biobanken-Gesetz soll die Rechte von Forschung und Spendern an Gewebeproben regeln, die in einer der unzähligen Tiefkühltruhen oder Schränken in deutschen Instituten oder Kliniken lagern.
Infos über Kinderkrankheiten und Sexualleben
Mehr als eine halbe Million Einwohner Großbritanniens werden sich bald in einer der weltweit größten Sammlungen dieser Art wiederfinden. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, haben sie zuvor rund 250 Fragen zu vergangenen Sonnenbränden, Seelenzustand und Sexualleben beantwortet und einen umfangreichen medizinischen Check absolviert. Blut- und Urinproben werden für viele Jahre eingelagert, eventuell auch bis nach dem Tod des Spenders. In einer Zeit, in der es genetische Analysen möglich machen, jede Person anhand ihres Erbguts zu identifizieren, sind auch aufwändige Verfahren zur Codierung der Proben nicht absolut privat und vor Datendieben geschützt. Andererseits lassen sich viele Risikofaktoren für Krankheiten, Umwelteinflüsse oder Konzert von Genen und äußeren Faktoren nur dann sauber aufklären, wenn die Zahl der untersuchten Proben groß genug ist. Immerhin bisher rund 62 Millionen Pfund ist den Briten ein solches Vorhaben wert. Mehr als 300 000 Proben sind inzwischen eingesammelt. In Deutschland gibt es ein Netzwerk an kleineren Biobanken, größere Sammlungen finden sich vor allem in Kanada, Australien oder China. Hier wie auch im vereinten Königreich wachen unabhängige Ethikkommissionen darüber, dass niemand mehr gibt als er möchte und niemand mehr Daten bekommt, als zu seinem Forschungsvorhaben unbedingt notwendig sind.
Kostbare Ressource: Probensammlung lange vor der Erkrankung
Eine der reichsten Schätze für Forschungszwecke liegt in einem Lager von der Größe einer Turnhalle bei -42°C. Beim Blutspendedienst des Bayrischen Roten Kreuzes sind rund 400 000 Blutspender registriert. Etwa 250 000 spenden regelmäßig, im Schnitt rund zwei mal im Jahr. Nach den Tests wandern eine einige Milliliter Plasma in dieses Lager, das inzwischen 4,5 Millionen Proben beherbergt. Ist der Spender einverstanden, sollen diese Proben auch für die Erforschung von Biomarkern und Risikofakoren für Krankheiten dienen. Denn entsprechend den Statistiken erkrankt einer unter 200 im Jahr an Krebs oder erleidet einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die Biobank der Blutspender bietet nun Zugang auf eine regelmäßige Probensequenz, die nun bis zu acht Jahre vor der Diagnose zurückreicht. Bisher haben rund 56 000 Spender der Verwendung ihrer Plasmaproben zugestimmt, etwa 5000 Erkrankte mit 15 000 Proben haben die Verantwortlichen inzwischen ausgemacht. Nach vorheriger Zustimmung dürfen Wissenschaftler auch auf die Krankenakten der Betroffenen zugreifen.
Die Früherkennung von Diabetes Typ 2 ist das bisher größte Forschungsprojekt, das sich der Proben aus den letzten neun Jahren bedienen will. Ein FINDRISK-Fragebogen der deutschen Diabetes-Stiftung soll unter 60 000 Blutspendern gefährdete Personen ausmachen. Dem folgt im zweiten Schritt mit ein oralen Glukose-Toleranztest zur Bestätigung. Die Zusammenarbeit mit den Biotech-Firmen Metanomic Health und Lipofit soll bei einem erfolgreichen Abschluss des Projekts zu neuen Screening-Markern für die Zuckerkrankheit führen.
Biobanken-Netz: Krebszellen aus Rumänien für Portugal
Der Bericht des Bundestagsausschusses für Technikfolgenabschätzung aus dem Jahr 2007 listet noch etliche weitere Biobanken in Deutschland auf, die bereits seit Jahren erfolgreich arbeiten oder gerade entstehen. Für epidemiologische Studien wurde in diesem Jahr mit der Planung und dem Aufbau der "Helmholtz-Kohorte" begonnen. An fünf Standorten der Helmholtz-Forschungsgemeinschaft wie etwa dem DKFZ in Heidelberg oder dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sollen Proben aus 200 000 Mitgliedern der "Normalbevölkerung" ab Mitte den nächsten Jahrzehnts für geeignete, aber bisher nicht formulierte Forschungsprojekte zur Verfügung stehen.
Um aus kleinen und mittelgroßen Biobanken in ganz Europa schließlich eine einzige große Ressource zu machen, baut eine gemeinsame Intitiative von mehr als 50 Partnern mit Geldern der EU ein Netzwerk auf. Derzeit arbeitet die BBMRI (Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure) an einem Katalog und sucht nach Möglichkeiten der Verknüpfung von Informationen zwischen den Biobanken.
Wertvoll, aber sensibel: Blutproben von Neugeborenen
Eine der größten Ressourcen weltweit baut schließlich auf Blutproben, die Neugeborenen routinemäßig kurz nach ihrer Geburt entnommen werden. Der britische Kinderonkologe Mel Greaves hat etwa herausgefunden, dass sich in mehr als der Hälfte aller Fälle pädiatrischer Leukämien Veränderungen im Erbgut bereits bei der Geburt entdecken lassen - in den Blutproben der Neugeborenen. Mads Melby in dänischen Statens Serum Institut arbeitet ebenfalls mit solchen Proben. Er will herausfinden, ob sich im Erbgut Risikogene für eine Frühgeburt verstecken. Je nach Land und zuweilen auch Region ist die Aufbewahrungsfrist für diese Blutproben ganz unterschiedlich geregelt. In London beträgt sie 10 Jahre, in anderen Teilen Englands werden sie unbegrenzt gelagert. In Frankreich beträgt sie ein Jahr. Als im Jahr 2000 im holländischen Enschede eine Feuerwerksfabrik in die Luft flog, wollten die Untersucher einige der Toten durch den Abgleich mit dem getrockneten Neugeborenen-Blut identifizieren. Erst durch durch die Presse erfuhren damals die meisten Holländer, dass ihr Blut gesammelt und fünf Jahre lang aufbewahrt wurde. Nach der heftigen Datenschutz-Diskussion, die den Berichten folgte, dürfen die Behörden jede Blutspende des Säuglings nur mit entsprechender Zustimmung der Eltern bunkern. In Deutschland werden die meisten Blutproben nach drei Monaten vernichtet, "da Datenschutzaspekten Vorrang eingeräumt wurde gegenüber jahrelangen Aufbewahrungsfristen mit Pseudonymisierung.", so der Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses von 2004.
In Labors und Kühlhäusern in aller Welt lagern Schätze, die es Forschern ermöglichen, Risiken für spätere Erkrankungen und Umweltbelastungen zu studieren und aufzudecken. Der Weg zu diesen Schatzkammern ist jedoch ein ganz schmaler Pfad zwischen wissenschaftlichem Nutzen für alle und dem Schutz der Privatsphäre jedes Einzelnen.