Infusionsbeutel, Katheter, Nierendialyse und Herz-Lungen-Maschine sind oft lebenserhaltend. Sie führen jedoch auch zu besonderen Problemen. Zirkuliert Blut außerhalb des Körpers, kann dies zu gravierenden Funktionsstörungen von Organen führen. Mögliche Ursache ist die Chemikalie Cyclohexanon.
In der modernen Medizin ist die extrakorporale Blutzirkulationen etwa bei Nierendialyse oder Bypassoperationen nicht mehr wegzudenken. Die vorübergehende Übernahme von Funktionen vitaler Organe rettet Millionen Menschen das Leben. Doch die extrakorporale Zirkulation birgt eine Reihe eigener Risiken wie Herzfunktionsstörungen mit vermindertem kardialem Auswurf und Herzrhythmusstörungen. Einige Patienten leiden und Gedächtnis- und Geschmacksverlust, Organschwellungen oder Müdigkeit.
Plastik enthält Cyclohexanon
Artin Shoukas und Caitlin Thompson-Torgerson der Johns Hopkins University Medical School fanden nun eine mögliche Ursache für die Beschwerden mancher Patienten, die oft erst Monate nach einer Operation verschwinden (American Journal of Physiology – Heart and Circulatory). In Plastikschläuchen fanden sie Cyclohexanon (CHX), ein organisches Lösungsmittel, das in der Produktion Polyvinylchlorid (PVC) enthaltender medizinischer Geräte Anwendung findet. Es ist Bestandteil von Infusionsbeuteln und extrakorporalen Kreisläufen. Es wandert aus Schläuchen und Verbindungen in Flüssigkeiten, die damit Kontakt haben, also auch Blut. Nach intravenöser Verabreichung von Flüssigkeiten über PVC-Beutel und i.v.-Schläuche lässt sich CHX in Urinproben Neugeborener nachweisen.
Shoukas und sein Team hatten Chemikalien aus Plastikbestandteilen medizinischer Geräte bereits im Verdacht, für Nebenwirkungen bei einigen medizinischen Eingriffen verantwortlich zu sein. Der Forscher hatte ganz persönliche Erfahrungen nach einer Bypassoperation machen müssen: „Als Schokoholic fiel mir nach der Operation auf, dass alles furchtbar schmeckte, und Schokolade schmeckte monatelang wie Holzkohle.
Chemikalie schlägt aufs Herz
Die Wissenschaftler analysierten kristalloide Flüssigkeitsproben aus unbenutzten extrakorporalen Leitungen und i.v.-Beuteln mithilfe der gaschromatografischen Massenspektroskopie, um klinische CHX-Expositionswerte zu bestimmen und die CHX-Kontamination der gesammelten Flüssigkeiten aufzudecken. Die Flüssigkeiten enthielten 9,63 bis 3.694 Mikrogramm CHX pro Liter. An 49 Ratten untersuchten sie anschließend umfangreich die Wirkung einer i.v.-Infusion mit Kochsalz plus CHX und Kochsalz allein. Sie prüften die kardiovaskuläre Funktion anhand von kardialem Output, Herzfrequenz, Schlagvolumen, vaskulärem Widerstand, arteriellem Druck und Ventrikelkontraktilität. Untersucht wurden auch Sensibilität des Baroreflexes und Ödembildung.
Herzen von Ratten, die nur die Salzlösung erhalten hatten, pumpten annähernd 200 Mikroliter Blut pro Herzschlag und wiesen eine durchschnittliche Schlagfrequenz von 358 pro Minute auf. Ratten mit CHX-Infusion kamen nur auf 150 Mikroliter Blut pro Herzschlag und eine Herzfrequenz von 287 pro Minute. Nicht nur die Pumpfunktion des Herzens war beeinträchtigt, Tiere mit CHX hatten auch eine verminderte Kontraktilität des Herzmuskels. Nach Angaben der Forscher verursachte CHX eine 50-prozentige Reduktion der Stärke einer jeden Herzkontraktion. Der Baroreflex, der bei Kontrolle und Erhalt des Blutdrucks mitwirkt, war nach CHX-Exposition reduziert und reagierte weniger sensibel. Auch ließen sich vermehrt Flüssigkeitsretention und Schwellungen bei Tieren mit CHX-Infusion beobachten.
Nutzen extrakorporaler Behandlungen bleibt unbestritten
Die Daten liefern Schätzungen der CHX-Kontamination der am häufigsten kommerziell verfügbaren i.v.-Beutel und extrakorporalen Kreisläufe, so Shoukas. Bei klinisch relevanter CHX-Exposition von Tieren zeigten sich kardiovaskuläre Beeinträchtigungen, die denen beobachteter Nebenwirkungen bei klinischen Anwendungen am Menschen ähnlich sind. Dies stärkt die Hypothese der Forscher, wonach CHX zur kardiovaskulären Insuffizienz etwa nach Eingriffen am Herzen beiträgt. Dennoch, die Ablehnung eines nötigen Eingriffs aufgrund der Befunde empfehlen die Wissenschaftler nicht. Diese Technologien sind häufig lebensrettend, sodass der Nutzen die Risiken mit Sicherheit überwiegt.