„Nur noch schnell in Zimmer 401 Blut abnehmen, bevor der Pieper sagt, dass ich in den OP zum Hakenhalten muss“ denkt sich der chirurgische PJler. Schon tausendmal gemacht, reinste Routine. Doch dann, bei der Entsorgung der gebrauchten Kanüle passiert es, ein kleiner Stich in den Zeigefinger…
Nadelstichverletzungen
Als Nadelstichverletzungen werden alle Verletzungen bezeichnet, die mit scharfen oder spitzen Gegenständen, zumeist Kanülen oder Skalpellen, verursacht wurden und zusätzlich noch mit Patientenblut oder anderen Körperflüssigkeiten benetzt waren. Dabei spielt es keine Rolle, wie tief die Wunde gewesen ist oder ob man selbst geblutet hat. Und auch wenn es viele mögliche Erreger gibt, die auf diesem Wege übertragen werden können, sind es die HI-Viren und die Viren der Hepatitisgruppe, die klinisch am bedeutsamsten sind.
Doch wie wahrscheinlich ist eine Übertragung dieser Erkrankungen überhaupt? Natürlich hängt eine Infektion immer von vielen Faktoren ab. Dennoch wird das Risiko wie folgt angegeben:
Hohe Dunkelziffer
Man schätzt, dass in Deutschland circa 500.000 pro Jahr solcher Nadelstichverletzungen Jahr erfolgen. Allerdings gibt es keine verlässlichen Zahlen, weil die Dunkelziffer extrem hoch ist. Sie soll bei mehr als 50% liegen! Die höchste Rate an Stichverletzungen weisen Chirurgen auf, gefolgt von Hals-Nasen-Ohren-Ärzten und Internisten. Selten werden diese Arbeitsunfälle von Radiologen und Pädiatern gemeldet.
Maßnahmen nach Verletzung
Da man sich nie sicher sein kann, dass einem eine solche Verletzung nicht trifft, sollte man wissen, was im Fall der Fälle zu tun ist, um das Risiko einer eventuellen Ansteckung mit größtmöglicher Sicherheit zu minimieren. Wichtig ist es, die Wunde nicht direkt zu verschließen, sondern sie unter fließend kaltem Wasser blutend zu halten. Es sollte anschließend eine gründliche Desinfektion erfolgen. Pflicht ist es in dieser Situation, zum Durchgangsarzt zu gehen und einen D-Bericht einzufordern, um es als Arbeitsunfall geltend machen zu können. Dann wird einem selbst, aber auch dem Patienten Blut abgenommen um das Blut auf HIV, Hepatitis B und C testen zu lassen. Ist der Patient bekanntermaßen HIV-positiv, kann man mit Einnahme einer medikamentösen Postexpositionsprophylaxe das Risiko einer Ansteckung noch einmal deutlich minimieren. Da jeder, der im Gesundheitswesen arbeitet, gegen Hepatitis B geimpft sein sollte, wird hier der aktuelle Impfstatus überprüft und eventuell aufgefrischt. Gegen Hepatitis C gibt es bislang keine Impfung. Hier wird allerdings auch keine medikamentöse Prophylaxe empfohlen, sondern mit regelmäßigen Blutkontrollen überprüft, ob es zu einer Ansteckung gekommen ist.
Prophylaxe
Viel wichtiger allerdings als das richtige Management nach einer Nadelstichverletzung ist die Vermeidung einer solchen. Daher sollte man sich nicht scheuen, einen frischen Abwurfbehälter mit ins Patientenzimmer zu nehmen, auch wenn der andere erst zu zwei Dritteln gefüllt ist. Handschuhe tragen, auch wenn viele „alte Hasen“ das als Zeitverschwendung ansehen. Umsichtig arbeiten, auch wenn Blutentnahmen nur noch Routine sind. Und natürlich nie die Kappe wieder zurück auf die Kanüle setzen.