Tabakentwöhnung ist Selbstzahlerleistung. Wird sie allerdings mit Geld versüßt, ist ein Abschied vom blauen Dunst wahrscheinlicher. Druck auf die GKV kommt auch aus Essen: Tabakentzug spare Geld, heißt es dort. Gibt’s die Entwöhnung demnächst also auf GKV-Rezept?
Es ist eine gerade von überzeugten Rauchern gerne gepflegte These: Weil Menschen, die rauchen, früher sterben, kämen sie für ein Sozialversicherungssystem auf das gesamte Leben gerechnet deutlich günstiger als Nichtraucher. Eine noch unveröffentlichte gesundheitsökonomische Analyse der Universität Duisburg-Essen hat sich dieses Themas jetzt etwas differenzierter angenommen. Sie kommt zumindest für den Bereich Krankenversicherung zu einem anderen Ergebnis.
Kosteneffektivität trotz Lebenszeitverlängerung
Die Untersuchung stammt von Professor Jürgen Wasem, der auch maßgeblich an der Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs der Krankenkassen beteiligt war. Anhand der drei Krankheiten KHK, Diabetes mellitus und COPD hat Wasem die der GKV entstehenden Lebenszeitkosten bei Patienten ermittelt, die eine medikamentöse Tabakentwöhnung mit dem Präparat Vareniclin machen. „Wir haben dabei die Ergebnisse der Zulassungsstudien zugrunde gelegt“, betont Wasem. Demnach liege die langfristige Erfolgsquote der medikamentösen Tabakentwöhnung bei etwa einem Drittel, gegenüber 15% bei Placebo. In Wasems Kostenberechnungen ist also die Tatsache bereits eingeflossen, dass eine Tabakentwöhnung – egal womit – immer nur bei einem Teil der Raucher erfolgreich ist. Wasem zufolge verursacht ein Raucher bei medikamentöser Tabakentwöhnung in Bezug auf die KHK restliche Lebenszeitkosten von 45.818 Euro. Dem stehen bei einer Entwöhnung mit Placebo 48.579 Euro gegenüber – jeweils unter Einbeziehung der unterschiedlichen Erfolgsquoten. „Das heißt: Die GKV spart durch die medikamentöse Tabakentwöhnung 2681 Euro, obwohl die Tabakentwöhnung das Leben verlängert“, so Wasem. Zu ähnlichen Ergebnissen kam der Experte bei den beim Diabetes und bei der chronisch-obstruktive Lungenerkrankung: Hier liegt die Ersparnis bei 1155 Euro (Diabetes) beziehungsweise 1338 Euro (COPD). Wasem betonte, dass den Berechnungen die deutsche Versorgungsrealität zugrunde liege. Ähnliche Analysen in anderen Ländern seien eher kostenneutral. Das deutsche Gesundheitswesen profitiert also überdurchschnittlich von der Tabakentwöhnung.
Cash ist das, was wirklich wirkt im Leben…
Nicht rein gesundheitsökonomisch, sondern in einer klinischen Studie wurde die medikamentöse Tabakentwöhnung – in diesem Fall mit einer Nikotinersatztherapie (NRT) – am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim untersucht. Professor Hans-Joachim Salize berichtete beim Berliner Hauptstadtkongress über eine Studie, bei der verschiedene Formen der finanziellen Anreizsysteme getestet wurden, um zu sehen, wie ein wenig Kleingeld den Erfolg der Raucherentwöhnung beeinflusst. An der Mannheimer Untersuchung nahmen niedergelassene Ärzte teil, die in vier Gruppen randomisiert wurden. In einem Teil der Praxen wurde die NRT wie üblich gemacht: Die Patienten holten sich die NRT also als Selbstzahler in der Apotheke ab. In einer zweiten Praxisgruppe erhielten die Patienten die NRT-Kosten in Höhe von 130 Euro erstattet. In einer dritten Gruppe erhielt der Arzt und nur er einen Erfolgsbonus. Und in der vierten Gruppe schließlich wurden sowohl Patient als auch Arzt honoriert.
Das Ergebnis war eindrucksvoll: Durch die Kostenerstattung für die Versicherten konnte die Erfolgsquote der Entwöhnung von 2,7% auf 12,1% vervierfacht werden. Der Erfolgsbonus für den Arzt hatte dagegen einen geringeren Effekt. Und auch wenn beide Varianten der Bonuszahlungen kombiniert wurden, war der Zusatznutzen gegenüber der reinen Erstattung nicht gerade groß. Die Kostenerstattung für den Patienten ist diesen Resultaten zufolge also die Strategie der Wahl, um die Erfolgsquoten der Tabakentwöhnung zu erhöhen. „Angesichts der Konsequenzen des Rauchens erscheinen die dafür erforderlichen 130 Euro pro Patient als sehr günstig“, betonte Salize in Berlin.