Die Methode ist minimal-invasiv und erlebt einen Boom: ROSE (Restorative Obesity Surgery, Endolumenal). US-Chirurgen erzielen Erfolge im Kampf gegen das grassierende Übergewicht, indem sie ambulant Mägen verkleinern. Milliarden Kosten könnten so eingespart werden.
Ungewohnt offen machte das als unabhängig geltende University of California San Diego Medical Center Werbung für ein Verfahren, das Millionen von US-Amerikanern kleinere Mägen und damit verbunden weniger Heißhunger verspricht. Die Aussicht der Wandlung von nahezu 40 Millionen Übergewichtigen mit Magen-Problemen & Co. zu dünneren, gesünderen Staatsbürgern mag vor allem aus Kostengründen zusagen: Nahezu 100 Milliarden US-Dollar ließen sich einer Berechnung der Gesundheitsbehörde CDC durch die Vermeidung von ernährungsbedingten Gastro-Intestinalen Eingriffen jährlich an Folgekosten einsparen.
Dass das Heer der dicken Bäuche in naher Zukunft dahin schmilzt, rückt tatsächlich in greifbare Nähe – dank eines eigens dazu entwickelten endoskopischen Greifarms. Bereits 2006 startete das fünf Jahre zuvor gegründete kalifornische Pionier-Startup USGI Medical erste Versuche mit ROSE, wie das Verfahren liebevoll genannt wird. Der Operateur nutzt hierbei Schlund und Rachen des Patienten als Eintrittspforte in den Magen des selbigen, um dort mittels eines Spezialendoskops das Wunder zu vollbringen – eine Naht hier, ein Schnitt da, nach nur einer Stunde ist der Magenbeutel erheblich verkleinert. Ohnehin vollzieht sich das Schnippeln im Körperinneren für Außenstehende unmerklich, keine einzige Narbe, die die Haut der Therapierten verunstalten würde. Der Eingriff, attestiert jetzt auch Garth Jacobsen, Chirurg am Zentrum für die Behandlung von Übergewicht der Universität San Diego, verspreche endlich auch jenen Patienten ewige Schlankheit, die sich zuvor dem klassischen gastrischen Bypass unterzogen. Immerhin 100.000 Amerikaner setzen jährlich auf diese Methode, nur: Bei 20.000 Übergewichtigen versagt das Verfahren. Vor allem diese Gruppe könnte laut Jacobsen von ROSE profitieren. Um die Erfolgsquote zu belegen, legte das Team um Jacobsen eine Datenbank der purzelnden Pfunde an. Die Ergebnisse sind beachtlich.
Bis zu einem Kilo pro Woche können ROSE-Klienten abnehmen, nachhaltige 25 Kilogramm Gewichtsreduktion sind innerhalb von acht Monaten realistisch, wie die 53-jährige Maria Rusak den erstaunten Klinikern demonstrierte. Begeistert erzählt die Ex-Übergewichtige, wie sie derzeit vor allem ein Problem bewältigen muss: Die alten Kleider ausnahmslos umändern lassen sei eine kostspielige Sache. Zu schön, um wahr zu sein? Das häufigste Risiko für willige Patienten sei ein heiserer Hals, betonen die Mediziner – dem Vorstoß der ROSE scheint damit kaum noch etwas im Weg zu stehen.
Ist dem wirklich so? Ein am 4. März dieses Jahres durchgeführtes „ROSE Procedure Seminar“ in New Jersey offenbarte zwischen den vorgetragenen Zeilen den großen Schwachpunkt der sportlosen Bauchverdünnung: Die Methode sei „sehr neu“, entsprechend fehlten Langzeiterfahrungen und valide Aussagen über mögliche Spätfolgen der Eingriffe. Auch genaue Angaben über die statistisch belegbare Erfolgsrate sucht man vergeblich. ROSE, so hat es den Anschein, funktioniert zwar gut, nur: Wie lange, und bei wie viel Patienten genau, bleibt ein Rätsel. Selbst der Blick in die Archivtiefen der Zulassungsbehörde FDA in Silver Spring, Maryland, bringt keine Linderung der Wissens-Lücke. Lediglich die eingesetzten endoskopischen Utensilien seien, beteuert das Central Baptist Hospital in Kensington, Kentucky, von der FDA zugelassen – immerhin. Einzig die Kosten für das Verfahren lassen sich vorab recht mühelos diagnostizieren. 12.000 Dollar verlangen ROSE-begabte Ärzte für den inneren Durchmarsch zum Magenbeutel der ohnehin gebeutelten Adipositas-Patienten.
Weltwirtschaftskrise 2048 durch Übergewicht?
Der Faktor Geld spielt aber auch im deutschen Gesundheitssystem eine wichtige Rolle. Die volkswirtschaftlichen Kosten des schweren Übergewichts belaufen sich auf über 530 Millionen Euro pro Jahr, wie Experten des GSF-Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen (IGM) nach Auswertung der KORA-Studie im Jahr 2005 erstmals ausführlich belegten. Noch drastischer fällt die Summe bei Berücksichtigung der Begleiterkrankungen aus: nahezu fünf Milliarden Euro verschlingen Adipositas & Co.
Für die USA jedenfalls avanciert ROSE womöglich zum "Verkaufsschlager" gegen die allgemeine Verdickung. Die Prognose des staatlichen Agency for Healthcare Research and Quality jedenfalls dürfte Barack Obama ein Argument für den Vorstoß der ROSE-Methode liefern: Bliebe ernährungstechnisch alles, wie es derzeit ist, wird spätestens im Jahr 2048 jeder Amerikaner übergewichtig sein. Wer auch immer dann regieren wird, die Adipositas-Weltwirtschaftskrise scheint damit programmiert: Die Kosten für das US-Gesundheitssystem würden im Vergleich zu heute um eine Billion Dollar steigen.