Nach mehr als sechs Jahren ist es endlich soweit, und ich bin nicht länger Student oder PJler, sondern wirklich Arzt. Ich kann es selber kaum glauben. Nachdem ich gestern die Ersti-Woche hinter mich gebracht habe, beginnt heute mein erster Arbeitstag.
5.30 Uhr: Der Wecker klingelt. Er war und bleibt mein ärgster Feind! Warum musste ich mir auch nur ein chirurgisches Fach aussuchen? 6.55 Uhr: Pünktlich komme ich auf meine Station und ziehe mich um. Das Schild "Assistenzarzt" clippe ich mir stolz an den Kittel. Tolles Gefühl, ein bisschen merkwürdig zwar, aber toll!
7.00 Uhr: Hier beginnt der Tag mit Blutentnahmen und dem Legen von Zugängen. Obwohl ich das Gefühl hatte, während des Lernens alle meine praktischen Fähigkeiten, die ich im PJ perfektioniert hatte, verloren zu haben, klappt es mit den Blutentnahmen doch gut. Allerdings muss ich gestehen, dass die ersten Patienten wirklich gute Venen hatten, aber manchmal braucht man einfach Glück.
7.30 Uhr: Visite. Heute kann ich noch gar nichts dazu beitragen. Aber ich laufe interessiert mit, allerdings werden mein Spickzettel und meine ToDo-Liste immer länger. Noch eine Sono-Kontrolle hier, noch Klammern und Schienen ziehen dort.
8.00 Uhr: Zeit für die Besprechung. Hier werde ich noch einmal allen vorgestellt. Ich hatte mir fest vorgenommen, die Namen der Mitarbeiter zu behalten. Aber ich merke schnell, ich muss wohl noch ein paar Tage unauffällig auf die Schilder schielen. Kaum wird über die Vorkommnisse der Nacht berichtet, klingelt auch schon bei den ersten das Telefon - der OP ruft! Hoffentlich stehe ich auch bald mal mit auf dem Plan…
8.20 Uhr: Der Stationsalltag beginnt. Ich versuche, meinen Zettel von oben nach unten abzuarbeiten. Viele Arbeitsschritte sind mir noch aus dem PJ vertraut, bei anderen muss ich meine Kollegen oder die Pflegekräfte fragen. Gott sei Dank sind aber alle sehr nett und unterstützen mich.
11.00 Uhr: Nun soll ich mit in die Zentralambulanz, zur Aufnahme. Ich bin gespannt, wie es in diesem Krankenhaus abläuft. Denn eines habe ich während der Famulaturen gelernt: Jedes Haus ist anders. Ich werde erst einmal zuschauen, wie hier eine Aufnahme abläuft und worauf Wert gelegt wird. Der erste Patient hat eine Nierenkolik. Kurze Anamnese, Sono, Viggo legen, Blut abnehmen und zum Röntgen schicken. Ehrfürchtig setze ich meine Unterschrift auf die Zettel, die mir die Ambulanzkraft hinstreckt. 11.30 Uhr: Die Fachärztin, der ich gerade über die Schulter geschaut habe, sieht entnervt auf das nicht leerer werdende Wartezimmer. „Traust du dir zu, schon die nächste Aufnahme alleine zu machen?“ fragt sie mich. „Ich bin nebenan und wenn du fertig bist, werfe ich noch einen kurzen Blick auf deine Anordnungen, einverstanden?“ Bin ich bereit? Ich habe keine Ahnung, aber da muss ich jetzt einfach durch. Natürlich habe ich auch im PJ einige Patienten zur stationären Behandlung aufgenommen, aber irgendwie ist dieses Gefühl hier doch ein anderes. Alles in allem läuft es aber ganz gut. Auch wenn ich froh bin, als die Ambulanzärztin zur Tür hineinkommt und ich mit ihr noch einmal die Fakten und Anordnungen durchsprechen kann.
12.45 Uhr: Telefonisch haben sich die Assistenten zum gemeinsamen Kantinenessen verabredet. Mal sehen, ob sich das Essen hier mit dem meines PJ-Hauses messen lassen kann. Eine halbe Stunde später weiß ich: Krankenhausessen schmeckt überall gleich!
13.45 Uhr: Ich bin zurück auf meiner Station. Hier gibt es jeden späten Mittag eine Kurvenvisite. Untersuchungsergebnisse vom Morgen, aber auch Blutbilder und Röntgenbilder werden durchgesehen und alles Wichtige in die Kurve eingetragen.
14.30 Uhr: Nun ist es wieder Zeit für die Besprechung im gesamten Team. Die Patienten aus der Ambulanz werden kurz vorgestellt, die geplanten Operationen für morgen angekündigt und andere drängende Dinge werden besprochen. Ich versuche angestrengt zuzuhören. Gar nicht so einfach, bei so vielen Patienten! Was würde ich nur ohne meinen Spickzettel machen? 15.00 Uhr: Wieder zurück auf meiner Station beginnt nun der Schreibkram. Während der Stationsarzt Briefe diktiert, bereite ich schon mal die Kurzentlassungsbriefe für morgen vor, unterschreibe Röntgenanforderungen und nehme mir dringend vor, Textbausteine anzulegen. Die sind wirklich Gold wert.
16.00 Uhr: Ein Novum, das ich aus den bisherigen Krankenhäusern nicht kenne: Der Chefarzt kommt zur zweiten Visite. Ich kann ihr schon ein bisschen besser folgen als heute morgen. Zu dem einen oder anderem Patienten kann ich sogar einen kleinen Informationsbeitrag leisten. Das stärkt mein Selbstbewusstsein.
17.00 Uhr: Feierabend! Der erste Tag ist geschafft. Und mein Fazit? Eigentlich habe ich nicht viel anderes gemacht, als ich schon im Praktischen Jahr machen durfte. Aber trotzdem ist das Gefühl ein ganz anderes. Ein viel besseres! Morgen früh geht es weiter – und ich freue mich darauf!