Nicht immer sind es die Schweine. 2007 erhöhte sich die Anzahl der Hanta-Infizierten in Deutschland auf ein Vierfaches zum Vorjahr. Bisher überlebten alle Patienten den Kontakt, litten aber zeitweise an schweren Störungen der Nierenfunktion. Schuld daran sind Mäuse.
Nur 72 Stunden brauchten Forscher in New York, um die Identität des unbekannten Organismus aufzudecken. Er hatte im Oktober 2008 in Sambia und Südafrika ein hämorrhagisches Fieber ausgelöst, an dem vier von fünf Befallenen starben. Drei Tage später kam ein bis dahin völlig unbekannter pathogener Arenavirus ans Licht. Die Forscher nannten ihn "Lujo"-Virus, benannt nach den betroffenen Städten Luanda und Johannesburg.
Hantaviren – Nierenversagen und hämorrhagisches Fieber
Unter den Viren, die beim Menschen Hämorrhagien hervorrufen können, finden sich bekannte Namen, wie Ebola oder Lassa, aber auch solche, die in Deutschland heimisch sind und regelmäßig zu kleineren oder größeren Epidemien führen. Aber die "Top-5" meldepflichtiger Infektionskrankheiten beim Berliner Robert-Koch-Institut für das Jahr 2007 führen auch "Hantaviren" an – mit fast 1700 Infektionen - glücklicherweise ohne Todesopfer. Was hat es mit Hantaviren auf sich? Immer wieder tauchen Meldungen aus Süd- und Nordamerika in den Medien auf, die von einer Letalität von bis zu 50% berichten. Bei seiner erstmaligen Beschreibung des Virus erkrankten im Koreakrieg 1953 mehr als 3000 Soldaten mit Fieber und Blutungen. Der koreanische Grenzfluss Hangan lieh daher dem neu entdeckten Erreger seinen Namen. Mehr als ein Zehntel der Erkrankten starben an der Infektion.
Auch wer den Begriff HFRS (hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom) hört, ist dem Hantavirus auf der Spur. Denn er benennt gleichzeitig das Leitsymptom, das europäische Virenstämme verursachen. In Deutschland versagen bei fünf bis zehn Prozent der Erkrankten zeitweise die Nieren, sodass eine Dialyse notwendig wird. Der Puumalavirus (benannt nach einer finnischen Ortschaft) ist bei uns für 199 von 200 Fällen einer Hantavirus-Infektion verantwortlich, allein in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern spielt noch der "Dobrava"-Typ (isoliert zuerst in Slowenien) eine kleine Rolle. Nur in der "neuen Welt" kommt dagegen der "Sin Nombre" Typ vor. Er verursacht anders als die europäischen Stämme auch Erkrankungen der Atemwege. Das "Pulmonary Syndrome" (HPS) ist nur in Nord- und Südamerika anzutreffen.
Rötelmaus-Lebensqualität bestimmt Erkrankungsrisiko
Die meisten Infektionen verlaufen glücklicherweise relativ mild. Selbst 2007 beobachteten Ärzte nur bei vier Patienten die schwere hämorrhagische Form, die meisten Infizierten erkrankten an der Hantavirus-typischen "Nephropathia epidemica". Seit 2001 führt das Robert-Koch-Institut über das Vorkommen von Hantaviren im Menschen Buch. Niemals vor 2007 stieg die Zahl der gemeldeten Fälle auf mehr als 500. Und dann auf einmal eine Steigerung um fast das Vierfache? Eicheln und Bucheckern sind die Schlüssel zur Erklärung solcher Schwankungen. Denn der Mensch ist für Hantaviren nur ein Fehlwirt – und trägt nicht zur Virenvermehrung bei. Ihr eigentliches Domizil haben die Erreger in Mäusen wie der Rötelmaus für den Puumalavirus oder der Brandmaus für den Dobrava-Typ. 2006 gab es Bucheckern im Überfluss, dazu ein mildes Frühjahr nach dem Winter - ideal, um zahlreiche neue Mäuse- und Virusgenerationen zu zeugen.
Die Mehrzahl aller Hantavirus-Infektionen konzentriert sich auf Cluster im Münsterland, der Schwäbischen Alb, dem Spessart und dem Bayrischen Wald. Jeder, der im Freien mit Mäusen Kontakt hat, ist dort gefährdet. Epidemiologen wiesen etwa in den Landkreisen Reutlingen und Tübingen in fünf Prozent aller Beschäftigten in Land- und Forstwirtschaft Antikörper und damit einen Kontakt mit dem Virus nach. Hantaviren schonen ihren Haupt-Wirt: Ohne sichtbare Beeinträchtigungen fanden Forscher etwa in einzelnen Regionen Baden-Württembergs bei 70 Prozent aller entsprechenden Mäuse den Virus. Aerosole von Mäusekot und -urin übernehmen dann den Transport zum Menschen.
Ein bis zwei Wochen lang erlauben RNA-Spuren im Serum eine genaue Charakterisierung des Virusstamms, danach geben serologische Tests Auskunft über eine Infektion. Weil aber entsprechend skandinavischen Untersuchungen nur jede zehnte bis zwanzigste Infektion auch klinische Symptome zeigt, schätzen Experten die Dunkelziffer unerkannter Hantavirus-Infektionen weit höher, als die Daten des RKI verraten.
2009: Schlechte Zeiten für Hantaviren
Dennoch scheint das pandemiegeplagte 2009 ein ausgesprochen schlechtes Jahr zumindest für Hantaviren zu werden. In den ersten vier Monaten registrierten Deutschlands Epidemiologen nur 14 Fälle. Bereits 2008 waren es im ganzen Jahr nur 243 gemeldete Erkrankungen. Besonders gefährdet scheinen daher wohl nur Freiland-Beschäftigte zu sein. Bei Waldarbeitern in der Alb ist die Durchseuchung in den letzten Jahren allerdings von zwei auf vierzehn Prozent gestiegen. Zu tun haben könnte das auch mit der Abnahme der Artenvielfalt von Nagetieren. Denn weniger Arten bedeuten bessere Bedingungen für Hantaviren, wie eine Studie von Suzan Mare kürzlich herausfand.
Schon im 1. Jahrtausend nach Christi und im Mittelalter berichten alte Chroniken über Erkrankungen, die jenen heutiger Krankheitsbilder nach Hantavirus-Infektion ähneln. Außer entsprechender Hygiene in Haus und Hof und beim Mäusefang gibt es bislang kein Rezept gegen die Viren. Vakzine kamen bisher über das Teststadium nicht hinaus. Nicht selten folgt einem starken Mäusejahr eines oder mehrere mit unterdurchschnittlicher Vermehrung der Nager. Dennoch ist Wachsamkeit gegenüber Hantaviren sicherlich nicht verkehrt. Noch sind auch hochpathogene Hantavirus-Arten und ihre Wirte nicht bei uns heimisch. Dass das aber bei immer größerer Mobilität und klimatischen Veränderungen immer so bleiben wird, ist indes nicht sicher.