Jeder hat von ihm gehört - aber keiner weiß, wo er genau liegt: Die Rede ist vom G-Punkt. Der Neurogenetiker Sharon Moalem lüftet in seinem neuen Buch jetzt endlich das Geheimnis: Die Stelle sei lediglich der Ort, an dem sich die weibliche Prostata optimal stimulieren lässt.
"Weibliche Prostata" - das klingt zunächst sperrig. Schließlich assoziiert man dieses Organ in der Medizin eher mit den verlängerten Pinkelpausen älterer männlicher Semester. Das auch "Paraurethraldrüse" genannte Gewebe liegt bei Frauen im submukösen Schwellkörper des Scheidenvorhofs (Vestibulum vaginae) in der Nähe des Scheideneingangs. Die Drüsen verfügen meist über mehrere Ausführungsgänge, die in den Endabschnitt der Harnröhre, sowie auf die Schleimhaut rund um die Harnröhrenöffnung (Meatus urethrae externus) münden. Diesen eher unscheinbaren Winkel des Harntrakts hat der Neurogenetiker Sharon Moalem jetzt als Motor der weiblichen Lust identifiziert.
Laut dem slowakischen Pathologen Milan Zaviacic verfügt die weibliche Prostata im Vergleich zum männlichen Pendant über eine außergewöhnliche Eigenschaft: das Organ unterscheidet sich von Mensch zu Mensch in Größe und Ausdehnung, nicht wenige Frauen verfügen über so wenig Prostatagewebe, dass bei ihnen die Existenz zumindest dieses „Lustmotors“ praktisch verneint werden müsse.
Glücklich hingegen dürfen sich jene Frauen fühlen, die über ausreichend Prostatamaterial im Körperinneren verfügen. Denn wer derart ausgestattet ist, hat Moalem zufolge die Prostata direkt über dem Vaginaltrakt positioniert, was den optimalen Zugang zum G-Punkt ermöglicht.
Über die Existenz des G-Punkts streiten Sexualexperten seit Jahren, doch dem österreichischen Urologen Florian Wimpissinger gelang im Jahr 2007 eine spektakuläre Publikation. Im Journal of Sexual Medicine schilderte der am Rudolphstiftung Hospital in Wien arbeitende Wimpissinger den Fall gleich zweier Patientinnen, die sich auf Grund von massiven Ejakulationen während des Orgasmus vorgestellt hatten. Tatsächlich gelang dem Österreicher die Analyse des im Laborversuch durch Masturbation gewonnen Ejakulats. Zur großen Überraschung der Ärzte wies die Flüssigkeit einen hohen PSA-Gehalt auf. Zudem ließen sich via Ultraschall Prostatadrüsen erkennen. Ganz frisch stellten Wimpissinger und seine Kollegen eine neue Publikation vor, in der anhand von MRT-Aufnahmen sieben weitere Fälle von Prostata-bedingten weiblichen Ejakulationen beschrieben werden.
Lustorgan als Bakterienkiller
Ob solcher Faktenlage rätseln Fachleute inzwischen nicht mehr ob, sondern warum Frau eigentlich über das Organ und verfügt. Denn anders als beim Mann spielt die weibliche Prostata in Sachen Fortpflanzung keine Rolle, zudem lässt sich der Faktor Lust auch ohne G-Punkt ultimativ erreichen. Vermutlich sei der Grund für das Vorhandensein des Orgasmus-Gewebes im Laufe der Evolution entstanden und rein pragmatischer Natur, mutmaßt Neurogenetiker Moalem. Weil Infektionen des Harntrakts bei Frauen häufig vorkommen, sei die explosionsartige Entleerung während des Orgasmus ein probates Mittel, ganz nebenbei und unbemerkt unliebsame Bazillen aus der Harnröhre zu befördern, schreibt Moalem. Um diese These zu belegen will der Forscher in New York Ejakulatproben auf keimhemmende Substanzen, etwa auf Zink, untersuchen. Sollte der Nachweis gelingen, wäre es eine Sensation. Denn das „faszinierende und lange Zeit vernachlässigte Phänomen wäre dann weitaus mehr als eine sexuelle Kuriosität“, meint Moalem.