Reisen Ausländer in die USA, müssen sie Fingerabdrücke abgeben. Probleme gibt es nicht nur, wenn zum Abdruck Daten vorliegen, sondern auch, wenn kein Fingerabdruck verfügbar ist. So geschehen bei einem Krebspatienten. Ursache war ein Zytostatikum.
Visum-Antragsteller müssen bei Einreise an internationalen US-Flughäfen zwei Fingerabdrücke anfertigen lassen. Gesucht wird nach gespeicherten Daten. Damit gehen US-Behörden sicher, dass der Einreisende nicht etwa ein Visum unter anderem Namen besitzt oder gar ein gesuchter Krimineller ist.
Unbescholtene Bürger können auch Schwierigkeiten mit der Immigrationsbehörde bekommen, z.B. wenn sie gar keinen Fingerabdruck haben. So geschehen bei einem ahnungslosen 62-jährigen Mann aus Singapur, der lediglich seine Verwandten besuchen wollte.
Verwirrung auf beiden Seiten
Nachdem wiederholte Versuche scheiterten, einen verwertbaren Fingerabdruck abzunehmen, wurde der Mann vier Stunden lang aufgehalten. Erst dann gelang die Klärung des ominösen Falls: Bei dem Einreisenden handelte es sich um einen Patienten mit einem in Pleura, Knochen, Mediastinum und Bauchlymphknoten metastasierten Nasopharynxkarzinom und Chemotherapie. Nach einer Behandlung mit Cisplatin-5-Fluorouracil und annähernd kompletter Remission hatte der Patient über drei Jahre lang das Zytostatikum Capecitabin als Erhaltungstherapie erhalten. Unter der niedrig dosierten Behandlung entwickelte sich ein Hand-Fuß-Syndrom, heißt es in einer Beschreibung des behandelnden Arztes Eng-Huat Tan vom National Cancer Centre in Singapur in den Annals of Oncology.
Palmar-plantare Erythrodysästhesie nicht selten
Der Patient wies ein gering ausgeprägtes Hand-Fuß-Syndrom (palmar-plantare Erythrodysästhesie) des Stadiums II auf, das ihn in seinen täglichen Aktivitäten nicht einschränkte. Zu dem Syndrom kann es z.B. unter der Therapie mit verschiedenen Zytostatika wie Capecitabin, 5-Fluorouracil, Doxirubicin, Vinorelbin und Docetaxel kommen. Symptome sind gerötete, schuppende und in schwereren Fällen geschwollene und offene Hand- und Fußsohlen. Auch bei Patienten mit Sichelzellanämie ist das Syndrom bekannt.
Die genauen Entstehungsmechanismen des Syndroms sind unklar, auch Zahlen zur Inzidenz sind nicht eindeutig und unter verschiedenen Zytostatika offensichtlich unterschiedlich. Dr. Tan geht von bis zu 40 Prozent der Patienten unter Capecitabin-Behandlung aus. Auch wurde der Verlust von Fingerabdrücken als Merkmal des Syndroms bislang kaum beschrieben, ist aber nach Angaben des behandelnden Arztes unter manchen Patienten bekannt. Etwa ein Monat nach Absetzen der auslösenden Medikamente ist die Rückkehr der Fingerabdrücke zu erwarten.
Ärztliche Bescheinigung bewahrt vor Schwierigkeiten
Nachdem schließlich deutlich wurde, dass der Patient keine ernsthafte Sicherheitsgefahr für die USA darstellt, durfte er schließlich einreisen - allerdings nicht ohne die Anweisung, bei zukünftigen USA-Besuchen eine ärztliche Bescheinigung seines Onkologen mitzuführen, die den Verlust seiner Fingerabdrücke durch Diagnose und Therapie erklärt.
Der Fall könnte bei US-Behörden Argwohn hervorrufen. Schließlich kamen Kriminelle bereits wiederholt auf die Idee, sich ihrer Fingerabdrücke mit Sandpapier oder Säure zu entledigen. Da wäre ein Zytostatikum eine weitere Option. Aber die schwerwiegenden Nebenwirkungen von Zytostatika würden sich wohl auch nach den schwersten Verbrechen nicht lohnen.