Kleine Männer tragen ein erhöhtes Risiko, frühzeitig eine Glatze zu bekommen. Das zeigt eine Studie, in der Humangenetiker das Erbgut von 20.000 Männern untersuchten. Ihre Daten zeigen auch, dass frühzeitiger Haarausfall mit diversen Krankheiten in Zusammenhang steht.
Kräftig und glänzend soll sie sein. Und voll natürlich. Eine üppige Haarpracht auf dem Kopf gilt als Schönheitsideal. Gehen einem dagegen die Haare aus, dann kratzt das oft gewaltig am Selbstbewusstsein des Betroffenen. Dabei ist es ganz normal, Haare zu verlieren. In der Regel sind das etwa 100 pro Tag, im Frühjahr und Herbst, ähnlich wie bei Tieren mit Fellwechsel auch mal mehr. Und auch Stress kann dafür sorgen, dass Haare weniger werden. Im Grunde aber sind die Verluste so gering, dass sie durch die nachwachsenden Haare verdeckt werden und auf dem Kopf gar nicht erst sichtbar werden. Kritisch wird es jedoch, wenn die Haare in Massen oder Büscheln ausfallen. Zeigen sich beim Mann schon mit 30 Jahren tiefe Geheimratsecken auf dem Kopf, steckt vermutlich ein erblich bedingter Haarausfall dahinter, die androgenetische Alopezie. Die Haarwurzeln reagieren dabei wahrscheinlich genetisch bedingt überempfindlich auf ein Abbauprodukt des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, das Dihydrotestosteron (DHT). Außerdem enthalten die Haarwurzeln womöglich besonders viel von dem Enzym 5-alpha-Reduktase, das dafür sorgt, dass noch mehr DHT produziert wird. DHT jedoch lässt die Haarfollikel schrumpfen. Aus den verkümmerten Follikeln wachsen, statt kräftiger Haare, mickrige Härchen, die manchmal schon ausfallen, bevor sie überhaupt richtig aus der Haut gucken. Die Folge: Platte, Kranz, Glatze. Rund 70 Prozent der älteren Männer kennen das Problem.
Eine aktuelle Studie kommt zu dem Schluss, dass kleinen Männern und Hellhäutigen häufiger die Haare ausgehen. Stefanie Heilmann-Heimbach, Humangenetikerin von der Universität Bonn, und ihre Kollegen haben für die bisher größte Genstudie zu diesem Thema das Erbgut von mehr als 20.000 Männern aus sieben Ländern nach Risikofaktoren für frühzeitigen Haarausfall durchsucht. „Wir konnten so 63 Änderungen im menschlichen Genom identifizieren, die das Risiko für frühzeitigen Haarausfall erhöhen“, erklärt Stefanie Heilmann-Heimbach. Den Daten der Forscher zufolge beeinflussen einige Genvarianten jedoch nicht nur das Haarwachstum. Bestimmte Änderungen fördern auch einen früheren Pubertätsbeginn und das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen, wie Prostatakrebs. Außerdem haben die Forscher Verbindungen zu erhöhter Knochendichte gefunden, zu heller Hautfarbe und geringerer Körpergröße. „Männer mit frühzeitigem Haarausfall müssen nun aber nicht besorgt sein“, beruhigt Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik der Universität Bonn. „Die Risiken seien nur geringfügig erhöht. „Es ist jedoch spannend zu sehen, dass der Haarausfall keineswegs ein isoliertes Merkmal ist, sondern vielfältige Beziehungen zu anderen Merkmalen aufweist.“ Für die Wissenschaft sind solche Einblicke in die genetischen Ursachen von Haarausfall wichtig, die Behandlungsmöglichkeiten von Betroffenen verbessern sie vorerst jedoch nicht. Dabei ist die Nachfrage riesig. Zwar gibt es schon jetzt unzählige Mittelchen, die Hilfe verheißen. Doch halten die wenigsten, was sie versprechen. Forscher konnten weder Koffeinshampoos noch anderen Tinkturen aus dem Drogeriemarkt eine sichtbare Wirkung nachweisen. Laut Behandlungsleitlinie kommen zur Therapie des androgenetischen Haarausfalls sogar nur zwei Arzneistoffe infrage: Minoxidil und Finasterid. Die haarfördernde Wirkung von Minoxidil entdeckten Mediziner eher zufällig. Eigentlich sollte der Wirkstoff den Blutdruck von Patienten korrigieren. Einigen wuchsen durch die Behandlung jedoch mehr Haare. Heute ist Minoxidil, das ähnlich wie Koffein-Tinkturen in die Kopfhaut massiert wird, als Mittel gegen Haarausfall frei in der Apotheke erhältlich. Bei rund drei von zehn betroffenen Männern kann die Behandlung zu Besserungen führen. Doch von erfolgreicher Behandlung kann man wohl nicht sprechen, meist wächst nur ein minimaler Flaum.
Finasterid dagegen gibt es nur auf Rezept und nur für Männer. Die Tabletten verhindern, dass Testosteron in das haarschädigende DHT umgewandelt wird. Nach sechs bis zwölf Monaten zeigt sich bei rund vier von zehn Männern eine Besserung des Haarwuchses. Für eine schöne Haarpracht müssen einige Männer jedoch womöglich eine Potenzschwäche in Kauf nehmen. Einer aktuellen Studie zufolge könnten Erektionsprobleme sogar noch Monate oder Jahre nach dem Absetzen des Medikaments anhalten. Und nicht nur das: Im Arzneimittelbrief wird noch vor weiteren Nebenwirkungen gewarnt: „Finasterid ist einerseits nicht sehr wirksam, andererseits kann es zur Infertilität führen. Wir raten generell [...] von diesem ‚Kosmetikum‘ mit erheblichen potenziellen endokrinen Nebenwirkungen ab.“ Außerdem gilt: Wer oben herum schon glatt ist, kann draufschmieren, was er will, er kriegt seine Haarpracht nicht zurück. Nur wenn das Haar gerade beginnt lichter zu werden, lassen sich die Haarfollikel manchmal wieder anregen. Eine weitere Möglichkeit ist die Haartransplantation. Denn beim androgenetisch bedingtem Haarausfall, gehen nicht immer alle Haare aus. Häufig bleibt ein Haarkranz am Hinterkopf stehen. Werden einige dieser Haarwurzeln an lichter werdende Stellen verpflanzt, hat der Patient eine gute Chance, dass diese Wurzeln auch an ihrem neuen Platz Haare sprießen lassen. Der Dermatologe entnimmt dafür nach einer örtlichen Betäubung einen schmalen Hautstreifen vom Hinterkopf. Anschließend arbeitet er einzelne Haarwurzeln oder Haarwurzelgrüppchen aus dem Haarstreifen heraus und setzt sie an der gewünschten Stelle wieder in die Kopfhaut ein. Der Eingriff erfolgt in der Regel ambulant. Bis ein Ergebnis zu sehen ist, kann es jedoch einige Monate dauern. Auch eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Manchmal entstehen Narben, die Wunde entzündet sich womöglich oder die transplantierten Haarwurzeln werden abgestoßen.
Bevor Männer sich selbst therapieren oder einen OP-Termin vereinbaren, sollten sie sich gründlich untersuchen lassen. Denn die androgenetische Alopezie ist nicht der einzige Grund für schwindende Haare. Bei einem Kreisrunden Haarausfall fängt es mit einer oder mehreren runden kahlen Stellen an. Eventuell steckt eine Fehlsteuerung des Immunsystems dahinter. Der diffuse Haarausfall kann dagegen durch eine Schilddrüsenerkrankung hervorgerufen werden, Hormonumstellungen oder durch eine radikale Diät und dem damit einhergehenden Nährstoffmangel. Und schließlich können auch verschiedene Krankheiten die Haare ausfallen lassen, Lupus etwa, Pilzinfektionen oder eine Schuppenflechte. Wenn die Haare ausgehen, sollte man daher zuerst einmal abklären, an welcher Art von Haarausfall man überhaupt leidet.