Unter Protest von Chipkartenkritikern haben Österreichs Apotheker vor zwei Jahren fast im Verborgenen ihren elektronischen Arzneimittel-Sicherheitsgurt auf Basis der E-Card getestet. Jetzt wird das Projekt bundesweit ausgerollt – und bekommt positive Resonanz.
„Die perfekte Lösung für eine noch sichere Arzneimittelanwendung (…) einfach, unbürokratisch und sicher“: Wer als Teutone von nördlich der Alpen den Präsidenten der Österreichischen Apothekerkammer, Heinrich Burggasser, reden hört, der kommt aus dem Staunen kaum heraus. Was von dem bärtigen Chefapotheker der Österreicher da mit geradezu enthusiastischen Worten angepriesen wird, ist eine elektronische Arzneimitteldokumentation für die österreichischen Bürger – und zwar auf Basis einer Chipkarte, der vor drei Jahren eingeführten österreichischen E-Card. Man stelle sich angesichts der aktuell wieder einmal aufgeflammten Diskussionen um die deutsche eGK Vergleichbares aus dem Munde des ABDA-Vorstands oder gar von Ärztekammer-Chef Hoppe vor…
Alle drei Monate eine Arzneimittelwarnung
Anlass für die Begeisterung ist die kürzlich gefällte Entscheidung des österreichischen Gesundheitsministeriums, den so genannten elektronischen Arzneimittel-Sicherheitsgurt bundesweit unter dem neuen Label „E-Medikation“ auszurollen. Ende Juni wurde ein Lenkungsausschuss unter der Leitung des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherung und ein Beratungsausschuss aus Ländern, Bund, Ärzten, Krankenkassen und Apotheken konstituiert. Noch in diesem Jahr sollen die maßgeblichen Entscheidungen zur genauen Ausgestaltung fallen.
Für Nicht-Österreicher: Der Arzneimittel-Sicherheitsgurt war ein im Jahr 2007 in Salzburg aufgesetztes Pilotprojekt, bei dem die damals hoch umstrittene E-Card bei 9218 Patienten in 71 Apotheken als Grundlage für eine elektronische Arzneimitteldokumentation bei chronisch kranken Patienten mit umfangreichen Medikationslisten genutzt wurde. Zu dem Projekt, bei dem unter anderem Interaktions- und Doppelmedikations-Checks durchgeführt sowie die Compliance überwacht wurden, gab es eine Evaluation, deren Ergebnisse kürzlich vorgelegt wurden. Demnach generierte das System in anderthalb Jahren rund 26000 Warnungen, also etwa drei pro Patient. Bei den über 60-jährigen waren es sogar fünf pro Patient. Jede dritte dieser Warnungen wurde als relevant eingestuft. 41 Prozent davon betrafen Interaktionen. 31 Prozent waren Meldungen über Doppelmedikation. Und 18 Prozent der Warnmeldungen bezogen sich auf die Compliance.
Rezeptfreie Pillen machen oft Probleme
Für Burggasser belegen die Ergebnisse eindeutig die Bedeutung der individuellen Beratung in der Apotheke und das Potenzial einer E-Card-basierten Arzneimittelsicherheitsprüfung. „80 Prozent aller arzneimittelbezogenen Probleme wurden mit dem Apotheker vor Ort gelöst, indem die korrekte Anwendung der Arzneimittel und die richtige zeitliche Einnahme erklärt wurden und nach Absprache mit dem Arzt einzelne Präparate auch ausgetauscht wurden.“ Die E-Medikation mit ihren Sicherheitsprüfungen primär in der Apotheke, und nicht ausschließlich beim Arzt anzusiedeln, macht den Daten zufolge auch Sinn: „2287 relevante Interaktionsprobleme gingen ausschließlich auf rezeptfreie Arzneimittel zurück“, so Burggasser. Damit sei klar, dass die Kontrolle durch den Apotheker auch bei rezeptfreien Arzneimitteln notwendig sei. Meist ging es bei den Problemen im OTC-Bereich um einfache Schmerzmittel.
Verbessern statt blockieren
Mit der E-Medikation bekommt die österreichische E-Card die erste im engeren Sinne medizinische Anwendung. Zur Erinnerung: Die E-Card ist ein Online-System, bei dem sie Sozialversicherungsdaten in den Arztpraxen online auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Dagegen hatte es massive Proteste gegeben, die aber längst abgeebbt sind. Anders als deutsche eGK-Kritiker, die sich weiter in Totalopposition üben, haben sich die österreichischen E-Card-Kritiker zur konstruktiven Begleitung des Projekts entschlossen. Bei der Initiative ELGA ist man der E-Medikation gegenüber deswegen mittlerweile durchaus aufgeschlossen und verweist auch auf eigene Erfolge: „Es war in letzter Zeit eine bedeutende und wir meinen auch ehrliche Änderung in der Haltung und den Zielen von Politik und Verwaltung und insbesondere auch bei den Technikern zu sehen und zu spüren“, heißt es auf der Webseite der Initiative, die für sich das schöne Motto „… improvement never stops!“ gewählt hat.