Das radiologische Brustkrebs-Screening hat sich vielerorts durchgesetzt. Ist die Mammographie wirklich die beste Methode dafür? Einige Experten bestreiten das vehement und verweisen auf die MRT, die viel genauer sei. Doch das Establishment will davon nichts wissen.
Wenn die Radiologin Professor Christiane Kuhl von der Universität Bonn auf das Mammographie-Screening zu sprechen kommt, kann sie sich in Rage reden: Was da gerade passiert, ist wirklich unglaublich“, so Kuhl. Die Expertin hat vor zwei Jahren in der Fachzeitschrift The Lancet eine international vielbeachtete Studie vorgelegt: Über 7000 Frauen, die sich aus unterschiedlichen Gründen einer bildgebenden Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs oder zur Abklärung eines Brustkrebsverdachts unterziehen mussten, hat sie sowohl mittels Kernspin als auch mittels Mammographie untersucht. Der Unterschied war dramatisch: Während in der MRT – gemessen am Goldstandard Histologie – 92 Prozent der Brustkrebsfrühformen, so genannte duktale Carcinoma in situ (DCIS), erkannt wurden, waren es in der Mammographie nur 56 Prozent. Und aggressive DCIS wurden im Kernspin sogar zu 98 Prozent erkannt, gegenüber 52 Prozent in der Mammographie.
Doppelt so gut und ganz ohne Strahlen
„Kurz gesagt ist die MRT bei der Brustkrebsfrüherkennung fast doppelt so gut wie die Mammographie, und auch die Rate falsch positiver Patientinnen ist nicht größer“, so Kuhl. Das wurde nicht nur in Bonn gezeigt. Zahlreiche internationale Untersuchungen haben die Bonner Ergebnisse mittlerweile reproduziert. Mehr noch: Weil die Kernspinuntersuchung keine Strahlung benötigt, ist sie nicht nur besser, sondern auch noch sicherer als die Mammographie. Trotzdem werden die MRT-Daten in der deutschen Mammographie-Szene bisher weitgehend ignoriert. Weder bezahlen die Krankenkassen – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – eine MRT zu Früherkennungszwecken. Noch klären Radiologen, die Früherkennungsuntersuchungen durchführen, über die strahlungsfreie und qualitativ mindestens genauso gute Alternative auf. „Das ganze Thema wird im Moment komplett unter den Teppich gekehrt“, so Kuhl. „Das beste Beispiel dafür sind aktuelle Patienteninformationsblätter wie eines aus Marburg, in dem steht, dass die MRT zu Früherkennungszwecken nicht geeignet sei. "Davon kann nun wirklich überhaupt keine Rede sein“, betont die Expertin, die aus eigener Erfahrung weiß, dass das Interesse an der MRT zur Brustkrebsfrüherkennung in anderen Ländern sehr viel größer ist als in Deutschland
„Das Problem sind die Mikroverkalkungen“
Es gibt freilich auch stärker zurückhaltende Stimmen. Für Professor Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik der Universität Erlangen und Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie, ist die MRT zwar eine interessante Methode in der Brustkrebsfrüherkennung, aber noch längst nicht die Methode der Wahl. „Die MRT liefert bei jungen Frauen mit erblichen Brustkrebsformen und dichten Brüsten bessere Ergebnisse. Und hier wird sie von den meisten Krankenkassen auch anstandslos erstattet.“ Die MRT habe ferner ihren Stellenwert bei der Abklärung unklarer Befunde, also immer dann, wenn Mammographie und Sonographie divergierende Befunde aufweisen. Als generelle Methode zur Früherkennung könne das Verfahren derzeit dagegen nicht empfohlen werden, so Beckmann. „Das Problem sind die Mikroverkalkungen. Die sehen wir in der Mammographie eindeutig besser als im Kernspin.“ Mikroverkalkungen freilich sind ein Surrogatbefund. Wenn Sensitivität und Spezifität der MRT gemessen am Goldstandard Histologie höher sind als bei der Mammographie, dann können einem die Mikroverkalkungen eigentlich egal sein. „Ich weiß, dass es Kollegen mit einer anderen Auffassung von der Wertigkeit der MRT gibt. "Aber wir teilen diese im Moment nicht“, so Beckmann.
Wie nötig sind randomisiert-kontrollierte Studien?
Klar ist: Prospektive Studien, die wie bei der Mammographie eine Senkung der populationsbezogenen Brustkrebsmortalität nachgewiesen hätten, gibt es für die Brust-MRT noch nicht. „Es gibt auch keine randomisiert-kontrollierten Vergleichsstudien mit Langzeitnachbeobachtung zwischen MRT und dem aktuellen Standard Mammographie“, so Beckmann. Christiane Kuhl freilich hat starke Zweifel, ob das wirklich nötig ist: „Für die Mammographie haben wir solche Daten aus randomisierten Studien, und wir wissen, dass sie – trotz all ihrer Limitationen – bei Frauen, die an Brustkrebs erkranken, das Risiko, an diesem Brustkrebs zu versterben, im Mittel um dreißig Prozent senkt. "Und genau deswegen brauchen wir diese Studien für Sonographie und MRT nicht“, so die Expertin. Ihr Argument: Anhand der vorhandenen Daten zur Mortalitätsreduktion durch Screening-Mammographie könnten Epidemiologen ermitteln, wie viel zusätzliche Mortalitätsreduktion durch Sonographie oder MRT zu erreichen ist. Bleibt die Frage der Kosten und der Praktikabilität. Eine digitale Mammographie kostet 100 bis 200 Euro. Die MRT-Mammographie ist teurer: Um 400 Euro werden angegeben. Doch das muss natürlich bei einem flächendeckenden Einsatz nicht so bleiben. Hinsichtlich der Praktikabilität stellt sich die Frage, wie sich eine etwas längere Untersuchungsdauer von zehn statt zwei Minuten auf die Screening-Logistik auswirkt. Auch das ist letztlich unklar. Viele Fragen also, und viel Raum für Diskussionen.