Unspezifische Symptome und fehlende Hinweise in Labor und Bildgebung können die Diagnose der akuten Appendizitis insbesondere bei Kindern schwer machen. Im Urin jedoch stießen Proteomforscher des Children’s Hospital Boston auf einen hochsensitiven und –spezifischen Marker.
Eine Blinddarmentzündung kann leicht zur lebensbedrohlichen Erkrankung werden, wenn sie nicht erkannt und adäquat behandelt wird. Notfalloperationen, aber auch unnötige Blinddarmentfernungen kommen besonders bei Kindern häufig vor. 45 Prozent der Kinder mit diagnostizierter akuter Appendizitis weisen bereits eine Ruptur auf. Wenn auch sich die Diagnosemöglichkeiten durch Sonografie und CT erheblich verbessert haben, ist eine sichere Diagnose nicht immer möglich. Denn nicht immer sind entsprechende Geräte und geübte Untersucher verfügbar. Nachteil der CT-Untersuchung ist zudem die hohe Strahlenbelastung.
Detektivarbeit: Proteom mit Urin
Wie einfach wäre besonders bei Kindern ein Urintest, dachten schon mehrere Arbeitsgruppen und fahndeten nach spezifischen Proteinen, um die Entzündung nachzuweisen. Systematisch gingen die Sache Wissenschaftler um Hanno Steen vom Proteomic Center des Children’s Hospital Boston, Massachusetts, an. Sie entdeckten, dass das Leucinreiche alpha-2-Glykoprotein (LRG) bei erkrankten Kindern im Urin angereichert ist und zudem mit der Schwere der Entzündung korreliert. Ergebnisse veröffentlichten die Forscher vorab online in den Annals of Emergency Medicine.
Zunächst hatten Steen und Mitarbeiter zwölf Urinproben vor und nach der Appendektomie von sechs Patienten mit und sechs Patienten ohne Appendizitis gesammelt. Sie identifizierten 32 Kandidaten-Biomarker, von denen viele mit der Entzündung und der Immunantwort assoziiert sind. Zusätzlich interessant schienen 32 weitere Proteine, die bereits in anderen Studien mit der Erkrankung in Verbindung gebracht worden waren. In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler den Urin von 67 Kindern auf das Vorkommen der insgesamt 57 potenziellen Marker. 25 Kinder davon wiesen eine gesicherte Appendizitis auf.
Fast perfekte Sensitivität und Spezifität
Unter sieben identifizierten viel versprechenden Biomarkern, darunter Calgranulin A, das Akutphaseprotein Alpha-1-saures Glykoprotein 1 und LRG, erwies sich letzteres als am genauesten. Mit einem Area-under-the-curve-Wert von 0,97 ließ sich eine annähernd perfekte Sensitivität belegen, und falsch negative Diagnosen waren sehr selten. Hoch war auch die Spezifität. Stark erhöhte LRG–Werte im Urin fanden sich bei erkrankten Kindern, deren Appendix in der Bildgebung unauffällig erschien. Zudem korrelierte die Menge des LRG mit der Schwere der Appendizitis, die mit einer histologischen Untersuchung von Gewebeproben untersucht wurde.
Die Forscher bestimmten die Proteine im Urin mithilfe der Massenspektroskopie, die jedoch nicht in jedem Krankenhaus verfügbar ist. LRG-Untersuchungen sind aber auch mit anderen analytischen Verfahren wie etwa dem Immunoblot möglich, so die Autoren der Studie. Die Entwicklung eines Schnelltests etwa mit Teststreifen halten sie deshalb nach weiteren Studien an größeren Patientenzahlen für grundsätzlich möglich.
Die Teilnehmer der Studie waren ausschließlich Kinder. Inwieweit die Ergebnisse auf Erwachsene übertragbar sind, ist unklar. Möglicherweise finden sich in deren Urin andere Muster der Proteine. Dies und auch das Vorkommen von LRG im Urin bei anderen entzündlichen Erkrankungen muss in klinischen Studien überprüft werden.