Wer unter Migräne leidet, ist eigentlich gestraft genug. Migränepatienten, deren Schmerzattacke sich mit einer Aura ankündigt – am häufigsten Sehstörungen – können aber noch ganz andere Probleme bekommen. Denn ihre Form der Migräne ist mit Hirnläsionen assoziiert.
Etwa elf Prozent der Erwachsenen sind von Migräne gebeutelt. Vor allem Frauen sind betroffen. Bei einem Drittel der Fälle kündigt sich das Übel mit einer Aura an. Dies können verschiedene neurologische Symptome wie Störungen der Sensorik, Balance oder Sprache vor Schmerzbeginn sein. Meist sind es Sehstörungen. Die Migräne wird als episodische Erkrankung betrachtet, die keine Langzeitkonsequenzen nach sich zieht.
Dass die Erkrankung, besonders in Verbindung mit auftretender Aura, möglicherweise durchaus nicht ohne Folgen bleibt, ergaben gleich zwei jüngere Untersuchungen. So fanden sich bei Frauen mittleren Alters, die unter Migräne mit Aura litten, in späteren Jahren Hirnläsionen in MRT-Untersuchungen, die Patienten mit anderen Kopfschmerztypen nicht aufwiesen. Ergebnisse veröffentlichte das amerikanische Ärzteblatt. Läsionen traten vor allem im Kleinhirn auf.
Kleinhirnläsionen bei Frauen
Ann Sher der Uniformed Services University in Bethesda, Maryland, und Kollegen untersuchten die Beziehung zwischen Migränesymptomen in mittlerem Lebensalter und später auftretenden infarktähnlichen Hirnläsionen an 4.689 Frauen und Männern, die Teil der Age Gene/Environment Susceptibility-Reykjavik Study (AGES-RS) waren und zufällig aus den Geburtjahrgängen 1907 bis 1935 ausgewählt worden waren. Über 26 Jahre nach Beginn der Studie fertigten die Forscher MRT-Bilder an, erfragten die Krankengeschichte bezüglich Kopfschmerzen und ermittelten kardiovaskuläre Risikofaktoren.
In der MRT des Kopfes ließen sich bei 39 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen mit ein oder mehreren Migräneattacken pro Monat infarktähnliche Läsionen nachweisen. Nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Dauer der Nachbeobachtungszeit ergab sich für Patienten mit Migräne und Aura in der Mitte des Lebens ein erhöhtes Risiko für spätere Hirnläsionen (Odds Ratio 1,4). Dabei kamen Läsionen im Kleinhirn, nicht aber in anderen Hirnregionen, bei Frauen mit Migräne und Aura besonders häufig vor. 23 Prozent von ihnen wiesen solche Schäden auf, während dies nur 14,5 Prozent der Frauen ohne Kopfschmerzen waren. Auch nach Berücksichtigung kardiovaskulärer Risikofaktoren war das Risiko von Migränikerinnen mit Aura erhöht (Odds Ratio 1,9), was einen Zusammenhang mit kardiovaskulären Risikofaktoren nicht vermuten lässt.
Modifizierbarer Risikofaktor?
Bezüglich kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Migränepatienten kommen US-Forscher um Marcelo E. Bigal des Albert Einstein College of Medicine in New York allerdings zu anderen Ergebnissen. In ihrem in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlichten Review vermuten sie, dass die kortikale Streudepolarisierung als mutmaßliches Substrat der Aura möglicherweise direkt zu ischämischen Läsionen des Gehirns prädisponiert. Demnach weisen Patienten mit Migräne im Allgemeinen und Patienten mit Migräne und Aura im Besonderen häufiger kardiovaskuläre Risikofaktoren auf, weshalb Schlaganfälle und ischämische Ereignisse bei ihnen eher auftreten.
Nach Empfehlung der Autoren ist bei Migränepatienten mit Aura besonderes Augenmerk auf modifizierbare Risikofaktoren zu legen. Ob die Migräne mit Aura selbst als Risikofaktor für Herz und Kreislauf anzusehen ist, der präventiv etwa mit der Thrombozytenaggregationshemmung behandelt werden sollte, ist fraglich und sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.