„Das Rauchen macht dumm“, meinte Goethe. Ob er recht hat, ist unklar. Klar ist, dass Rauchen dem Hirn schadet, indem es zum Beispiel zerebrale Entzündungsprozesse auslöst, wie sie auch bei chronischen Hirnerkrankungen vorkommen – etwa bei Multipler Sklerose.
Debapriya Ghosh und Dr. Anirban Basu vom Indischen Nationalen Hirn-Forschungszentrum haben in ihren Laboruntersuchungen festgestellt, dass eine bestimmte Substanz im Tabak, das Prokarzinogen NKK (4-Methylnitrosamino-1-(3-pyridyl)-1-butanone) die Mikroglia-Zellen bzw. Immunzellen des Gehirns dazu provozierte, gesunde Nervenzellen zu attackieren. Die Studienergebnisse sollen in diesem Monat im „Journal of Neurochemistry“ veröffentlicht werden. NKK schadet nach den Experimenten der indischen Wissenschaftler zwar den Hirnzellen nicht direkt. Ghosh und Basu vermuten jedoch, dass das Prokarzinogen einen entzündlichen bzw. neuroinflammatorischen Prozess verursacht, der zu neuronalen Schäden führt. Darüber hinaus vermuten die Forscher, dass NKK sogar bei Passiv-Rauchern neuroinflammatorische Prozesse auslöst, da NKK auch in der Luft stark verräucherter Räume vorhanden ist.
Entzündungsprozesse auch beim Schlaganfall
Die über das Thema Rauchen hinausgehende Relevanz dieser Befunde ergibt sich daraus, dass chronisch neuroinflammatorische Vorgänge beteiligt sind an mehreren neurodegenerativen Erkrankungen, ausser an der Multiplen Sklerose etwa auch am Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer. Zudem werde angenommen, dass Entzündungsvorgänge auch die neuronale Schäden infolge eines Schlaganfalls verstärkten, erläutern Dr. Carmen Infante-Duarte von der Humboldt-Universität in Berlin und ihre Kollegin Professor Frauke Zipp, die unter anderem an der Charité und auch am Max Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin arbeitet. Sie empfehlen daher, bei der Suche nach neuen Therapien gegen diese Erkrankungen nicht allein degenerative, sondern verstärkt auch chronisch-entzündliche Prozesse zu berücksichtigen.
Statine vielleicht eine Option
Zu den Substanzen, die das Forschungs-Interesse geweckt haben, zählen zum Beispiel die Statine, etwa zur Therapie von Patienten mit Multipler Sklerose (MS). Die pharmakologische Rationale dafür ist, dass Statine auch im Gehirn antioxidativ wirken und so jene neuronalen Schäden verhindern können, die über Mikroglia-Zellen vermittelt werden. In kleinen Studien mit MS-Kranken sind auch schon positive Ergebnisse erzielt worden. Dass aber auch hier wie generell zwischen Forschung und klinischer Praxis eine große Kluft ist, lässt unter anderen eine wissenschaftliche Studie vermuten, die vergangenes Jahr erschienen ist. Die Autoren der in „Neurology“ publizierten Studie hatten MS-Kranke mit dem Statin Atorvastatin und subkutanem Interferon-beta-1a, einem üblichen MS-Medikament, behandelt. Das Ergebnis war negativ: Kernspintomografisch wie klinisch nahm die Krankheitsaktivität zu.
Der Weg ist noch lang
Noch sehr viel Forschungsarbeit ist sicher auch bei einer Gruppe von Substanzen notwendig, die ebenfalls antiinflammatorisch wirken. Die Rede ist von Flavonoiden, also pflanzlichen Metaboliten, die in Obst und Gemüse sowie Wein, Kakao und Tee vorkommen. Trotz vieler experimenteller Befunde zur neuroprotektiven Wirkung von Flavonoiden ist aber auch hier der Weg noch weit bis zu Medikamenten, die bei chronisch neuroinflammatorischen Erkrankungen unstreitig wirksam sind oder gar die zerebrale Leistungskraft stärken.