Krise hin, Krise her: Auch in diesem Jahr werden Tropen und Subtropen wieder überquellen von wärmehungrigen Teutonen. Pharmazeutische Beratung in Sachen Reisediarrhoe ist da unverzichtbar. Im Angebot sind mehrere Prophylaxe-Strategien.
Schon richtig, im Moment redet alle Welt über die Schweinegrippe. Doch wenn nicht alles täuscht, wird auch in dieser Urlaubssaison rein quantitativ gesehen wieder der Reisedurchfall das dominierende Thema in Sachen Gesundheit unterwegs sein. Jeden zweiten bis dritten Reisenden in die Tropen oder Subtropen erwischt es, schätzen Tropenmediziner. Besonders verschrien ist Ägypten, wo sich die Ausscheidungen bei bis zu 80 Prozent der Besucher zumindest ändern. In einer Untersuchung, die der Gastroenterologe Professor Thomas Weinke aus Potsdam kürzlich beim Forum Reisen und Gesundheit in Berlin vorgestellt hat, waren 55 Prozent aller Kenia-Reisenden und 53 Prozent aller Indien-Reisenden durchfällig.
Vorbeugen ist besser als abputzen
Klar ist: Auf Reisedurchfall lässt sich gut verzichten. Aber Hand aufs Herz: Wer schaffte es schon, die bekannte Globetrotter-Regel für Frischware und Wasser („cook it, boil it, peel it, or forget it“) auch nur ansatzweise in die Realität umzusetzen? Medikamentöse Vorbeugungsstrategien sind da schon leichter einzuhalten. „Hundertprozentigen Schutz gibt es aber natürlich nicht“, betonte Privatdozent Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin (CRM).
Prophylaktisch wirksam gegen Reisediarrhoe sind in erster Linie Saccharomyces- und Tanninalbuminat-Präparate sowie die gängigen Darmprobiotika. All das ist rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Saccharomyces gibt es in diversen Varianten. Neben dem bekannten Perenterol enthalten auch Perocur, Yomogi und andere Präparate den Hefepilz. Tannin-Eiweiße sind unter anderem in Tannacomp und Tannalbin enthalten. Für die Durchfallprophylaxe empfehlen Reisemediziner in der Regel eine Tablette morgens und eine abends. Wenn der Darm dann doch Probleme macht, kann auf die therapeutische Dosis von bei den meisten Präparaten zwei Tabletten morgens und abends erhöht werden.
Einen gewissen prophylaktischen Effekt hat bei der Reisediarrhoe auch die Cholera-Impfung Dukoral, wobei die Meinungen darüber auseinandergehen, wie forciert man diese Impfung zur Prophylaxe der Reisediarrhoe empfehlen sollte. In einigen Ländern ist sie dafür jedenfalls zugelassen. Fakt ist, dass das Cholera-Toxin dem Toxin des wichtigsten Erregers der Reisediarrhoe, enterotoxische Escherichia coli (ETEC), stark ähnelt. Das führt dazu, dass die Durchfallrate in Studien durch die Impfung um etwa 45 Prozent reduziert wird. Tomas Jelinek vom CRM sieht die Sache positiv: „Ich würde nicht so weit gehen wie in Schweden, wo die Choleraimpfung wegen des ETEC-Effekts als Reiseimpfung grundsätzlich empfohlen wird. Aber bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, bei Individualreisenden oder bei Reisen in Hochrisikogebiete halten wir die Impfung für sehr sinnvoll.“
Die fiesen ETECs: Bald auch zum Aufkleben!
Möglicherweise ist der Umweg über die Cholera-Impfung demnächst ohnehin nicht mehr nötig. Denn seit einiger Zeit laufen Untersuchungen zu einem Impfpflaster, das mit den Toxinen der ETECs beschichtet ist. Diese Toxine werden langsam über die Haut an den Körper abgegeben und führen so zu einer protektiven Immunreaktion. Kürzlich gab es erste Daten aus einer Phase II-Studie mit rund 180 Probanden auf Reisen, bei denen entweder zweimal per ETEC-Pflaster oder aber per Placebo-Pflaster „geimpft“ wurde (Lancet 371:2019ff). Ähnlich wie bei der Cholera-Impfung wurde die Rate an ETEC-Durchfällen von 10 Prozent auf 5 Prozent halbiert. Die Inzidenz irgendeiner Form der Reisediarrhoe reduzierte sich von 22 auf 15 Prozent.
Was tun, wenn es zu spät ist?
Wenn es trotz aller Vorsicht doch passiert, ist die orale Rehydratation für die große Mehrheit der Betroffenen völlig ausreichend. Womit das am besten gemacht wird, ist letztlich Sache der individuellen Vorliebe. Kunden, die gerne das Gefühl haben, ein Arzneimittel zu nehmen, sind mit den kommerziellen Trinklösungen beziehungsweise Granulaten gut bedient. Mit Tee, Salz und Zucker geht es aber auch. Für akute Notsituationen eignet sich heute wie seit Jahrzehnten Loperamid, wenn die bekannten Kontraindikationen und die maximale Einnahmedauer von zwei Tagen beachtet werden. Neu und sicher oft sinnvoll ist das Stand-by-Antibiotikum Rifaximin, das ausschließlich im Darm wirkt. Es reduziert die Zeit bis zum letzten ungeformten Stuhl um mehr als einen Tag.