Sie gehen zehntausendfach über den HV. Nur helfen tun sie nicht: Ein neuer Cochrane-Review jedenfalls fand kaum Anhalt für die Wirksamkeit von Schmerzsalben auf Basis von Salicylaten. Aber „wirken“ und „gut tun“ sind bekanntlich zwei Paar Stiefel…
Viele Sportler schwören darauf. Und nicht wenige gehen „ohne“ gar nicht erst aus dem Haus, geschweige denn auf den Platz. Die Rede ist von schmerzlindernden Salben gegen Beschwerden am Bewegungsapparat. Mobilat ist hier zu Lande der berühmteste Vertreter dieser im OTC-Bereich angesiedelten Therapiegattung. Schmerzlindernde Salben enthalten oft Salicylate. Die finden, so zumindest eine These, via Massage oder Salbenverband ihren Weg durch die Haut, um dort dem schmerzenden Muskel auf dem Umweg über eine Prostaglandinhemmung sanfte, aber effektive Linderung zu verschaffen. Eine andere These besagt, dass die Salben dadurch, dass sie irritativ auf die Haut wirken, gewissermaßen einen Gegenschmerz erzeugen, der den eigentlichen Muskelschmerz neurophysiologisch überdeckt.
„The evidence is not robust“
Wie dem auch sei, es funktioniert leider überhaupt nicht. Behauptet zumindest Paul Matthews vom St. Hugh’s College der University of Oxford. Zusammen mit Kollegen der Klinik für Anästhesie und Schmerzforschung hat Matthews einen Cochrane-Review verfasst, für den er die existierende wissenschaftliche Literatur zu Mobilat und Co einer genaueren Analyse unterzogen hat. Das Ergebnis ernüchtert, wobei die Datenlage insgesamt relativ überschaubar ist. „The evidence is not robust“, wie es Matthews in britischem Understatement ausdrückt. Er fand für den Akutschmerz sechs placebokontrollierte Studien zu salicylathaltigen Cremes, außerdem eine Studie mit aktiver Vergleichstherapie. Beim chronischen Schmerz waren es sieben placebokontrollierte Studien plus zwei mit aktiver Vergleichstherapie. Schon die Zahlen deprimieren. An den sechs Studien zum Akutschmerz nahmen insgesamt 560 Patienten teil. Und an den sieben Studien zum chronischen Schmerz waren es sogar nur 489. Da können eigentlich gar keine robusten Daten rauskommen
Und so war es dann auch: Wenn nur die Studien von besserer Qualität berücksichtigt wurden, fand sich beim Akutschmerz kein signifikanter Unterschied zwischen Salicylat-Salben und Placebo-Salben. Nur dann, wenn auch die handwerklich missglückten Arbeiten mit einbezogen wurden, gab es einen dezenten Effekt mit einer Number Needed to Treat (NNT) von 3. Beim chronischen Schmerz war ebenfalls ein geringer Effekt nachweisbar, mit einer für diesen Zweck allerdings indiskutablen NNT von 6. Die Daten aus den Studien mit aktiven Vergleichstherapien waren sowohl für den akuten als auch für den chronischen Schmerz zu schlecht, um überhaupt irgendwelche Aussagen treffen zu können. „Es gibt sicherlich effektivere Therapien, die man speziell beim chronischen Schmerz einsetzen könnte“, betont Matthews.
Was heißt schon helfen, wenn es gut tut?
Matthews legt Wert darauf, dass die Daten zu den Salicylat-Cremes nicht einfach auf andere schmerzlindernde Cremes übertragen werden können. So gibt es Salben, die Diclofenac oder auch topische Anästhetika enthalten. „Damit werden wir uns in einem weiteren Review befassen, der gerade fertig gestellt wird“, so Matthews. Grundsätzlich stellt sich natürlich bei solchen Untersuchungen immer ein wenig die Frage nach der Relevanz des Untersuchungsergebnisses. Wenn hunderttausende Sportler in aller Welt meinen, dass Mobilat und Co helfen, dann lassen sie sich davon vermutlich von einem Schreibtisch-Theoretiker nicht unbedingt abbringen. Zumal sie ohnehin selbst dafür bezahlen.
Diskutieren kann man sicher auch darüber, ob das, was die Studien messen, wirklich das ist, was die Nutzer mit „Wirkung“ meinen. Es gibt da ein schönes Beispiel in einem verwandten Kontext: Im Jahr 2004 haben Wissenschaftler des Karolinska Instituts im American Journal of Sports Medicine (32, 1499ff) in Stockholm eine Studie publiziert, in der sie untersucht haben, ob eine Massage nach dem Sport gut für die Muskelfunktion ist oder nicht. Die Freizeitsportler in dieser Untersuchung wurden mehrfach einer ordentlichen Quadriceps-Belastung ausgesetzt und danach an einem Bein massiert, am anderen nicht. Es gab keinen Unterschied beim Verlust der Muskelkraft und bei der Muskelfunktion. Trotzdem wird kaum jemand, der entsprechende Erfahrungen schon einmal selbst gemacht hat, bestreiten wollen, dass eine Massage nach dem Sport besser ist als keine Massage nach dem Sport. Konsequenterweise lassen sich Fußballer auch fünf Jahre nach Karolinska noch auf dem Platz massieren. Könnte sein, dass es Mobilat und Co ähnlich geht…