Irgendwie hängen Kaffee und Kopfschmerz zusammen. Nur wie weiß kein Mensch. Eine Studie aus dem tendenziell kaffeesüchtigen Skandinavien wirft jetzt neue, verwirrende Daten in die Debatte. „Heavy Drinker“ haben zwar öfter mal Kopfweh, aber viel seltener Dauerbeschwerden.
Das schwarze Gold der Genussmittelindustrie hat für Forscher nichts von seinem Reiz verloren. So einiges wurde da schon zusammen getragen: Kaffee hat anerkanntermaßen akut analgetische Effekte. Nicht umsonst ist Koffein Bestandteil diverser Kombinationsschmerzmittel. Kaffeeentzug hingegen kann seinerseits Kopfschmerzen verursachen, die meist rasch wieder abklingen. Gute Daten dazu lieferte eine randomisiert-kontrollierte Studie mit intensiven Kaffeetrinkern aus dem Jahr 1992 (New England Journal of Medicine 327: 1109-1114). In der Gruppe, in der der Kaffee „abgesetzt“ wurde, entwickelten 52 Prozent der Teilnehmer moderate bis schwere Kopfschmerzen innerhalb der ersten zwei Tage. In der Gruppe, in der die Teilnehmer (placebokontrolliert und doppelblind) weitertrinken durften, waren es nur sechs Prozent.
Schwieriger zu evaluieren ist der unmittelbare Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und Kopfschmerz, vor allem deswegen, weil beides extrem weit verbreitet ist. Umfangreiche populationsbasierte Daten liefert jetzt der Neurowissenschaftler Knut Hagen von der Abteilung Neurologie am nationalen norwegischen Kopfschmerzzentrum in Trondheim. Er hat im Journal of Headache and Pain die Resultate einer Studie mit dem schönen Namen Head-HUNT publiziert (10:153-159). Die Untersuchung ist Teil des Nord-Trøndelag Health Survey, einer regionalen Querschnittstudie, bei der 50000 von 92000 Bewohnern der norwegischen Region Nord-Trøndelag per Fragebogen Auskunft über Gesundheitszustand und Lebensgewohnheiten gaben.
Kaffeeverbot könnte Kopfschmerz killen
Dabei wurden neben vielen anderen Dingen mögliche Kopfschmerzen und der Kaffeekonsum detailliert abgefragt. Beim Kaffeekonsum gab es am Ende vier Quartile: Vieltrinker im obersten Quartil konsumierten mehr als 540mg Koffein pro Tag, also mehr als sechs Tassen aufgebrühten Kaffees. Ganz unten lagen die Wenigtrinker mit maximal 240mg pro Tag, also bis zu zweieinhalb Tassen. Für die Endauswertung wurden die Korrelationskoeffizienten um eine ganze Reihe von Störgrößen bereinigt. So wurden die Effekte von Zigarettenrauch, der die Halbwertszeit von Kaffee deutlich verringert, genauso heraus gerechnet wie die Effekte oraler Kontrazeptiva, die die Koffein-Plasmaspiegel ansteigen lassen.
Nach Adjustierung für diese und andere Faktoren gab es einen leichten, aber statistisch dennoch signifikanten Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Kopfschmerz: Bei den Vieltrinkern im obersten Quartil lag die Kopfschmerzprävalenz bei 42,2 Prozent und damit um relativ 13 Prozent höher als im untersten Quartil, wo 39,8 Prozent zumindest einmal in den letzten zwölf Monaten Kopfschmerzen gehabt hatten. „Obwohl der Effekt nicht stark ausgeprägt ist, hätte eine Verringerung des Kaffeekonsums unseres Erachtens einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtzahl von Kopfschmerzpatienten, weil Kopfschmerz und Kaffeekonsum so weit verbreitet sind“, betont Hagen.
Gut oder böse, das ist hier die Frage…
Leider – aus Sicht derer, die einfache Erklärungen lieben – zeigen die Daten noch etwas anderes. Zwar ist der geschilderte Zusammenhang eindeutig nachweisbar. Es gibt aber einen genauso prononcierten negativen Zusammenhang zwischen ausgeprägtem Kaffeekonsum und chronischen Kopfschmerzen. Im Vergleich mit den Wenigkonsumierern hatte die Gruppe der Vielkonsumierer ein um signifikante 18 Prozent niedrigeres Risiko, mehr als 14 Tage pro Monat Kopfschmerzen zu haben. Mit anderen Worten: Passionierte Kaffetrinker haben auf ein Jahr gerechnet zwar häufiger gelegentlich Kopfschmerzen. Sie haben aber seltener ständig Kopfschmerzen.
Das gibt den Wissenschaftlern zu knabbern, denn so richtig erklären können sie diese Beobachtung nicht. Eine These wäre, dass Menschen, die sonst zu chronischem Kopfschmerz neigen würden, dank regelmäßigem Kaffeekonsum mit all seinen analgetischen Wirkungen zu Gelegenheitspatienten werden. Der Kaffee wäre dann quasi die unbewusst eingenommene Kopfschmerztablette. Eine andere, entgegengesetzte Erklärung wäre, dass Patienten mit chronischem Kopfschmerz bewusst oder unbewusst weniger Kaffee trinken als andere, weil Kaffee die Symptome verstärkt. In einer Querschnittuntersuchung wie der Head-HUNT-Studie würde das dann so aussehen, als ob Vieltrinker seltener chronischen Kopfschmerz hätten, ohne dass es da einen kausalen Zusammenhang gäbe.