Die Pharmazeutische Zeitung hat eine Artikelserie zu evidenzbasierten OTCs vorzeitig beendet. Gab es Ärger mit den Anzeigenkunden? Lag es am Desinteresse der Apotheker? Der Verband der Pharmazeuten ist alarmiert: „Wir brauchen unabhängige Informationen, um gut zu beraten.“
„Wir waren begeistert, als die Pharmazeutische Zeitung (PZ) im November 2015 diese Serie ins Leben gerufen hat“, sagt Viktoria Mühlbauer vom Vorstand des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP). „Darin ging es um die Aufarbeitung der Evidenz zu OTC- Präparaten, bei der man sämtliche verfügbaren wissenschaftlichen Daten anschaut.“ Zehn Titelgeschichten seien geplant gewesen – doch nach sechs Artikeln sei nichts mehr gekommen. Was war passiert? „Wir haben daraufhin die PZ angeschrieben und nachgefragt, was denn der Grund dafür sei“, sagt Mühlbauer. Die Antwort des Chefredakteurs Daniel Rücker: „Zeitschriften wie die PZ sind nach unseren Erfahrungen mit der Serie wegen eines nicht auflösbaren Interessenkonflikts ungeeignet, OTC-Arzneimittel zu bewerten. OTC-Anzeigen sind eine wesentliche Einnahmequelle der PZ. (...) Es gibt schon einzelne OTC-Hersteller, die schnell dabei sind, mit der Stornierung von Anzeigen zu drohen.“
Mühlbauer ist nicht einverstanden. „Wir möchten nicht, dass es so wirkt, als würden wir es dem Chefredakteur der PZ zur Last legen, was da passiert ist. Aber wenn ich als Apothekerin Patienten beraten möchte, ganz besonders in der Selbstmedikation, dann brauche ich das Wissen um die Präparate. Es ist essenziell, dass ich als Fachfrau darüber Bescheid weiß, und das geht unserer Ansicht nach nur durch unabhängige Information.“ Der VdPP richtete einen Offenen Brief an die Standesvertretung ABDA. Darin fordert er die Vereinigung auf, das Standesorgan der Apothekerschaft PZ in die Lage zu versetzen, wissenschaftlich unabhängig und neutral berichten zu können und alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Die ABDA reagierte gelassen: Die Redaktion sei in ihrer Berichterstattung unabhängig, umso mehr im Kontext der Entscheidung, die Artikelserie durchzuführen und sie später aus einer Reihe verschiedener Gründe wieder zu beenden. Sie sehe auch keine Veranlassung für eine Diskussion über alternative Finanzierungsmöglichkeiten für die PZ, welche in ihren Augen kaum realistisch wären. Die Serie war ein Versuch, der gescheitert ist, sagt Rücker. Allerdings sei nicht allein die Reaktion der Hersteller entscheidend gewesen: „Es gab durchaus Gegenwind von pharmazeutischen Unternehmen. Manche wünschen sich, dass ihre Präparate positiver dargestellt werden, als es die Datenlage hergibt. Doch es war nicht so, dass wir die Serie hätten einstellen müssen. Wir haben nach sechs Folgen aufgehört."
Die Resonanz sei insgesamt nicht gut gewesen, so der Chefredakteur. „Wir hatten erwartet, dass die Serie eine größere Aufmerksamkeit unter Apothekern erzeugt und es sie sehr stark interessiert, welche OTC-Arzneimittel tatsächlich erwiesen wirksam sind und welche nicht. Das war nicht der Fall.“ Später hätten ihm viele Apotheker gesagt, man müsse Medikamente nicht überprüfen, wenn sie zugelassen und deshalb wirksam seien. Andere meinten, die Artikel würden ihnen die Medikamente schlecht machen, die sie verkauften. „Dazu kommt, dass unsere beiden Autorinnen sehr hohe Ansprüche hatten an die Evidenz von OTC-Arzneimitteln“, so Rücker. „Sie wollten zeigen, dass nicht alles, was auf dem Markt ist, auch gut ist.“ Auf diesem Niveau habe keines der Arzneimittel wirklich gut abgeschnitten: „All das führt natürlich zu Konflikten.“ Das Ergebnis: Apotheker sind weniger gut informiert, als sie sein könnten. „Wir sind davon überzeugt, dass wir unabhängige Informationen brauchen, um gut beraten zu können“, sagt Mühlbauer. Diese Diskussion wolle der VdPP anregen. Bisher fehle das Bewusstsein, sowohl in der Standesvertretung als auch im Berufsstand, dass nur unabhängige Medien auch unabhängig informieren: „Es ging nach unserem offenen Brief ja kein großer Schrei durch die Menge.“