Da ich selbst in Rumänien studiere und jeder hier im Sommer ein 4-wöchiges Praktikum absolvieren muss, entschied ich mich, es hier in Cluj-Napoca zu machen. Ich landete in der Notaufnahme, obwohl ich bis jetzt eigentlich keine Affinität dazu hatte. Obwohl diese Disziplin in Rumänien noch recht jung ist, gibt es das hier schon.
Die Notaufnahme von Cluj ist die einzige weit und breit. Die Menschen wohnen auch schon mal einige Kilometer weiter weg und kommen „angereist“. Sie ist auch die Ausbildungsstätte der S.M.U.R.D.-Einheiten, welche ausschließlich Medizinstudenten zu Paramedics ausbilden. Gerade deshalb ist man eigentlich nie allein, auch wenn man in der Nacht arbeitet. Als Student kann man sich aussuchen, wann man an dem jeweiligen Tag arbeiten will. Das hat sich als wirklich praktisch erwiesen, denn so konnte man kurzfristigen Einladungen von Freunden immer zusagen.
Arbeitsstunden
Als Arbeitszeit habe ich dort vor allem die Nachtstunden lieben gelernt, denn dann sind wesentlich weniger Studenten da und damit auch mehr Arbeit für jeden Einzelnen. Am Besten verabredet man sich mit rumänischen Studenten zu dieser Schicht, dann wird es nie langweilig und man kann umso mehr lernen. Die Studenten sprechen allesamt ein super Englisch und sind Ausländern gegenüber sehr herzlich und offen. Was noch viel wichtiger ist: sie übersetzen einem alles, was die Ärzte sagen, falls man es nicht verstanden hat und spielen sogar manchmal Dolmetscher.
Abteilung
Die Notaufnahme ist in 3 Bereiche unterteilt: einer für leichte Fälle, einer für sehr schwere Fälle und ein Wiederbelebungssaal. Außerdem gibt es noch ein Nähzimmer, ein Beobachtungszimmer und eine Art Ausnüchterungszimmer. Die Ausstattung: In der Notaufnahme ist der Unterschied zu Deutschland nicht so groß und teilweise erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Auffällig und gewöhnungsbedürftig ist, dass der Gebrauch von Handschuhen beim Blutabnehmen nicht sehr weit verbreitet ist. Auch gibt es nicht immer Handschuhe in der entsprechenden Größe. Nach ein paar Tagen habe ich deshalb immer einige von zu Hause mitgebracht und in die Tasche gestopft. Auch mit dem Sterilium ist es hier etwas mau. Pro Raum (siehe oben) gibt es ca. einen Manugelspender. Dieser wird aber nicht sooo häufig benutzt, hier waschen sie sich eher mit normaler Seife die Hände.
Aufgaben
Die Hauptaufgaben für Studenten (auch für uns „Ahnungslose Erstis“) sind eigentlich EKGs schreiben und Blutabnehmen bzw. Zugänge legen. Leider sprechen nicht so viele Ärzte Englisch, bzw. ziemlich viele sind davon überzeugt, dass es dermaßen schlecht sei, dass sie sich nicht trauen, obwohl es völlig ausreicht. Vor allem die medizinischen Begriffe sind aber recht gleich, sodass man auch aus dem Rumänischen oft etwas heraushören kann. Diejenigen Ärzte, die englisch sprechen, nehmen sich aber die Zeit um z.B. zu erklären, warum und wie man die erste Sonografieuntersuchung macht und was man alles sehen kann, bzw. wie es aussähe, wenn es pathologisch wäre. Diese kleinen Lehreinheiten werden dann auch gerne zur Wissensabfrage genutzt. So ist es immer empfehlenswert, vor allem gut über die Pouches, Liver und Gallbladder Bescheid zu wissen. Natürlich sieht man hier auch wirklich kuriose Sachen, wo ich mir zugegebenermaßen das Lachen verkneifen musste. Manchmal kamen Menschen in die Notaufnahme um einfach nur eine Zecke entfernt zu bekommen! Weil… (Zitat aus einer Erklärung eines rumänischen Studenten) „Die Leute wissen hier einfach nicht so genau wie das geht, und sie haben Angst davor, dass der Kopf stecken bleibt. Deswegen kommen sie lieber gleich her, bevor es schief geht“.
Gleich an meinem zweiten Tag wurde ich von einer Ärztin etwas entrüstet gefragt: “Where is your gun?“. Wahrscheinlich habe ich sie ziemlich ahnungslos fragend angeschaut, sodass sie dann hinterher geschoben hat: „The gun of a doctor… the stethoscope!“. Natürlich hatte ich es nicht dabei, schließlich dachte ich, dass wenn ich eh nicht damit umgehen kann, ich es auch nicht mit mir mitschleppen bräuchte… aber weit gefehlt. Also war es ab da an immer mit dabei, und nach und nach wurde auch mal gesagt, horch mal hier… horch mal dort… hier kannst du dieses Geräusch hören (z.B. Aortenstenosis)… hier jenes. Klar wusste ich am Anfang nicht wirklich was genau ich jetzt da hören sollte und auf Grund der schlechten (seiner Meinung nach) Englischkenntnisse wurde das dann einfach mal nachgeahmt, so dass jeder Trottel das erkennen musste. Man sieht, die Verständigung war manchmal originell und experimentell, aber durchaus verständlich.
Als Arbeitsbekleidung trägt man hier „Scrubs“ ohne Kittel. Darüber kann man auch wirklich froh sein, denn selbst in den Scrubs schwitzt man an manchen Tagen. Nicht auszudenken wie man schmelzen würde, wenn Kittelpflicht bestünde. Allerdings ist es auch zugegebenermaßen schwieriger, am Anfang den Unterschied zwischen Docs und Krankenpflegepersonal zu erkennen.
Kontakt zu dem dort arbeitenden Personal
Wie man sicherlich bis jetzt raus hören konnte, sind die Studenten super hilfsbereit und nett. So wurde auch nach ein paar Tagen eine neue Tradition eingeführt, dass alle „foreigners“ mit zum Basketballspielen in den Park kommen müssen. Zu den Ärzten hat man einen lockeren Kontakt, auch wird man hier nicht jemandem zugewiesen wie in Deutschland, sondern kann sich durch alle Einheiten frei bewegen. Zu den Krankenschwestern/pflegern und Transporteuren bekommt man schnell einen guten Kontakt, weil die Schwestern und Pfleger meistens ein gutes Englisch sprechen und gut und viel erklären. Außerdem lieben sie es, wenn man versucht Rumänisch zu sprechen, egal wie langsam oder falsch, der Versuch zählt.
Meine 3 eindrücklichsten Erfahrungen
Wenn man sich wirklich gut anstellt und natürlich Glück mit dem Arzt hat, dann kann man hier Erfahrungen sammeln, die einem keiner mehr nehmen kann. Z.B. durfte ich eine Kopfplatzwunde am Occipital mit 6 Stichen und eine Schnittwunde in der „anatomical snuffbox“ mit 5 Stichen nähen. Durch die hervorragende Anleitung war das Betäuben und Nähen wirklich leicht und der Chirurg sowie Patient ausgesprochen zufrieden.
Die „Geräuscherklärung“ der Aortenstenosis mit anschließender Überprüfung am Patienten gehörte auch dazu. Ein anderes Mal saß ich mit zwei rumänischen Studentinnen um 4 in der Früh auf einer dieser Akutbetten herum und unterhielten uns. Als von einer Dame gerade der ganze Boden geputzt wurde und wir damit auf dem Bett gefesselt waren (hier läuft man durch frisch geputztes Gefilde NIEMALS durch, außer man will einen großen Streit mit den entsprechenden Personen haben), kam eine Krankenschwester aus dem Bereich für schwere Fälle gelaufen und sagte sie müsse uns dringend ausleihen. Klar gab das ne große Diskussion mit jener Dame, und dass das jetzt nicht ginge, es sei frisch geputzt und dass sie das jetzt nicht noch mal putzen würde. Da nahm die super nette Krankenschwester kurzerhand den Mop, scheuchte uns in den anderen Bereich und putze unsere Spuren hinter uns weg, damit wir die Herzdruckmassage (CPR) miterleben bzw. mithelfen konnten (hier hat jeder Medizinstudent im ersten Jahr bereits das Fach Erste Hilfe). Zuerst haben wir beatmet und nachdem die Patientin mehrere Herzstillstände erlitten hatte und nochmaliger genauer Erklärung der CPR durften wir mit wiederbeleben. Leider ist die Patientin nach weiteren geglückten CPRs und darauf folgenden Herzstillständen gestorben.
Mein Praktikum in der Notaufnahme war empfehlenswert. Ich durfte großartige Erfahrungen sammeln, viel machen und super nette Leute kennen lernen. Was will man mehr, vor allem nach dem 1. Jahr Medizinstudium?