Das bundesweite Entsorgungssystem für Altmedikamente ist zusammengebrochen. Apotheker könnten künftig auf den alten Pillen ihrer Patienten sitzen bleiben – sofern sie sie weiterhin annehmen. Oder bringt Big Pharma die Lösung?
Wir kennen das vom Gelben Sack. Zwei Wochen lang stapeln wir einen Haufen scheinbar nutzloser Joghurtbecher in diesen Beutel aus viel zu dünnem Plastik. Dann kommt irgendwann ein großes Auto, nimmt den zu diesem Zeitpunkt oft schon leicht müffelnden Sack mit und will dafür – anders als die Stadtreinigung – nicht einmal Geld haben. Tolle Sache also.
Nicht mehr so leicht: Geld verdienen mit dem Müll der anderen.
So ähnlich war das bisher auch bei den Altarzneimitteln in Apotheken. Der Entsorger Vfw Remedica hatte mit den Landesapothekerkammern Verträge abgeschlossen, die besagten, dass ersterer den Tablettenschrott der Apotheken abzuholen habe, ohne dem Apotheker dafür Geld abzunehmen. Das geschah bei Apotheken, die es in Anspruch nehmen wollten, so etwa alle ein bis zwei Monate. Vfw Remedica machte mit den Medikamenten ein Lagerfeuer – Verzeihung, führte sie der fachgerechten thermischen Entsorgung zu. Das eigentliche Interesse des Unternehmens galt den Schachteln und Beipackzetteln, die sich offenbar gewinnbringend verscherbeln beziehungsweise recyclen ließen. Einfach, praktisch, gut, genau wie der Gelbe Sack. Doch damit ist jetzt Schluss: „Die Verträge zwischen den Landesapothekerkammern und Vfw Remedica wurden nicht mehr verlängert“, bestätigte Ursula Sellerberg von der ABDA einen entsprechenden Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks. An den Kammern lag es nicht. Die hätten gerne weitergemacht. Für Vfw Remedica hatte sich das ganze Business irgendwann nicht mehr rentiert. Mit dem mit Beipackzetteln und Pillenkartonagen zu verdienenden Geld ließen sich die Kosten für Einsammellogistik und Verbrennung nicht mehr rentabel decken.
Der Weg zur Deponie als Betriebsausgabe?
Bis auf weiteres bleiben die Apotheker jetzt also auf Altmedikamenten sitzen. Was tun? „Derzeit nimmt noch die Mehrheit der deutschen Apotheken Altmedikamente von Patienten an, und wir empfehlen unseren Apotheken auch, das weiterhin zu tun“, so Sellerberg im Gespräch mit den DocCheck News. Die Apotheker können es allerdings auch bleiben lassen: „Es gibt keine Verpflichtung zur Rücknahme“, betonte die ABDA-Sprecherin. Im Prinzip könne der Apotheker dem Patienten auch empfehlen, die Medikamente in den Hausmüll zu werfen. Das ist erlaubt und völlig korrekt. Idealerweise sollte dem Kunden dann freilich geraten werden, die Medikamente irgendwie einzuwickeln oder einzutüten, damit Kinder sie nicht aus Versehen wieder herausholen und runterschlucken.
Wer Altmedikamente als Apotheker weiterhin annehmen möchte, hat mehrere Möglichkeiten. Entweder es findet sich in der Region ein engagierter Entsorger, der das Zeug kostengünstig oder als Add-on zu anderen kostenpflichtigen Dienstleistungen abholt. Ist das nicht der Fall, bleibt dem Apotheker derzeit nicht viel anderes übrig, als die eingesammelten Schachteln und Fläschchen selbst zur Entsorgung zu bringen. In den meisten Kommunen kostet das nichts, aber das Hinfahren nimmt einem natürlich keiner ab. Immerhin: Die Fahrt lässt sich als Betriebsausgabe geltend machen…
Hoffen auf die Herstellerverbände
Besonders befriedigend ist die Situation im Moment jedenfalls nicht, gemessen zumindest daran, dass es vorher recht komfortabel war. Deswegen soll jetzt eine neue, bundesweite Regelung her. „Die Verhandlungen dazu laufen gerade, und wir hoffen auf eine baldige Lösung“, so Sellerberg. In der Diskussion ist unter anderem eine Abholung gegen Gebühr. Zwanzig Euro pro Fuhre waren im Gespräch, doch das stieß nicht auf große Gegenliebe. Wohl deswegen möchte man sich jetzt verstärkt der pharmazeutischen Industrie zuwenden. Die Herstellerverbände, so die Vorstellung der ABDA, sollten sich an einem Gesamtkonzept beteiligen und – das darf man wohl unterstellen – den Differenzbetrag übernehmen, der fehlt, um die Entsorgung wieder rentabel zu machen. Die „einfach rin in die eigene Tonne“-Methode ist für den Apotheker übrigens – anders als für Privatpersonen – keine adäquate Entsorgungsstrategie. „Das ist dann Gewerbemüll, da gelten andere Regeln“, so Sellerberg. Natürlich ist das immer auch eine Frage der Menge. Mit haushaltsüblichen Mengen dürften ohnehin keine großen Probleme entstehen.