Schmerzen, Depressionen, Arthralgien – kaum etwas, für das Zecken und die von ihnen verbreiteten Borrelien noch nicht verantwortlich gemacht wurden. Doch serologische Befunde sprechen oft keine eindeutige Sprache.
An die alljährlichen Warnungen vor Bissen durch die einheimische Zecke Ixodes ricinus hat man sich gewöhnt. Wenn der kleine Sauger tatsächlich zugebissen hat, stellt er den Patienten und seinen Arzt vor die Frage: Infektion – ja oder nein? Diese Frage ist schwerer zu beantworten, als es zunächst scheinen mag. Sicher ausschließen lässt sich eine Lyme-Borreliose als Folge eines Zeckenstiches in der Regel nicht. Viel wichtiger ist, Verdachtspunkte für eine Erkrankung zu sammeln. Zielführend sind klinische Befunde wie etwa ein Erythema migrans um die Infektionsstelle, später Meningoradikulitis, Meningitis und Arthritis. Eine Polyneuropathie, Enzephalitis und Acrodermatitis kennzeichnen oft die chronische Borreliose.
Borrelia burgdorferi lässt sich nur in besonders erfahrenen Laboratorien aus der Körperflüssigkeit anzüchten und damit als Krankheitsursache nachweisen. So bleibt in der mikrobiologischen Routine-Diagnostik in der Regel der Nachweis Borrelien-spezifischer Antikörper.
Antikörper beweisen nur wenig
Doch ein positiver Befund beweist nicht viel, ein negativer auch nicht mehr. Nach Angaben von Dr. Tobias Rupprecht von der Neurologischen Klinik der LMU in München, weisen bis zu zehn Prozent aller Gesunden Borrelien-Antikörper auf. Andererseits sind bei einem guten Viertel der Infizierten in den ersten drei Wochen nach der Infektion keine Antikörper nachweisbar. Wie schwierig die Diagnose einer Borreliose ist, zeigt auch eine Studie mit 86 Patienten einer rheumatologischen Klinik, die wegen einer Lyme-Borreliose in Behandlung waren. Alle wurden noch einmal genau unter die Lupe genommen und prompt fand man bei 78 (91 Prozent) eine andere Ursache ihrer Beschwerden. Nicht umsonst haben Experten verschiedener Disziplinen schon 2007 gefordert, serologische Tests zu standardisieren und Marker für den Nachweis einer aktiven Infektion zu definieren.
Leitlinien sehen für die Serodiagnostik bislang eine gestufte Untersuchung vor: Als Suchtest wird ein sensitiver ELISA-Test empfohlen, der IgM- und IgG-Antikörper differenzieren kann. Zur Bestätigung bei positivem oder unklarem Befund kommt ein Immunoblot in Frage. Der direkte Erregernachweis mithilfe der Laborkultur oder einer Polymerasekettenreaktion (PCR) sollte besonderen Indikationen vorbehalten bleiben, zum Beispiel zweifelhaften Befunden. Obwohl die PCR ein sehr empfindliches Verfahren ist, kommt es oft zu falsch negativen Ergebnissen, da in vielen Phasen der Lyme-Borreliose die Erreger nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, wie Dr. Wolfgang Hübl schreibt.
Nicht empfohlen werden Antigentests aus Körperflüssigkeiten oder PCR aus Urin. Diese Verfahren sind klinisch nicht validiert. Das gilt auch für den Lymphozytentransformationstest, der eine frühe Phase der Lyme-Borreliose erkennen und zwischen aktiver und nicht mehr aktiver Infektion unterscheiden soll. Diese Methode kommt aber nach Angaben von Prof. Dr. med. Roland Nau und Kollegen häufig zu falsch positiven Ergebnissen und ist daher „in der gegenwärtigen Entwicklungsphase nicht für diagnostische Zwecke geeignet.“
Die Auwaldzecke kommt!
Während die Immunologen noch mit der einheimischen Zecke kämpfen, krabbelt von Osten schon neue Arbeit auf sie zu: Die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) hat sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts seit 2005 in den Wäldern um Berlin fest etabliert. Ursprünglich war sie in südlichen Ländern heimisch und galt noch vor wenigen Jahrzehnten als Rarität in deutschen Wäldern. Die Weibchen dieser Art werden bis zu fünf Millimeter groß und sind damit drei Mal größer als einheimische Zecken. Außerdem bewegen sie sich aktiv auf ihr Opfer zu, während sich die einheimische Zecke passiv von Gräsern und Blättern abstreifen lässt.
Deutliche Unterschiede gibt es auch im Erregerspektrum: Bis zu 13 Prozent aller Ixodes-Zecken tragen Borrelien. Das gilt aber nur für sechs Prozent der Dermacentor-Zecken. Dafür trägt jede zweite von ihnen Rickettsien mit sich, fast ausschließlich Rickettsia raoultii. „Die humanpathogene Relevanz von Rickettsia raoultii ist bisher unbekannt“, heißt es dazu lapidar beim Robert-Koch-Institut, es werde aber angenommen, dass alle durch Zecken übertragenen Rickettsien ein humanpathogenes Potential besitzen. Rickettsiosen könnten daher in Zukunft zu den „emerging infections“ zählen.