Eine neue Art der Früherkennung von Diabetes haben Forscher entwickelt - indem sie sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) im Blut untersuchten. Generell scheint die schönste Nebensache der Welt in engem Zusammenhang mit der Volkskrankheit zu stehen.
An Probandinnen mangelte es nicht. 28.345 Frauen die an der 1993 durchgeführten Womens’s Health Study teilgenommen hatten, lieferten jene Blutwerte, die sich Wissenschaftler um Eric L. Ding von der Harvard School of Public Health genauer ansahen – und über deren Auswertung jetzt im New England Journal of Medicine nachzulesen ist (N.Engl. J Med. 2009; 361).
Minutiös hatte Ding vor allem einen Wert unter die Lupe genommen: Die Konzentration des sexualhormonbindenden Globulins. Dass die Substanz die weiblichen und männlichen Geschlechtshormone bindet, lernen Ärzte bereits während des Studiums. Auch mutmaßte die Medizinergemeinde seit langer Zeit, dass der SHBG-Anteil im Blut nach einem genauen Muster mit der Ausprägung von Diabetes Typ-2 einhergeht. Doch einen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen SHBG und Diabetes-Risiko konnte die Wissenschaft trotz aller Verdachtsmomente nicht anhand groß angelegter Patientenstudien liefern – damit ist jetzt Schluss.
Denn Ding und seinem Team gelang eine wichtige Entdeckung. Je höher die Konzentration des SHBG, umso niedriger ist die Wahrscheinlichkeit der Patienten, an Diabetes Typ-2 zu erkranken. Vor allem für Frauen scheint die Regel zum Gesetz zu avancieren, wie die NEJM-Zahlen durchaus eindrucksvoll belegen. Zehn Mal so hoch war das nachgewiesene Diabetesrisiko bei jenen Frauen, deren SHBG-Werte im unteren Bereich lag. Wer hingegen eine hohe Konzentration des hormonbindenden Globulins aufwies, konnte dem Typ-2 Diabetesrisiko gelassen entgegensehen.
Diabetes-senkende Hormone für den Mann
Schon im Jahr 2006 sorgte Forscher Ding im Fachblatt JAMA mit den ersten Teil dieser These für Aufsehen. Darin postulierte der Mediziner, dass Geschlechtshormone wesentlich and der Entwicklung von Typ-2-Diabetes beteiligt sind, und lieferte gleichzeitig eine mögliche Erklärung: Vor allem bei Frauen führen hohe Androgenspiegel zu Glucoseintoleranz und Insulinresistenz, während Männer mit geringen Androgenspiegel Insulinresistenzen und Adipositas aufweisen. Wie kompliziert die Mechanismen im Körper ablaufen, verdeutlichte Ding 2006 anhand erster Zahlen, wenngleich aus Metastudien. Danach kann SHBG bei Frauen das Risiko für Typ-2-Diabetes um bis zu 80 Prozent senken, Männer bringen es hingegen trotz hoher Konzentrations-Pendants lediglich auf eine Risiko-Reduktion von 52 Prozent.
„Auch für Östradiol und SHBG werden unterschiedliche Wirkungen bei Männern und Frauen diskutiert“, erklärte daraufhin die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihren Mitgliedern die Erkenntnisse aus Übersee, und: „Das Risiko für Typ-2-Diabetes kann sich bei Frauen durch einen hohen, bei Männern hingegen durch einen niedrigen Testosteronspiegel erhöhen – bei Frauen bis zu 60, bei Männern bis zu 42 Prozent“. Trotz solcher Nuancierungen haben Männer wie Frauen eins gemein: Hohe Östradiol-Spiegel steigern das Typ-2-Diabetes Risiko. Wer als Arzt seinen Patienten derartige Zusammenhänge zu erklären versucht, müsste womöglich den Rauchmelder in der Praxis abstellen – qualmende Köpfe und entgeisterte Praxiskunden wären die Folge der anspruchsvollen Hormonaufklärung. Wollte Forscher Ding vielleicht noch etwas anderes ausdrücken? Durchaus denkbar, wie die weitere Analyse der hormonalen Cocktails im Körper der Patienten vermuten lässt. Und so erscheint die die vereinfachte Vermittlung der medizinischen Erkenntnisse aus den USA letztendlich doch auf Resonanz zu stoßen, zumindest unter den Männern: Mehr Sex. Weniger Typ-2 Diabetes. Denn Sex erhöht bei Männern bekanntlich die Testosteronwerte – und senkt somit, rein statistisch betrachtet, das Diabetes-Risiko erheblich.