Schwarz-Gelb ist am Ruder und Ulla Schmidt im ewigen Spanienurlaub. Da stellt sich die Frage: Wer macht künftig den definitiv undankbarsten Job der Republik? Eine Bestandsaufnahme.
Klare Sache: Wenn das Spieglein, Spieglein, an der Wand nicht nach dem besten, sondern nach dem attraktivsten bürgerlichen Gesundheitsministerkandidaten gefragt würde, dann fiele die Antwort leicht. Ex-Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gilt in Berliner Politjournalisten-Kreisen als heimliche Favoritin auf den Job der Jobs – wohl auch deswegen weil die überwiegend männlichen Gesundheitspolitik-Journalisten in den nächsten vier Jahren lieber Interviews mit ihr als mit irgendjemand anderem führen würden.
Zensursula: Genug Ellenbogen für den Kampf mit den Lobbyisten?
Ursula von der Leyen bringt einige Erfahrungen im Gesundheitswesen mit: Sie war von 2003 bis 2005 Ministerin für Soziales, Familie, Frauen und Gesundheit in Niedersachsen. Trotzdem gilt ihre relative Unerfahrenheit im Haifischbecken der Berliner Gesundheitspolitikszene als wichtigstes Argument gegen eine Berufung in die Friedrichstrasse. Auch ihr wiederholt öffentlich zu Protokoll gegebener Wunsch, die Ulla Schmidt-Nachfolge anzutreten, wird für sie nicht auf der Habenseite verbucht. So was gehört sich nicht. Was klar für sie spricht, ist dagegen ihr medizinischer Stallgeruch: Ganz abgesehen davon, dass sie selbst (nicht praktizierende) Ärztin ist, hält ihr Mann, Heiko von der Leyen, an der Medizinischen Hochschule Hannover die Fahne des noch beruflich aktiven Arztes hoch. Als außerplanmäßiger Professor für experimentelle Kardiologie ist er freilich mit den für die Gesundheitspolitik relevanten Fragen der alltäglichen Versorgung nur begrenzt vertraut. Der Sinn steht ihm eher nach Gentherapie und Co. Interessant wäre die Haltung einer Ministerin von der Leyen zum Thema digitale Vernetzung des Gesundheitswesens. Als Familienministerin hat sie bekanntlich alles daran gesetzt, Kinderpornographie im Internet nicht zu beseitigen, sondern technisch weg zu filtern. Das brachte ihr nicht nur in den Kreisen der Piratenpartei den Spitznamen „Zensursula“ ein. Die Episode könnte darauf hin deuten, dass sie in Sachen Patientendaten im Netz einen eher restriktiven Kurs fahren würde. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, sei dahin gestellt.
Josef Hecken: Chef-Koch des Gesundheits-Fonds und Apothekenschreck
Scharfe Konkurrenz für „Zensursula“ kommt aus dem Saarland. Dort wartet der ehemalige saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) auf sein bundespolitisches Coming Out. Zwar hat Hecken gerade erst seinen Job gewechselt: Er ging 2008 als Chef des Bundesversicherungsamtes nach Bonn. Die Gerüchte wollen allerdings nicht verstummen, wonach er von Angela Merkel nur deswegen ins ungeliebte Bonn geschickt wurde, um Ulla Schmidt an gesundheitspolitisch relevanter Position etwas Christlich-Konservatives entgegenzusetzen. Im Gegenzug, so wird gemunkelt, sei ihm für den Fall eines CDU-Wahlsiegs das Amt des Bundesgesundheitsministers versprochen worden. Hecken bringt dafür zwei in ihrer Bedeutung schwer einzuschätzende Bürden mit. Zum einen war er eine der treibenden Kräfte des Gesundheitsfonds. Das kann ein erheblicher Pluspunkt sein, denn die Weiterentwicklung des Fonds dürfte das zentrale gesundheitspolitische Projekt der neuen Bundesregierung sein. Die Nähe zum Fonds könnte Hecken aber auch zum Verhängnis werden, falls die FDP eine auch personell sichtbar Distanzierung von dem ungeliebten Großkoalitionsprojekt als Preis für einen Verzicht auf das Gesundheitsministerium verlangen sollte. Heckens zweite gesundheitspolitische Duftmarke war die Durchsetzung der Betriebserlaubnis für eine Filialapotheke von DocMorris im Saarland. Seither ist er bei den organisierten Apothekern komplett unten durch. Politisch dürfte ihm diese Sache aber eher nutzen: Sich von der Selbstverwaltung nicht auf der Nase herumtanzen zu lassen, gilt als eine der Kernanforderungen an gesundheitsministrable Politiker.
Die zweite Reihe: Der Rudolf, der Daniel, die Annette und der Horst
Kommen wir zu den weniger wahrscheinlichen Varianten. Der Arzt Rudolf Henke (CDU) hat Ulla Schmidt ihr Direktmandat abgenommen. Er hat einen ausgewiesenen gesundheitspolitischen „Track Record“. Als Vorsitzender des Marburger Bunds brächte er zudem eine gewisse Qualifikation mit, um an ihrem Einkommen herum nörgelnde Ärzte zur Raison zu bringen. Es wäre freilich schon sehr ungewöhnlich, dass ein so offensichtlich ärztlicher Funktionär zum Minister wird. Nicht nur den Krankenkassen, auch der Bundeskanzlerin dürfte hier ein wenig die Überparteilichkeit fehlen.
Seitens der FDP ist Daniel Bahr einer der wenigen Experten in Sachen Gesundheitspolitik. Er ist eloquent, kompetent und arbeitseifrig. Für ihn spricht auch, dass er neben Silvana Koch-Mehrin der wohl einzige ministrable FDP-Politiker ist, der kein Alt-Liberaler ist. Mit nicht einmal 33 Jahren dürfte er allerdings zu jung sein für den Job. Die Berliner Gerüchteküche dichtet ihm zudem eine gewisse private Nähe zu einer weiblichen Altersgenossin aus einer norddeutschen Bankiersfamilie an. Soll heißen: Der Junge könnte wohl auch lukrativere Dinge tun im Leben. Bleiben Horst Seehofer (CSU) und Annette Widmann-Mauz (CDU). Als gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU wäre Frau Widmann-Mauz inhaltlich bestens vorbereitet aufs Ministeramt. Sie gilt aber vielen als zu farblos und zu wenig integrativ. Seehofer hat in Bayern nach seiner Wahlschlappe einen schweren Stand. Er würde wohl ganz gerne in das ihm publizistisch ziemlich wohlgesonnene Berlin zurück. Für den allgemein eingeforderten Neuanfang in der Gesundheitspolitik freilich stünde er genauso wenig wie Annette Widmann-Mauz: Bekanntlich hat „der Horst“ schon einmal eine einigermaßen berüchtigte, natürlich rein politische, Nacht mit „der Ulla“ verbracht…
Kein Wunschzettel nirgends
Wer nach offiziellen Wunschkandidaten der gesundheitspolitischen Lobbyisten fragt, der stößt übrigens auf eisernes Schweigen. Kein Wunder, wäre ein Minister, den sich Ärzte oder Apotheker explizit wünschten, doch sofort politisch verbrannt. Dass seitens der Bundesärztekammer gerne ein Arzt an der Spitze des Ministeriums gesehen würde, ist kein Geheimnis. Von der Leyen oder Henke bekämen von dieser Seite wohl mehr Applaus als etwa Hecken. Vor den Mikrophonen ist davon freilich nichts zu hören: „Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland hoffen, dass mit der künftigen Regierung endlich eine neue Vertrauenskultur im Gesundheitswesen begründet wird“, lässt sich Ärztechef Jörd-Dietrich Hoppe zitieren.