Frauen, die mit Hormonpräparaten verhüten, müssen mit Nebenwirkungen rechnen. Unregelmäßige Blutungen sind dabei nur eine der möglichen Folgen einer Versicherung gegen ungewollte Schwangerschaft. Welches Gut überwiegt?
Yaz bleibt wohl vorerst auf dem Markt. So wie ihre "Geschwister" Yasmin und Yasminelle ist die Pille wohl nicht gefährlicher als vergleichbare Verhütungsmittel. "Antibabypillen, die den Wirkstoff Drospirenon enthalten, sind im Risikobereich der anderen auf dem Markt erhältlichen Präparate. Das Risiko für Frauen, eine venöse Thromboembolie zu bekommen, ist wie bei allen Antibabypillen im ersten Jahr der Einnahme am stärksten erhöht." Das sind die Ergebnisse der Überprüfung von kombinierten oralen Kontrazeptiva, die die Schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic zu den Gefahren des kombinierten Östrogen-Gestagen-Präparats durchgeführt hat. Zehn Monate, nachdem eine 21-jährige Schweizerin mit der Einnahme der niedrig dosierten Pille begonnen hatte, starb sie Mitte September an einer Lungenembolie. Die Pillen von BAYER sind mit 1,2 Mrd. Euro im Jahr die größten Umsatzbringer der Firma.
Tod durch die Pille?
Wie diese Drosprirenon-Pillen gehören alle hormonellen Kontrazeptiva bis auf wenige Ausnahmen zur Gruppe der Kombinationspräparate mit einem Östrogen- sowie einem Gestagen-Anteil. Sie hemmen das Follikelwachstum, die Ovulation und die Gelbkörperbildung, gleichzeitig vermindern sie die Proliferation des Endometriums und steigern die Viskosität der Zervixschleims. Vor einem halben Jahrhundert eingeführt, haben immer neue Kombinationen und Dosierungen die Nebenwirkungen ständig verringert. Dennoch wurde 1981 im "Lancet" eine Analyse von Todesfällen im Zusammenhang mit der Pille veröffentlicht.
Im Laufe der „Pillen-Evolution“ reduzierten die Hersteller zunächst den Ethinylestradiol-Anteil von rund 50 auf 20-35 Mikrogramm und verringerten damit die Häufigkeit kardiovaskulären Nebenwirkungen wie Schlaganfall und Lungenembolien. 1995 stellten Studien ein etwa dreifach erhöhtes thromboembolisches Risiko für die Präparate mit der niedrigdosierten Gestagenkomponente Levonorgestrel fest. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte reagierte mit einer Gegenanzeige für Erstanwenderinnen unter 30 Jahren, die jedoch das Berliner Verwaltungsgericht auf Antrag der Hersteller im Jahr 1997 aufhob.
Thrombosen: Pille erhöht das Risiko, Schwangerschaft noch mehr
Immer noch streiten sich Experten um die Risiken hormoneller Verhütungsmittel der dritten Generation. Eine kanadische Studie errechnete vor einigen Monaten ein 4,8-faches Venenthrombose-Risiko bei den neuen Verhütern, für einen Schlaganfall ein 3,1-faches. Dagegen kommt es wohl auch mit Pille nicht zu mehr Herzinfarkten. Wer aber bereits anderweitig ein hohes Thromboserisiko hat, dem rät die WHO von dieser Art der Verhütung ab. Wahr ist aber auch: Wer nicht verhütet und schwanger wird, der trägt eine weitaus höhere Wahrscheinlichkeit für Thrombosen mit sich herum. Langzeit-Verhütung mit der Pille lässt die Gefahr wieder sinken. Nach etwa ein bis zwei Jahren ist sie kaum höher als bei Frauen ohne die tägliche Pille.
Aus der jahrelangen Diskussion um Krebsrisiken bei der Hormonersatztherapie wissen wir um die Gefährlichkeit bei Zufuhr externer Sexualbotenstoffe. 2005 stellte eine Arbeitsgruppe der WHO fest, dass "orale Verhütungsmittel karzinogen sind". Zwar schützt die Pille wohl gegen ein Ovarialkarzinom, steigert aber die Häufigkeit von Zervix-, Brust- und Lebertumoren. Allerdings geht entsprechend einigen Daten das Risiko nach dem Absetzen der hormonellen Verhütung wieder zurück. Möglicherweise entdeckt der Arzt aber auch frühe Krebsstadien eher bei Frauen, die ihn wegen des Rezepts regelmäßig aufsuchen.
Macht Hormon-Verhütung fett?
Welchen Einfluss die Pille auf die Häufigkeit von Geschlechtskrankheiten hat, ist umstritten. Einige Daten weisen auf vermehrte Chlamydieninfektionen hin. Die meisten Studien nehmen dabei aber wenig Rücksicht auf die sexuelle Aktivität ihrer Teilnehmerinnen. Häufiger Partnerwechsel erhöht das Risiko, Schutz bei der Verhütung gewährt nur das Kondom.
Viele junge Frauen verzichten auf die hormonelle Verhütung, weil sie glauben, dabei rundlich und fett zu werden. Tatsächlich fördern Östrogene die Einlagerung von Wasser ins Gewebe. Neue Gestagene wie Drospirenon wirken diesem Effekt jedoch entgegen, sodass ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 zu dem Ergebnis kommt, dass Kombinationspräparate wesentlich weniger Einfluss auf das Körpergewicht als etwa Essensgewohnheiten haben.
Ein Bericht aus dem Jahr 2005 im "Journal of Sexual Medicine" will bei einer kleinen Studie mit rund 120 Frauen andere Spätfolgen der hormonellen Verhütung beobachtet haben. Nach dem Absetzen der Pille beobachteten Claudia Panzer und ihr Team aus dem amerikanischen Denver höhere Werte an Sex-Hormon-Binding-Globulin (SHBG). Die entsprechend niedrigen Testosteronwerte könnten dann, so die Autoren der Studie, zu "sexueller Dysfunktion" mit eingeschränkter Lust und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen.
Zervixkarzinom: Pille oder Partnerwechsel?
In Deutschland verhütet etwa die Hälfte aller Frauen mit Hormonen, rund 18% mit Kondom. Davon greifen vier von zehn aufgrund von Nebenwirkungen der Pille zum Latex-Verhüterli. In den letzten zehn Jahren haben sich diese Zahlen kaum verändert. Andererseits erreicht kaum eine andere Methode einen ähnlich hohen Schutz vor einer Schwangerschaft wie den der Pille. Da wesentlich mehr Frauen ohne festen Partner eine Befruchtung mit dem Hormonpräparat verhindern, könnten einzelne Risiken und Nebenwirkungen wie etwa jenes für das Zervixkarzinom auch auf häufigen Partnerwechsel zurückzuführen sein. Wirklich harte und unabhängige Daten gibt es dazu bisher kaum. Auch die Zulassungstudien zum neuesten Präparat, der Kombinations-Pille Qlaira mit einem körperidentischen Estradiol hat der Hersteller bisher nicht vollständig veröffentlicht.
Im Jahr 2007 verordneten deutschen Ärzte rund 370 Millionen Tagesdosen (DDD) an Kontrazeptiva mit durchschnittlichen Kosten von 34 Cent pro DDD. Die Verhütungspräparate mit Ethinylestradiol und Drospirenon - wie etwa YAZ - rangieren dabei in der Spitzengruppe der Umsatzbringer und reagieren sehr empfindlich auf Negativschlagzeilen wie den Zwischenfall in der Schweiz. Neben Swissmedic will daher Bayer auch eigene Untersuchungen zum Thromboserisiko seines Produkts anstellen. Genauso wichtig wie eine schonende Verhütung wird weiterhin die unabhängige Aufklärung junger Mädchen über Methoden, deren Sicherheit und mögliche Risiken sein.