Die üppigen Gehälter der Kassenchefs werden bald in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Der Bundesrechnungshof lässt nicht locker. Er fordert Maximalbezüge auf Grundlage des Beamtensolds: „130.000 Euro Jahresvergütung müssen reichen!“
Er ist der Top-Verdiener in der Riege der gesetzlichen Kassenchefs: Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Der Diplom-Kaufmann aus Mönchengladbach bekam 2008 ein Grundgehalt in Höhe von 245.781 Euro. Obendrein erhielt er noch seinen vollen Bonus ausbezahlt: 50.000 Euro für die erfolgreiche Fusion mit der IKK-Direkt. Machte zusammen satte 295.781 Euro.
Ist so eine Gage für den Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse zu hoch? Man kann es – wie SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach – ganz einfach so sehen: „Bei den Kassen geht es insgesamt um Milliardenbeiträge. Wenn die Person an der Spitze da 60.000 Euro mehr oder weniger im Jahr verdient, spielt das keine Rolle…Ich kann nicht nachvollziehen, wenn wir da kleinkariert auf ein paar hunderttausend Euro schauen.“
20 Millionen für alle Kassenchefs
Was Lauterbach „kleinkariert“ nennt – 60.000 Euro im „Peanuts“-Bereich -, nimmt schnell größere Dimensionen an, wenn man die Gehaltskosten aller 186 Kassenchefs aufaddiert: Rund 20 Millionen Euro landen insgesamt in ihren Taschen – 123.000 Euro im Durchschnitt. Unter diesem Blickwinkel stellt sich schnell die leidige Frage, ob das deutsche Gesundheitswesen wirklich so viele Kassen braucht? Die Topverdiener neben Norbert Klusen (Beträge inklusive Boni):
O.K. - in Relation zu denen Salären von Topmanagern großer börsennotierter Unternehmen nehmen sich die Gehälter der Kassenchefs mickrig aus: Letztere strichen im vergangenen Jahr durchschnittlich rund 904.000 Euro ein, wobei jeder fünfte "Big Boss" mit mehr als 2 Millionen nach Hause ging. Und auch die jährliche Steigerungsrate des Kassenboss-Verdienstes inklusive Bonuszahlungen ist im Vergleich zu den Topmanagern bescheiden: 4 statt 8 Prozent im Schnitt. Allerdings ist der Vergleich nur eingeschränkt statthaft: Die Kassengehälter sind alleine deshalb schon nicht mit denen von DAX-Vorständen vergleichbar, weil die Kassen - im Gegensatz zu Opel, Hertie oder Lehman - ja eigentlich nicht bankrott gehen können. Die Vorstände rufen im Falle klammer Kassen einfach nach höheren Beiträgen oder sie reduzieren en passant die Leistungen.
Besser geeignet ist da sicher der Vergleich mit Geschäftsführer-Bezügen mittelständischer Unternehmen in Deutschland. So verdient 2009 laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum der Geschäftsführer eines großen Unternehmens mit mehr als fünf Millionen Euro Umsatz im Schnitt 270.000 Euro (10.000 Euro weniger als im vergangenen Jahr). Chefs in kleineren Unternehmen erhalten 4.000 Euro mehr als 2008 und kommen im Mittel auf 172.000 Euro, wenn sie Gesellschafter des Unternehmens sind, und auf 160.000 Euro, wenn sie keine Unternehmensanteile halten.
Anpassung an den Beamtensold
So gemessen gingen die Einkünfte also in Ordnung – mit einer Einschränkung allerdings: „Gesetzliche Kassen sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Die Kassenchefs verwalten und verantworten die Gelder ihrer Mitglieder. Deshalb müssen ihre Gehälter transparent sein und im Rahmen bleiben. Wir schlagen hierfür eine Anpassung an den Beamtensold vor.“ So argumentiert der Bundesrechnungshof (BRH) und Pressesprecher Andreas Krull nennt auch eine konkrete Obergrenze: „Ein Jahreseinkommen von 130.000 Euro muss ausreichen“. Das entspräche etwa den Bezügen eines Behördenleiters, eines Abteilungsleiters in einem Bundesministerium oder eines Bundeswehrgenerals (Besoldungsgruppe B 10).
Der Bundesrechnungshof, als oberste Bundesbehörde zuständig für die Finanzkontrolle öffentlicher Budgets, hat die stattlichen Bezüge einiger Kassenbosse schon im August 2008 in einem nicht öffentlichen Bericht ans Bundesgesundheitsministerium als eindeutig überzogen angemahnt. Er rügte in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Kassenchefs zusätzlich noch hohe Erfolgsprämien nach „unklaren und schwammigen Kriterien“ zusichern ließen. Dass in einem Fall Vorstand und Verwaltungsräte einer Kasse auch noch besondere Sachleistungen wie Viagra, Haarwuchsmittel oder orthopädische Matratzen erhielten war im BRH-Bericht noch eine weitere Schelte am Rande.
Ohrfeige für Ulla Schmidt
Das Gesundheitsministerium nahm das Dokument entgegen – und lässt es seither in der Schublade ruhen. Zur großen Freude der Kassenvorstände – und zum großen Ärger des Rechnungshofes. Andreas Krull zeigt sich gegenüber DocCheck kämpferisch: „Wir lassen hier definitiv nicht locker, darauf können Sie sich verlassen.“ Die Worte des Pressesprechers deuten darauf hin, dass die Angelegenheit zum Jahresende ins sogenannte Bemerkungsverfahren des Rechnungshofes Einzug halten wird – also im offiziellen BRH-Jahresbericht öffentlich publiziert wird. Eine schallende Ohrfeige für Ex-Ministerin Ulla Schmidt und ihre Beamten.
Auf den BRH-Bericht reagiert hat allein das Bundesversicherungsamt – mithin die zuständige Aufsichtsbehörde für die gesetzlichen Kassen. In seinem Jahresbericht 2008 werden zwischen den Zeilen zwar die hohen Vorstandsbezüge bedauert, eine Möglichkeit zum konkreten Eingreifen sieht das Amt auf Grund der gegenwärtigen Rechtslage jedoch nicht.
Vergütungen auf Marktniveau?
Hintergrund: Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) im Jahre 1992 wurde auch eine Organisationsreform bei den Kassen durchgeführt. Die einstigen Geschäftsführer, die weitgehend nach beamtenrechtlichen Regelungen entlohnt wurden, wurden zu Vorständen. „Für ihre Vergütung wurden im Hinblick auf die geänderte Aufgabenstellung der Krankenkassen in dem sich verstärkenden Wettbewerb keine zusätzlichen Vorgaben zur Vergütungshöhe gemacht“, so die Stellungnahme des Bundesversicherungsamts. Es sei zwar von „marktüblichen Vergütungen“ die Rede, was Vorstandsvergütungen auf „Marktniveau“ seien, würde jedoch nirgendwo definiert.
Trauriges Fazit: „Das Bundesversicherungsamt stimmt in seiner Beurteilung mit dem BRH überein, dass der vom Gesetzgeber angestrebte Idealzustand noch nicht erreicht ist.“