Wen Trigeminusneuralgie plagt, braucht Medikamente. Helfen die nicht, bleibt nur der Weg zum Chirurgen. Das wird sich so schnell nicht ändern. Doch wie bei anderen Erkrankungen auch, hoffen Forscher, den Qualen gentherapeutisch Herr zu werden.
Als 1773 der britische Arzt John Fothergill erstmals ausführlich die klinischen Symptome der Trigeminusneuralgie oder des "Tic douloureux" beschrieb, waren die therapeutische Optionen für die starken, oft spontan auftretenden Gesichtsschmerzen noch recht bescheiden. Fothergill selbst empfahl einen Extrakt aus der Rinde eines Baumes (Hemlock). Eine kontrollierte Studie dazu gab es natürlich nicht. Heute, mehr als 200 Jahre später, gibt es unstreitig wirksame, in kontrollierten Studien geprüfte Therapien. Aber nichts ist in der Regel so gut, dass es nicht verbessert werden könnte. Der US-Forscher Jean-Philippe Vit und sein Team setzen ihre Hoffnungen auf einen gentherapeutischen Ansatz und sind da auch schon einen kleinen, aber vielleicht wichtigen Schritt vorangekommen. In einem Tiermodell haben sie nämlich durch Infektion von Gliazellen des Ganglion trigeminale (Ganglion Gasseri) mit dem Gen für das Enzym Glutamatdecarboxylase (GAD) den Schmerz unterbinden können, wie sie vor wenigen Wochen in der Fachzeitschrift „Molecular Pain“ berichtet haben.
Schmerzleitung wurde gehemmt
Ein Ausgangspunkt ihrer Forschung war die Erkenntnis, dass sensorische Neuronen im Ganglion Rezeptoren für den erregungshemmenden Neurotransmitter Gammaminobuttersäure (GABA) tragen. Die Idee war also naheliegend, die Schmerzweiterleitung zu hemmen, indem die Produktion von GABA im Ganglion gesteigert wird. Möglich ist dies durch das Enzym GAD. Vit und sein Team injizierten daher das Gen für GAD mit Hilfe eines Adenovektors in so genannte Satelliten-Gliazellen, von denen die sensorischen Neuronen des Ganglion umgeben sind. Die Hoffnung der Forscher war, dass die Gliazellen genügend GABA produzieren, um via GABA-Rezeptoren auf den Neuronen die Aktivität der sensorischen Nervenzellen zu hemmen. Die Hoffnung der US-Forscher ging in Erfüllung. Mehre unterschiedliche Tests, unter anderen mit Bicuculline, einem selektiven GABA-Antagonisten, bestätigten die erfolgreiche Hemmung der Schmerzempfindung.
Erfolge in einem Tiermodell sind natürlich nur ein kleiner Schritt. Von dem Ziel, eine Behandlungsoption bei Trigeminusneuralgie zu sein, ist die Gentherapie noch weit entfernt. Wer an diesen überaus starken, blitzartig einschießenden Schmerzen im Gesicht leidet, wird daher weiterhin auf die verfügbaren Therapieoptionen angewiesen sein.
Therapie der Wahl noch immer Carbamazepin
Medikamentöse Standardtherapie und Medikation der ersten Wahl ist nach deutschen wie US-amerikanischen Leitlinien noch immer Carbamazepin, das vor mehr als 50 Jahren synthetisiert und vor allem in der Behandlung von Epilepsie-Kranken verwendet wurde. 90 Prozent der Patienten sprechen initial auf das Antikonvulsivum an, 50 Prozent auch langfristig. Als erste Tagesdosis sind 200-400 mg bei Trigeminusneuralgie vertretbar. Bei den meist älteren Patienten liegt die notwendige Dosis bei etwa 600-1200 mg/d.
Wahrscheinlich ebenso wirksam ist auch Oxcarbazepin, das im Vergleich zu Carbamazepin ein besseres kognitives Nebenwirkungsprofil und keinen Wirkungsverlust durch Enzymautoinduktion hat. Allein Hyponatriämien sind unter Oxcarbazepin wahrscheinlich häufiger (etwa 23%) als unter Carbamazepin, so dass regelmäßige Natriumkontrollen, insbesondere bei Symptomen wie Benommenheit, Kopfschmerz, Müdigkeit oder Übelkeit, notwendig sind. Zur Akuttherapie bei schweren Exazerbationen eignet sich intravenös verabreichtes Phenytoin, alternativ als Mittel der zweiten Wahl das hochpotente Neuroleptikum Pimozid. Mittel der zweiten Wahl sind nach den Leitlinien oral verabreichtes Phenytoin, der GABA-Rezeptor-Agonist Baclofen, der aber nur in Kombination mit anderen Medikamenten verwendet wird, und auch modernen Antikonvulsiva, etwa Lamotrigin und Gabapentin. Eine Besonderheit bei MS-Kranken mit Trigeminusneuralgie ist das Prostaglandin-E-Analogon Misoprostol, das primär zur Behandlung bei medikamentenbedingten Magenschleimhautschäden sowie Magen-Darm-Ulzera verwendet wird.
Ultima ratio: Der Neurochirurg
Wenn die medikamentöse Therapie nicht mehr hilft oder die Lebensqualität zu sehr beeinträchtigt, ist bei der klassischen Trigeminusneuralgie die operative Behandlung indiziert. Die Diskussion darüber, wann genau von einer medikamentösen auf eine invasive Therapie gewechselt werden sollte, ist allerdings noch im Gange. Grundsätzlich kommen heute verschiedene invasive Behandlungen in Betracht:
1) Perkutane Verfahren im oder am Ganglion Gasseri: - Temperaturgesteuerte Koagulation - Glyzerinrhizolyse - Ballonkompression
2) Die mikrovaskuläre Dekompression des Nervus trigeminus im Kleinhirnbrückenwinkel 3) Die radiochirurgische Behandlung mittels Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger, die von den Gesetzlichen Krankenkassen aber nicht bezahlt wird.
Wer übrigens glaubt, an Trigeminusneuralgie litten nur Menschen, täuscht sich womöglich. Nach einer vor kurzem vorgestellten Dissertation der Tierärztin Judith Christine Winter gibt es diesen quälenden Schmerz auch bei Pferden. Er äußert sich hauptsächlich durch häufiges Kopfschütteln. So ähnlich wie Menschen helfen nach den Ergebnissen dieser Doktorarbeit auch den Vierbeinern Glyzerolinjektionen.