Studien zeigen, dass sich Haare nicht nur als Indikator für unser biologisches Alter eignen. Wer früh ergraut oder in der Scheitelregion kahl wird, hat auch eher mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu kämpfen – unabhängig davon wie alt man ist.
Weltweit suchen Forscher nach Indikatoren für kardiovaskuläre Ereignisse, um präventiv einzugreifen. In großen Kohorten finden sie immer neue Assoziationen. Eine auf den ersten Blick absurd erscheinende Studie zeigt Zusammenhänge zwischen dem Ergrauen von Haaren und Herzerkrankungen bei Männern. Molekularbiologisch betrachtet macht der Ansatz Sinn.
Dr. Irini Samuel, eine Kardiologin aus Kairo, präsentierte aktuelle Daten auf dem Kongress EuroPrevent, Abstract 760. Sie rekrutierte 545 erwachsene Männer für ihre prospektive Beobachtungsstudie. Alle Probanden mussten sich einer Multislice-Computertomographie mit Kontrastmittelgabe unterziehen. Ziel war es, Herz und Gefäße in Augenschein zu nehmen. Danach teilte Samuel alle Männer über den Hair Whitening Score in Gruppen ein. Hier steht „1“ für rein schwarzes Haar, und „2“ für mehr schwarzes als weißes Haar. Bei „3“ sind schwarze und weiße Haare gleich häufig zu finden, bei „4“ gibt es mehr weiße als schwarze Haare, und bei „5“ liegen rein weiße Haare vor. Jede Patientengruppe wurde von zwei Forschern unabhängig begutachtet. Sie erfassten auch bekannte Risikofaktoren wie Hypertonien, Diabetes, Rauchen, Dyslipidämien oder kardiovaskuläre Ereignisse in der Familie.
Samuel fand heraus, dass graue Haare ab dem Grad 3 unabhängig vom Alter und von sonstigen Einflussfaktoren mit einem höheren Risiko in Verbindung stand, an einer konoraren Herzkrankheit zu erkranken. Graue Haare und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hätten den gleichen Auslöser, nämlich nachlassende Reparaturprozesse, schreibt die Forscherin. Sie bewertet die Haarfarbe als Indikator für unser biologische Alter. Ihre Erkenntnis überrascht kaum. Bereits vor fünf Jahren hatten türkische Kardiologen um Sinan Altan Kocaman gezeigt, dass graue Haare bei Männern einen Marker für koronare Herzerkrankungen darstellen. Sie gewannen ihre Erkenntnis anhand von 213 Probanden. „Das biologische Alter kann bei der Bestimmung des Gesamtrisikos der Patienten wichtig sein“, so Kocaman. Japanische Wissenschaftler um Tomohide Yamada befassten sich ebenfalls mit der Materie. Sie wollten wissen, ob Alopezie mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung steht. Für ihre Metaanalyse fanden sie in der Literatur 850 Studien, drei Fall-Kontroll-Studien und drei Kohortenstudien. Insgesamt lagen Yamada Daten zu 36.990 Patienten vor. Er identifizierte Haarverlust im Scheitelbereich – vor allem bei Patienten unter 60 Jahren – als möglichen Marker für kardiovaskuläre Risiken. Dem gegenüber waren „Geheimratsecken“ im frontalen Bereich nicht mit der Erkrankung assoziiert.
Alle genannten Studien beweisen letztlich keine Kausalität, sind aber Impulse für neue Forschungsprojekte. Sowohl Samuel als auch Yamada wünschen sich einen Indikator für Patienten ohne Beschwerden. Im Zweifelsfall bleibt nur der Check-up beim Kardiologen.