Eine Psychologin vertritt die These, dass Twittern dumm macht. Wenn dumm mit leichtsinnig und sträflich gleichgesetzt wird, dann trifft das auf einige amerikanische Medizinstudenten zu. Denn mit unüberlegtem Gezwitscher kann man in die Rechtsfalle tappen.
"Problem, sich an die eigene Krankengeschichte zu erinnern? Versuchs doch mal bei Facebook", spöttelte New Scientist. Hintergrund für die Mediziner-Schelte ist die Veröffentlichung einer Studie im Journal of the American Medical Association, das Verstöße gegen die ärztliche Schweigepflicht erstmals publizierte. Wissenschaftler um Katherine Chretien vom Veterans Affairs Medical Center in Washington DC hatten 130 medizinische Universitäten angeschrieben. Sie wollten wissen, ob an den jeweiligen Einrichtungen Studenten mit unprofessionellen Inhalten in Blogs oder Social Networks aufgefallen sind und ob es Uni-Richtlinien für das Posten von Inhalten in Twitter, YouTube & Co. gibt. Die Umfrage war anonym. Etwa zwei Drittel der Hochschulen nahmen an der Umfrage teil.
Auch für Blogger & Co gilt die ärztliche Schweigepflicht
Rund 50 der auskunftbereiten Dekane gaben an, dass sie Postings mit Obszönitäten und Diskriminierungen sowie Bilder von deftigen Trinkgelagen und Drogenkonsum gefunden haben. Auch wenn das nicht illegal sei, so sei das insbesondere für den Berufsstand der Ärzte problematisch, weil das Vertrauen und der Respekt der Patienten zerstört werde, sagt Chretien. Am Schwerwiegendsten waren allerdings die sechs Fälle, in denen eindeutig die ärztliche Schweigepflicht verletzt wurde. Teilweise waren die Namen der Patienten nicht genannt, aber anhand der beschriebenen Umstände hätten sich die Betroffenen problemlos identifizieren können. Auch das verstoße gegen das Gesetz, so Chretien. Immerhin waren einige der leichtsinnigen Tweeter abgemahnt worden. Drei mussten die Uni verlassen. Und die Resonanz auf das Studien-Ergebnis hat offensichtlich Wirkung gezeigt. Das Video zu "even-med-students-abuse-youtube" ist inzwischen gesperrt. Der britische Medical Student Blog ist nicht mehr aktiv.
Schmähkritik oder freie Meinungsäußerung
Aber wie sieht es bei deutschen Bloggern aus? Bei Tweetmeme, werden zum Begriff "Medizin" gerade mal 450 Postings aufgelistet. Auf den ersten Blick ist nichts Auffälliges dabei. Es sei denn, jemand empfindet die Persiflagen von "Monsterdoc", ein Blog von "Chefarzt" Dr. Wolfram Schweizer, als Verunglimpfung. Könnte beispielsweise die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands BAND e.V. in puncto "Notarzt-Twitter" auf Unterlassung klagen? DocCheck fragte Rechtsanwalt Christian Weil, der bereits mehrere Fälle von Rechtsverstößen im Internet vertreten hat. "Im Fall „Notarzt-Twitter“, in dem keine Namen und auch keine Klinik genannt wird, dürfte es schwer werden, den "Chefarzt" anzugreifen", so Weil. Grundsätzlich stelle sich immer die Frage, ob sich das Gebloggte im zulässigen Rahmen der freien Meinungsäußerung hält oder ob es sich um eine unzulässige Schmähkritik handelt. "Reine Schmähkritik liegt beispielsweise vor, wenn die kritische Äußerung keine Auseinandersetzung in der Sache enthält, sondern nur den angegriffenen Mitbewerber herabsetzen oder verunglimpfen will. Ein Unterlassungsantrag kann sich nur auf falsche Tatsachenbehauptungen beziehen. Die freie Meinungsäußerung findet dort ihre Grenzen, wo eine berechtigte Kritik in eine bewusste Beleidigung umschlägt und die Verletzungsabsicht größer ist als die der Verbreitung von Meinungen."
Anonyme Kommentatoren im rechtsfreien Raum
Die Welt der medizinischen Blogs bietet ein übersichtliches Blogger-Verzeichnis und Links zu Artikeln mit Gesundheitsinhalten. Das sieht eigentlich alles harmlos aus. Aber was passiert, wenn der Portalbetreiber auf seiner Seite einen Artikel verlinkt, in dem falsche Behauptungen über einen Arzt/ein Krankenhaus stehen und gegen die Verfasser bereits Strafanzeige besteht? Muss der Link-Anbieter ebenfalls eine Anzeige befürchten? Rechtsanwalt Weil: "Wird der Portalbetreiber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen, hat er die betroffenen Passagen zu löschen und dafür Sorge zu tragen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Verletzungen kommt. Eine Eingangskontrolle muss der Betreiber grundsätzlich nicht vornehmen. Sofern der Betreiber nach einem ausdrücklichen Hinweis die Beiträge nicht unverzüglich entfernt, kann er ebenfalls in Anspruch genommen werden." Schwieriger wird die rechtliche Handhabe gegen anonyme Kommentatoren, die etwas nachweislich Falsches über eine Person oder eine Institution behaupten. Da in der Regel der eigentliche Absender nicht zu ermitteln ist, bleibt auch in diesen Fällen nur die Möglichkeit, den Portalbetreiber abzumahnen und auf Unterlassung zu klagen bzw., wenn das nicht hilft, mit einer einstweiligen Verfügung die Entfernung des Corpus Delicti durchzusetzen. Insofern gibt es immer noch einen rechtsfreien Raum im Internet. Aber zu sicher sollten sich Blogger und Twitterer nicht sein.