In einer Studie des Universitätsspitals Zürich nehmen erstmals Schweizer Mediziner die Langzeitergebnisse von Herztransplantationen weltweit unter die Lupe und fassen den aktuellen State of the Art zusammen. Für Überraschungen ist gesorgt: Tumorbildungen avancieren zum ernstzunehmenden Problem, Abstoßungsreaktionen hingegen scheinen kontrollierbar.
Louis Washkansky lebte genau 18 Tage seines neuen Lebens. Danach starb der erste Mensch mit einem transplantierten Herzen an den Folgen von Abstoßungsreaktionen – dennoch ging am 3. Dezember 1967 die von Christian Barnard durchgeführte Transplantation in die Medizingeschichte ein. Heute, wissen Andreas Flammer, Frank Ruschitzka und Matthias Hermann von der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich zu berichten, hätte Lebensmittlelhändler Washkansky ein medianes Überleben von 10 Jahren vor sich gehabt: So lange überleben Patienten mit transplantierten Herzen trotz aller Komplikationen den Eingriff.
Die im Fachblatt Kardiovaskuläre Medizin publizierte Arbeit der Züricher Ärzte mach klar: Neuartige Medikamente und massive Unterstützung durch die Apparatemedizin lassen Herztransplantationen selbst bei alten Menschen zur echten Chance auf einen Neubeginn avancieren. Doch die Klippen, die es dabei zu umschiffen gilt, sind tückisch – und Kardiologen müssen die Fallstricke im Detail kennen.
Was selbstverständlich klingt ist keinesfalls die gängige Praxis, wie das Züricher Team für die Schweiz attestiert. “Ein nicht unwesentlicher Faktor für die Prognose ist die Tatsache, dass immer mehr und immer kleinere Zentren Transplantationen durchführen“, schreiben sie, und erklären die Crux im gleichen Atemzug: „Dabei haben größere Zentren mit vielen Operationen bessere Resultate“. Rund 30 Herzen wechseln in der Schweiz jährlich den Besitzer, allein im Jahr 2007 – neuere Zahlen liegen nicht vor – transplantierten Chirurgen am Universitätsspital Zürich 13 Organe, während die Zentren in Genf/Lausanne und Bern es auf neun respektive sieben Übertragungen brachten.
All-in-One für die älteren Semester
Dabei fällt vor allem ein Trend auf: Während zunächst vorwiegend jungen Menschen als Empfänger in Frage kamen, avanciert die Generation 60 plus ins Visier der Operateure. Die aus Medisoaps bekannten Dramen und extrem lange Wartezeiten lassen sich bei älteren Patienten durch einen eleganten Trick umgehen: Die Senioren erhalten auch jene Organe, die mit Fehlern behaftet sind. Spenderorgane mit koronarer Herzkrankheit werden transplantiert, „wobei gleichzeitig eine Bypass-Operation vorgenommen wird“, wie Flammer und seine Kollegen zu berichten wissen.
Auch spielt die mechanische Unterstützung durch Assist Devices bei instabilen Patienten aller Altersklassen eine zunehmende Rolle. So lassen sich beispielsweise Menschen mit schwerster Herzinsuffizienz (NYHA IV) mit einer mechanischen linksventrikulären Unterstützung behandeln – die 1-Jahr Überlebensrate stieg nach Einführung dieser Methode von 25 auf 69 Prozent an. Kein Wunder demnach, dass weltweit 21,5 Prozent aller Transplantationskandidaten auf eine mechanische linksventrikuläre Unterstützung (LVAD) angewiesen sind, meinen die Züricher Mediziner, und: „Dabei sind die Erfahrungen, auch in unserem Zentrum, sehr gut, zumal sich der zustand eines Patienten bis zur Operation nicht nur stabilisiert, sondern sogar deutlich verbessern kann“.
Schokolade als letzte Rettung
Positives gibt es auch von einer ganz anderen Baustelle zu berichten. So lassen sich Abstoßungsreaktionen durch den Wirkstoff Ciclosporin weitgehend kontrollieren, die perioperative Mortalität beträgt nur noch 16 Prozent. Dafür haben Kardiologen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. So liegt zehn Jahre nach einer Herztransplantation die Wahrscheinlichkeit eines Tumors bei 33 Prozent, wobei Hauttumoren am häufigsten vorkommen. Nicht selten müssen Ärzte den Teufel mit dem Beelzebub austreiben: Ohne Immunsuppressiva nach der Transplantation versterben die Patienten auf jeden Fall, mit den Medikamenten erkranken sie womöglich zehn Jahre später an Krebs. Einen Ausweg könnten den Zürichern zufolge neuartige Proliferationssignal-Inhibitoren wie Sirolimus und Everolimus bieten, auch Rituximab steht auf der Liste der potenziellen Krebsstopper nach einer Transplantation. Die Vermeidung des Auftretens von Tumoren, resümieren Flammer und seine Kollegen, müssten daher durch individuelle Medikamentenzusammenstellung stärker beachtet werden.
Zu den unliebsamen Folgen von Herztransplantationen zählt ebenfalls das Auftreten von Graft-Arteriosklerosen. Fünf Jahre nach dem Organwechsel betrifft diese Form der Stenose, bei der mehr als 50 Prozent des Lumens okkludiert, rund 50 Prozent der Patienten. Gleichzeitig gilt die Graft-Arteriosklerose als eine der Haupttodesursachen. Auch dafür liefern die Züricher, die nach eigenen Angaben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit ihrem Beitrag haben, Hinweise auf passende Medikamente. Die Proliferationssignal-Hemmer Sirolimus und Everolimus scheinen die Progression zu verlangsamen. Zudem hilft offenbar eine von den Autoren in der Klinik selbst beobachtete, weitere Methode: Der Konsum von „flavonoidreicher, schwarzer Schokolade“ hält den Vorstoß der Graft-Arteriosklerose ebenfalls auf.