In Berlin fiel der Startschuss für ein ambitioniertes Projekt zur telemedizinischen Überwachung von Patienten mit Peritonealdialyse. Vor allem ältere Semester sollen Vertrauen in die Heim-Blutwäsche entwickeln. In Sachen Erstattung tut sich weiterhin nichts.
Rund 70.000 Dialysepatienten gibt es in Deutschland. Die allermeisten von ihnen begeben sich dazu dreimal die Woche in eine Dialysepraxis, um dort die klassische Form der Dialyse über sich ergehen zu lassen. Dabei geht es auch anders: Schon lange steht Dialysepatienten beispielsweise die Heimdialyse zur Verfügung. Vor allem das Verfahren der Peritonealdialyse bietet sich für den „Hausgebrauch“ an. Doch es wird nur selten genutzt. Professor Martin Kuhlmann von der Klinik für Innere Medizin – Nephrologie am Vivantes Klinikum Berlin-Friedrichshain schätzt, dass nur etwa 3.500 Patienten in Deutschland die Peritonealdialyse im häuslichen Umfeld nutzen, etwa fünf Prozent aller Dialysepatienten also.
Der smarte Senior machts daheim
Die Gründe für diese relative Zurückhaltung sind vielschichtig. Nicht wenigen Patienten ist die Sache suspekt. Doch auch viele Ärzte haben Bedenken: „Gerade bei älteren Patienten zweifeln Ärzte oft daran, ob zu Hause auch alles richtig gemacht werden kann und ob die Patienten ausreichend medizinisch überwacht sind“, so Kuhlmann. Das lässt sich aber möglicherweise ändern. Die Experten der Vivantes-Kliniken wollen die häusliche Peritonealdialyse jetzt mit Hilfe der Telemedizin attraktiver und sicherer machen. „Das sollte sich dann national und international auch auf andere Formen der Heimdialyse anwenden lassen“, betont Kuhlmann.
Die telemetrisch-assistierte Peritonealdialyse – kurz TAPD – hat einen Entwicklungshorizont von drei Jahren. 2012 soll das Produkt ausgereift sein. Gefördert wird das Ganze vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen eines weit größeren Projekts, dem Förderprogramm Smart Senior. In dem Namen „Smart Senior“ deutet sich bereits ein Projektziel an, das auch für das Teilprojekt TAPD gilt: Heute wird die häusliche Peritonealdialyse vor allem von jüngeren Dialysepatienten in Anspruch genommen. Die enge ärztliche Anbindung via Telemedizin könnte in Zukunft auch älteren Menschen die Scheu vor der Heimtherapie nehmen. Gerade für jene älteren Menschen, für die der Weg ins Dialysezentrum wegen körperlicher Gebrechen mühsam ist, wäre das ein eleganter Ausweg in den eigenen vier Wänden.
Alarmfunktionen sollen Sicherheit geben
Technisch soll die telemetrisch-assistierte Peritonealdialyse aus mehreren Modulen bestehen. Standardmäßig erhoben und in eine elektronische Patientenakte übertragen werden die Behandlungsdaten des Dialysegeräts. Zusätzlich können je nach individueller Situation und Grunderkrankung diverse Vitaldaten übermittelt werden. Das Herz des Produkts werden die Alarmfunktionen sein, mit denen der behandelnde Arzt beziehungsweise das Dialysezentrum sowohl über gesundheitliche Probleme des Patienten als auch über technische Probleme des Geräts informiert wird. Das alleine dürfte schon ein gewisses Sicherheitsgefühl erzeugen. Trotzdem soll auch noch eine Videokonferenzverbindung eingebaut werden, über die der Arzt direkt Kontakt mit dem Patienten aufnehmen kann. Wie das bei einer nächtlichen Peritonealdialyse logistisch funktioniert, ist eine offene Frage. Aber die Sache befindet sich derzeit ohnehin noch in den ersten Zügen. Es ist also noch etwas Zeit.
Finanzierung: Nicht verzagen, G-BA fragen? Denkste!
Klar ist heute schon, dass das Berliner Projekt früher oder später die Frage wird beantworten müssen, wie sich der Mehraufwand für die Ärzte und das zusätzliche technische Equipment finanzieren lassen. Diese Frage hat sich schon bei vielen Telemedizinprojekten gestellt. Sie kann über die integrierte Versorgung beantwortet werden. Doch das Resultat von IV-Verträgen sind in der Regel Insellösungen, die nur jenen Patienten zur Verfügung stehen, die zufällig in den Geltungsbereich des Vertrags fallen.
Was gibt es für Alternativen? Die telemetrische Überwachung von Herzschrittmachern und ICD-Systemen, deren Finanzierung mittlerweile geregelt ist, taugt nicht als Präzedenzfall. Hier erhält der Arzt bei der Fernbetreuung für weniger Arbeit das gleiche Geld wie vorher. Es musste also keine Zusatzvergütung geschaffen werden. Die Hoffnungen bei Telemedizinprojekten mit Zusatzaufwand wie das Herzinsuffizienz-Monitoring oder eben die Teledialyse richteten sich bisher auf den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Hier allerdings gab es jetzt einen deutlichen Dämpfer. Bei der Berliner Tagung TELEMED 2009 vertrat Matthias Perleth vom G-BA die Auffassung, dass sein Arbeitgeber für Entscheidungen zur Telemedizin im Wesentlichen gar nicht zuständig sei. Der Grund: „Die Telemedizin ist in der Regel kein neues medizinisches Verfahren, sondern eine Form der Prozessoptimierung“, so Perleth. Eine eigene Abrechnungsziffer "Telemedizin" als Folge einer G-BA-Empfehlung ist damit in weite Ferne gerückt. Bleibt der Bewertungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen, der eine Ziffer beschließen könnte, analog der Abrechnungsziffer für Schwester AGNeS und Co. Das freilich bedeutet in der Regel Umverteilung, nicht Zusatzvergütung.