Sie ist derzeit in aller Munde und zudem eines der Topthemen in der Presse und dem TV: die Schweinegrippe. Fast wäre man geneigt zu sagen: "Ein Gespenst geht um in Deutschland." Aber ist denn die Schweinegrippe wirklich solch eine Volksseuche, wie uns täglich suggeriert wird? Und werden wirklich Abertausende von Deutschen an ihr sterben?
Wir haben über dieses spannende und hochbrisante Thema für Euch mit Herrn Dr. med. Rainer David gesprochen. Dr. David ist Allgemeinmediziner mit eigener Hausarztpraxis in der Nähe von Karlsruhe und sitzt somit quasi an der Quelle.
DocCheck Campus: Herr Dr. David, Sie sind ja als Hausarzt tätig, hatten Sie selbst schon einen Fall von Schweinegrippe in Ihrer Praxis?
Dr. David: Direkt in der Praxis haben wir bisher keinen nachgewiesen, da wir Verdachtsfälle bisher an die Krankenhäuser weitergeleitet haben. Aber wir haben bereits einige Patienten, die an der Schweinegrippe erkrankt und mittlerweile auch wieder genesen sind. Ganz zu Beginn des Auftretens der Schweinegrippe war eine Patientin in Mexiko, die sich dann tatsächlich als eine der ersten Deutschen infiziert hat. Sie hatte Fieber, hielt sich 10 Tage zu Hause auf, und dann war die Sache erledigt. Die Eltern und Geschwister der Patientin haben sich allerdings nicht infiziert.
DocCheck Campus: Wie schlimm ist denn die Schweinegrippe wirklich? Worin unterscheidet sie sich von der „normalen“ Grippe?
Dr. David: Die Verläufe der Erkrankungsfälle, die uns persönlich bekannt sind, sind allesamt sehr milde verlaufen. Die klassischen Symptome sind (ur)plötzlich auftretendes Fieber, heftige Kopf- und Gliederschmerzen, verbunden mit verstopfter Nase und trockenem Reizhusten, der sehr schmerzhaft ist. Alle Symptome, die wir von allen anderen viralen und auch bakteriellen Erkrankungen sehr gut kennen, und durch die uns die Unterscheidung sehr schwer fällt. Charakteristisch ist der plötzliche Beginn, der aber genauso auch bei der Influenza, der echten Virusgrippe, auftritt. Allerdings gibt es sehr viel mildere Verläufe. Wir kennen Patienten mit nachgewiesener Schweinegrippe, die nur Schnupfen und etwas Kopfschmerzen hatten, aufgrund der Umstände - zumeist Rückkehrer vom Spanienurlaub - aber getestet wurden. Durch diese milden Verlaufsformen gibt es mit Sicherheit eine sehr hohe Dunkelziffer der Erkrankung, was aber aus meiner Sicht eher dann für den milden Verlauf der Pandemie, wenn sie denn wirklich eine ist, spricht.
Ich sehe die Grippe als nicht sehr gefährlich für den Menschen an. Bei 33.000 erkrankten in Deutschland seit dem Frühsommer und aktuell 11 Todesfällen besteht für mich kein Grund, von einer gefährlichen, bedrohlichen Erkrankung zu sprechen. Der Unterschied zur normalen Grippe - ich meine damit die Influenza - liegt im Erreger, welcher von der Grundform der Gleiche ist, das H1N1-Virus. Allerdings haben die beiden unterschiedliche Virusoberflächen, also Aminosäuren, die sich in der Struktur unterscheiden. Aus meiner Sicht ist die echte Grippe wesentlich schwerer und langwieriger im Verlauf, bei Gesunden bis zu 3 Wochen, die Schweinegrippe im durchschnittlichen Verlauf 7-10 Tage.
DocCheck Campus: Böse Zungen behaupten, dass die Pharmaindustrie nicht ganz unbeteiligt an dem „Hype“ rund um das Thema Schweinegrippe ist. Ein mögliches Multi-Millionen-Geschäft mit den nun heiß begehrten Impfstoffen lässt diesen Verdacht nicht ganz unbegründet erscheinen. Alles nur düstere Legende...?
Dr. David: Die Antwort ist nicht ganz so einfach, man muss die Vorgehensweise eines solchen Pandemiefalles kennen. 2007 hat das Gesundheitsministerium mit der Firma Glaxo einen Vertrag über die Herstellung und Vertrieb eines Impfstoffes im Falle einer Pandemie geschlossen. Andererseits haben die Bundeswehr und die zuständige Behörde für die Beamten des Landes - also die Regierung - einen Vertrag mit Baxter geschlossen. Daher auch die unterschiedlichen Impfstoffe, die so in die Diskussion kamen, da damals niemand wissen konnte, welche Impfstoffe im Bedarfsfall von den Firmen hergestellt werden. Der Millionendeal wurde also schon lange vor der Schweinegrippe in die Wege geleitet.
Die Schweinegrippe wurde dann als Pandemie definiert. Von wem, warum, und mit welchen Absichten, kann ich nicht beurteilen. Aufgrund dieser Pandemieerklärung hat das Bundesgesundheitsministerium in Absprache mit den Ländern, die auch dafür zuständig sind, die Lage ebenso als Pandemie eingeschätzt und die vorher geschlossenen Verträge wurden erfüllt. Keiner konnte zuvor wissen, das Glaxo einen Impfstoff mit Wirkverstärker und Baxter einen Impfstoff ohne Wirkverstärker herstellt. Jetzt sind die Impfstoffe bestellt - sie müssen bezahlt und natürlich auch benutzt werden.
Die Impfstoffe sind eigentlich nicht heiß begehrt, sondern liegen tatsächlich im Überfluss vor und müssen verimpft werden. Da die Pharmaindustrie nun die Impfstoffe nicht so schnell herstellen kann, lässt sie zur begehrten Ware werden. Der „Hype“ wird vielmehr durch die Medien geschürt, da wir heute gar nicht mehr ohne Nachrichten über die Schweinegrippe durchs Leben gehen können, und die verschiedenen verwirrenden Meldungen und Berichtserstattungen die Unsicherheit und Panik vor der Schweinegrippe nur verstärken.
DocCheck Campus: Wie notwendig ist denn eine Impfung Ihrer Meinung nach? Ist eine solche nur für Urlauber angezeigt, welche in ferne, tropische Länder fliegen wollen oder sollte sich durchaus auch „Otto Normalbürger“ impfen lassen?
Dr. David: Ich bin kein Impfbefürworter der Schweinegrippe; ich rate selber nicht dazu, da der Verlauf im Normalfalle sehr milde ist und die Impfung schwere Nebenwirkung haben kann und als Pandemieimpfstoff keine lange Vorlaufzeit hat. Auch ist nicht gesagt, dass der Impfstoff im Falle einer Erregermutation oder Verschmelzung mit dem Influenzavirus noch wirksam ist. Wer sich allerdings für die Impfung entscheidet, macht mit Sicherheit nichts falsch. Die Impfung sehe ich keinesfalls als Reiseimpfung für exotische Länder, sondern als Schutz für „Otto Normalbürger“ an.
DocCheck Campus: Eine „normale“ Grippewelle, wie sie alljährlich in der kalten Jahreszeit über Deutschland hinwegrollt, kostet etwa 10.000 zumeist älteren, immungeschwächten Menschen das Leben. Im Vergleich dazu nimmt sich die Schweinegrippe derzeit noch recht harmlos bis geradezu nichtig aus. Woran liegt dann aber die Angst vor ihr? Gibt es da einen „Exotenbonus“?
Dr. David: Die Angst vor der Schweinegrippe ist künstlich geschürt. Würden wir nicht permanent in den Medien mit der Schweinegrippe und der angeblichen Gefahr überschüttet, wäre die Schweinegrippe in ihrer momentanen Ausprägung eine harmlose exotische Erkrankung.
Die Einschätzung als Pandemie und die Bestellung der 50 Millionen Impfstoffe bringt aber die Schweinegrippe in die Öffentlichkeit und die Impfstoffe müssen an den Mann gebracht werden.
Ich sehe die echte Grippe mit der nächsten Grippewelle, die Anfang des Jahres kommen wird, als wesentlich gefährlicher an. Die Todesrate liegt höher, die Krankheitsdauer ist wesentlich länger und die Verbreitung viel weiter. Um sich vor einer Erkrankung zu schützen, plädiere ich vehement für die Influenzaimpfung, denn die Impfung gegen die Schweinegrippe. Ich selber kann nicht nachvollziehen, warum sich die Menschen, die sich bewusst gegen die Influenzaimpfung entscheiden und diese ablehnen, plötzlich in lange Schlangen stellen, um sich gegen die Schweinegrippe impfen zu lassen.
DocCheck Campus: Wie schützt man sich am besten vor der Grippe und im speziellen vor der Schweinegrippe?
Dr. David: Einen speziellen Schutz gegen die Schweinegrippe bietet nur die Impfung, sofern ein Impfschutz entsteht. Wie lange dieser anhält, wissen wir nicht.
Ganz allgemeinen plädiere ich aber unbedingt für die allgemeinen hygienischen Maßnahmen: regelmäßiges Händewaschen; keinen unnötigen Kontakte mit fremden Menschen; Vermeidung, alles anzufassen, und auch zum Schutz der anderen das Benutzen von Einmaltaschentüchern; Niesen in den Ärmel und nicht in die Hände... Auch plädiere ich für die Vermeidung von Menschenmassen, verbunden mit Alkoholexzessen, wie sie uns zu Fasching wieder bevorstehen, da hier die wirklichen Infektionsherde sind. Nicht umsonst sind bisher hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene betroffen, die von Urlaubsreisen, Klassenfahrten und ähnlichem zurückkommen.
Ein panisches Tragen von Mundschutz und permanente Händedesinfektion des Normalbürgers halte ich aber absolut nicht für notwendig.
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