Einen Versuch der Raucherentwöhnung starteten Forscher und untermauern damit positive Ergebnisse von computergestützen Entwöhnungsprogrammen. Das virtuelle Zerbrechen von Zigaretten reduzierte die Abhängigkeit und erhöhte Abstinenzzahlen.
Wer raucht, hat schon verloren – spätestens meist dann, wenn er gewillt ist, dem Glimmstengel zu entsagen. Die langfristigen Erfolgsquoten sind meist bescheiden, und die Diskussion, ob Rauchen eine Sucht und damit Krankheit oder einfach nur ein schlechter Lebensstil ist wird von Experten wie Lutz Breitling der Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg folgendermaßen beantwortet: „Der geradezu zynischen Darstellung des Rauchens als selbstbestimmten „Lifestyle“ muss aufs Deutlichste entgegengetreten werden“ (Dtsch Arztebl Int 2009; 106(27): 451–5).
Zigarettenmörder bleiben abstinent
Ist also, wie meist, der reine Wille zum Rauchstopp nicht ausreichend, bleibt nur auf Raucherentwöhnungstherapien zurückzugreifen. Diese sind teuer, und es fällt nicht leicht, sich zwischen Medikamenten, Verhaltenstherapie, Hypnotherapie oder computergestützten Entwöhnungsprogrammen zu entscheiden. Einen interessanten Ansatz entwickelte ein Forscherteam um Benoit Girard der GRAP Occupational Psychology Clinic in Quebec, Kanada. 91 durchschnittlich 44-jährige Raucher nahmen im Rahmen eines zwölfwöchigen psychosozialen Behandlungsprogramms für Erwachsene an zwei verschiedenen Behandlungen teil (CYBERPSYCHOLOGY & BEHAVIOR 2009; Volume 12, Number 5; DOI: 10.1089=cpb.2009.0118). Virtuell zerstörte eine Gruppe vier Wochen lang einmal pro Woche für 30 Minuten Zigaretten, während die andere Gruppe angewiesen war, in der virtuellen Umgebung Bälle zu greifen.
„Zigarettenmörder“ wiesen im Vergleich zu „Ballfängern“ eine signifikant geringere Abhängigkeit und erhöhte Abstinenzzahlen auf. Nach zwölf Wochen waren sie zu 15 Prozent abstinent, in der Vergleichsgruppe waren dies nur ganze zwei Prozent. Außerdem hielten Probanden, die den Stoff der Begierde zerstören durften, länger am Behandlungsprogramm fest. Sie hielten meist über acht Wochen lang durch, während die Ballfänger-Gruppe schon nach weniger als sechs Wochen aufgab. Nach sechs Monaten gaben 39 Prozent der virtuellen Zigarettenzerstörer an, in der vergangenen Woche nicht geraucht zu haben. In der Vergleichsgruppe waren es 20 Prozent. Die Ursachen des größeren Erfolgs der Zigarettenbrecher sind unklar. Möglich sind Erklärungen durch Lern- und Konditionierungsmodelle.
Computer, Medikamente, Hypnose?
Computerbasierte Entwöhnungsprogramme haben laut einer aktuellen Metaanalyse in den Archives of Internal Medicine (2009; 169: 929-937) durchaus eine Wirksamkeit. Die zugrunde gelegten Studien waren jedoch klinisch und methodologisch so heterogen, dass das Ausmaß des tatsächlichen Nutzens unklar bleibt. Und wie sieht der Vergleich mit anderen Behandlungen aus?
Allein unter den medikamentösen Abstinenzhilfen hat Raucher die Qual der Wahl. Nikotinersatztherapien oder eine Therapie mit dem jüngeren Bupropion verglichen Wissenschaftler der University of Wisconsin (Arch Gen Psychiatry 2009; 66: 1253-1262). Über 1.500 Raucher kämpften mit Nikotintabletten, Nikotinpflastern, einer Kombination aus beidem, Bupropion allein oder in Kombination mit Nikotinpflaster oder Placebo gegen die Sucht. Alle Studienteilnehmer erhielten zudem sechs individuelle Beratungsgespräche. Demnach war jede Therapievariante besser als Placebo. Am besten schnitt die Kombination aus Nikotintabletten und –pflastern ab. Die Kombi erhöhte die Chance der Abstinenz gegenüber Placebo nach sechs Monaten um 2,34 und war auch jeder Monotherapie überlegen.
Langzeiterfolg bleibt fraglich
Eine andere Variante ist, die Sucht im Halbschlaf abzulegen. Hypnose ist Untersuchungen von Prof. Dr. Dirk Revenstorf der Universität Tübingen zufolge mit einer 48-prozentigen Abstinenz nach einem Jahr verbunden. Allerdings erreichten offenbar auch Raucher mit Entwöhnung in Eigenregie Abstinenzraten von 22 Prozent. Ein systematischer Review der Cochrane Collaboration mit Update im Jahr 2005 konnte allerdings keinen Unterschied zwischen Hypnosetherapie und Kontrollbehandlungen bzw. keiner Behandlung ausmachen.
Allgemein besagt eine mehrwöchige und sogar mehrmonatige Abstinenz noch nicht allzu viel. Kritische Momente muss ein Ex-Raucher noch überstehen, wenn ein halbes Jahr clean überstanden ist. Auch die medikamentösen Therapien sind alles andere als ein Erfolgsgarant: Nach nur einem halben Jahr wird die Hälfte der Ex-Raucher wieder zum Raucher, ergab die Studie der fünf pharmakologischen Entwöhnungsstrategien – und der Gipfel der Rückfälle ist längst nicht erreicht.
Angepasste Therapien steigern Abstinenzrate
Der Arbeitskreis Raucherentwöhnung (AKR) der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen weiß, dass Entwöhnungsprogramme auf Subgruppen wie etwa Risikopersonen oder Schwangere anzupassen sind und modifizierte Behandlungen besser greifen. Auch ist die Stärke der Abhängigkeit bei der Wahl der Therapie zu berücksichtigen.
Erfolgsrezepte also gibt es nicht. Interessant wäre vielleicht noch der Versuch, real Zigaretten zu zerstören und diese Ergebnisse mit den Erfolgen der virtuellen Zerstörung zu vergleichen, meint Girard. Angenehmer, aber möglicherweise auch nicht ganz preiswerter Nebeneffekt: Zerbrochene Zigaretten lassen sich ohnehin nicht mehr rauchen.